Bei schweren Reaktionen auf Insektenstiche empfiehlt sich eine spezifische Immuntherapie

Insektenstiche sind bei Erwachsenen die häufigsten Auslöser einer Anaphylaxie. Einen wirksamen Schutz vor schweren anaphylaktischen Reaktionen bietet die allergenspezifische Immuntherapie. Jedoch kommt sie noch viel zu selten zum Einsatz. Die Zahl der hierzulande statistisch erfassten Todesfälle ist mit etwa 20–40 pro Jahr eher niedrig, doch Expertinnen und Experten vermuten, dass die tatsächliche Zahl aufgrund vieler nicht erkannter Fälle deutlich höher liegt. Daten des deutschen und europäischen Anaphylaxieregisters zeigen, dass die Insektengiftallergie im Erwachsenenalter die bei Weitem häufigste Ursache für schwere allergische Reaktionen ist. „Aus epidemiologischen Studien wissen wir, dass bis zu 3,5% der Menschen in der Allgemeinbevölkerung eine echte Bienen- oder Wespengiftallergie haben. Diese bedürfen einer besonderen medizinischen Zuwendung“, erklärte Prof. Dr. med. Thilo Jakob, Direktor der Klinik für Dermatologie und Allergologie am Universitätsklinikum Gießen/UKGM und Vorsitzender der Arbeitsgruppe Insektengiftallergie der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinischer Immunologie in einer Pressemitteilung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG). Hochwirksame Immuntherapie Einen wirksamen Schutz vor einer schweren anaphylaktischen Reaktion bietet die allergenspezifische Immuntherapie. Über 90% der durch Insektengift verursachten Anaphylaxien lassen sich nach Einschätzung der DDG durch Immuntherapie verhindern. Allerdings erhalten bislang nur etwa 10% der Betroffenen eine solche Behandlung. Die Immuntherapie bei Insektengiftallergie wird gemäß der aktuellen deutschen Leitlinie ab einer Anaphylaxie Grad II empfohlen. Auch bei Erwachsenen mit einer Grad-I-Anaphylaxie kann die Immuntherapie durchgeführt werden, wenn sie beispielsweise beruflich einem hohen Risiko für erneute Stiche ausgesetzt sind (z. B. Imker, Bäckereifachverkäuferinnen und -verkäufer, Arbeitende in Gärtnereien oder Forstwirtschaft) oder wenn eine deutliche Einschränkung der Lebensqualität vorliegt, so die Expertinnen und Experten der DDG. Zusätzlich ist bei systemischen Allgemeinreaktionen die Ausstattung mit einem Notfallset angeraten. Bei der Bienengiftallergie liegt die Wirksamkeit der Immuntherapie bei bis zu 94%, bei Wespengift bis zu 99%. „Wenn man bedenkt, wie gut die Behandlung wirkt, ist es sehr verwunderlich, dass schätzungsweise nur 10% derjenigen, für die eine Indikation zur Immuntherapie besteht, eine solche auch erhalten“, bemängelte Jakob. Diagnostik bei Verdacht auf Insektengiftallergie Bei schweren systemischen Stichreaktionen dominieren typischerweise kardiovaskuläre Symptome, während mukokutane Anaphylaxiezeichen (Urtikaria, Flush oder Angioödem) häufig nur diskret ausgeprägt sind oder sogar ganz fehlen können. Phänotypisch stehen Schwindel, Hypotonie, Tachykardie und Bewusstseinstrübung im Vordergrund, auch Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit und Diarrhö können auftreten. Bei einer Vorgeschichte einer systemischen Allgemeinreaktion im engen zeitlichen Zusammenhang nach einem Insektenstich sollte eine Allergiediagnostik eingeleitet werden, die aus einem Hautpricktest und In-vitro-Diagnostik besteht. Zudem sollte auf Gesamt-IgE, spezifisches IgE gegen Insektengift, rekombinante Majorallergene und die Serum-Tryptase, einen Marker, der das individuelle Anaphylaxierisiko erfasst, getestet werden. Risiko- und Kofaktoren Bei den anaphylaktischen Reaktionen mit Todesfolge ist das männliche Geschlecht ein Risikofaktor, die Betroffenen befinden sich häufig in der fünften Dekade. Meist sind es wiederholte Reaktionen, die sehr rasch verlaufen und innerhalb von Minuten zum Tod führen. Zudem gehören Menschen mit Mastozytose zu einer Hochrisikogruppe für ein letales Ereignis, eine Mastozytose sollte deshalb nach schweren Stichreaktionen stets abgeklärt werden. Inzwischen weiß man auch um die Bedeutung der Kofaktoren bei sehr schweren oder tödlichen Reaktionen durch Insektengift, die bei rund 70% der Fälle eine Rolle spielen. Dazu gehören die Einnahme von Medikamenten, körperliche Betätigung vor dem Ereignis sowie Alkohol und Stress. Risikofaktoren der Insektengiftanaphylaxie sind neben Alter und kardiovaskulären Erkrankungen auch verschiedene Medikamente, typischerweise Wirkstoffe, die bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen eingesetzt werden, wie Betablocker, ACE-Hemmer und nicht steroidale Antiphlogistika. Aber auch Asthma bronchiale erhöht das Risiko einer Anaphylaxie. Biene versus Wespe In der Praxis stellt sich häufig die Frage: War es wirklich ein Insekt und, wenn ja, welches? In der Stadt kann davon ausgegangen werden, dass es sich um eine Wespe gehandelt hat, auf dem Land stechen etwas häufiger die Bienen zu. Bei Wespen bleibt in der Regel kein Stachel in der Haut zurück, die Stiche ereignen sich häufig in der Nähe von Speisen und Abfallbehältern. Wespen erscheinen im Gegensatz zu Bienen eher aggressiv und sind hauptsächlich von Sommer bis Spätherbst aktiv. Bei Bienen dagegen bleibt der Stachel häufig in der Haut stecken. Sie stechen vor allem in der Nähe von Bienenstöcken, auf Wiesen mit Klee und anderen Blüten. Ihre Flugzeit ist hauptsächlich von Frühjahr bis Spätsommer, aber auch an warmen Wintertagen werden sie gesichtet. Nach einer Pressemitteilung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG); Berlin, 16. April 2024

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