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Klinische Angiologie
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Publiziert am: 08.03.2024

Sekundäres Raynaud-Phänomen

Verfasst von: Oliver Sander und Claudia Dechant
Das sekundäre Raynaud-Phänomen (RP) zeigt initial häufig eine vergleichbare Klinik wie das primäre RP, es ist aber als Folge einer zugrunde liegenden Erkrankung aufzufassen. Bisweilen manifestiert sich die Erkrankung erst Jahre nach dem ersten Auftreten eines RP. Innerhalb von 10 Jahren wird bei etwa 10 % der Patienten mit RP eine Grunderkrankung manifest. Patienten mit ungewöhnlicher Konstellation bei Erstmanifestation haben ein höheres Risiko. Kollagenosen gehen häufig mit einem RP einher, die Systemische Sklerose in über 90 %. In der Abklärung helfen neben Anamnese und körperlicher Untersuchung die Kapillarmikroskopie und Autoantikörperdiagnostik. Therapieprinzipien des primären RP werden übernommen, in einigen Fällen sollte auch die Grunderkrankung intensiver behandelt werden.

Einleitung

Das klinische Bild des Raynaud-Phänomens (RP) mit anfallsartig auftretendem Farbwechsel der Akren von weiß zu zyanotisch und rot zeigt keinen Unterschied zwischen dem primären und sekundären Typ. Auch die Auslöser wie Kälte, Feuchtigkeit und Stress werden bei beiden Gruppen benannt. Bedingung für ein sekundäres RP ist der Nachweis einer zugrunde liegenden Erkrankung oder Störung, die die Durchblutung der Akren negativ beeinflusst, im Sinne einer rein funktionellen Störung (Vasospasmus) oder aber einer primär strukturellen (Digitalarterienverschlüsse) mit sekundär funktionellen Störung (Vasospasmus) (Tab. 1).
Tab. 1
Übersicht über die erste Differenzierung zwischen primärem und sekundärem Raynaud-Phänomen mittels Anamnese, Untersuchung, Routinelabor, Autoantikörperdiagnostik und Kapillarmikroskopie
Raynaud-Phänomen
Primär
Sekundär bei Kollagenose
Sekundär bei Malignom
Anamnesedauer
Seit der Jugend bekannt
Auftreten variabel
Auftreten in hohem Alter
Raynaud-Anfälle
Gelegentliche selbstlimitierte Episoden v. a. im Winter, Beschwerdefreiheit zwischen den Anfällen
Neuauftreten auch im Sommer, lange Episoden, starke Beschwerden
Neuauftreten auch im Sommer, lange Episoden
Begleiterkrankungen
Keine
Hautveränderungen auch zwischen den Anfällen, begleitende Allgemeinsymptome wie Arthritis, Myositis, Serositis, Fieber
Gewichtsabnahme
Routinelabor
Unauffällig
Anämie, Leukozytopenie, Hypergammaglobulinämie
Unspezifisch
Negativ
ANA erhöht
Negativ
Kapillarmikroskopie
Haarnadel oder Torquierung > 80 %, Dichte > 7/mm
Ektasien, Megakapillaren, Blutungen, Dichteminderung < 7/mm
Haarnadel oder Torquierung > 80 %, Dichte > 7/mm
Aber auch, wenn bei der Erstmanifestation des RP keine Erkrankung offensichtlich ist, kann diese sich im Verlauf manifestieren, ein vermeintlich primäres RP dann doch in ein sekundäres RP übergehen. So werden in Mitteleuropa nach 10 Jahren bei etwa 10 % der Patienten mit primärem RP sekundäre Ursachen manifest (Belch et al. 2017; Brand et al. 1997; Hirschl et al. 2006). Daher sollten immer die zumindest häufigen und wahrscheinlichen Ursachen eines sekundären RP bedacht und berücksichtigt werden, bevor ein primäres RP diagnostiziert wird.
Ein erstes Warnsignal für ein sekundäres RP ist die „ungewöhnliche“ klinische Konstellation. Das primäre RP manifestiert sich typischerweise bei jungen schlanken Frauen mit familiärer Belastung und saisonaler Gewichtung in Herbst und Winter. Erstmanifestation in höherem Alter, Adipositas, männliches Geschlecht und sporadisches Auftreten z. B. im Sommer sollten immer an eine andere Ursache denken lassen. Da beim sekundären RP Digitalarterienverschlüsse vorliegen können, die Symptomatik somit in diesen Fällen nicht nur durch einen vorübergehenden Vasospasmus hervorgerufen wird, können die Anfälle häufiger, bisweilen auch ohne typische Auslöser auftreten, und oft ist die Dauer der Anfälle länger als beim primären RP (Heidrich et al. 2008).
Da die Liste möglicher Ursachen für ein sekundäres RP sehr lang ist, sollte zunächst eine grobe Differenzierung erfolgen, ob eher zuführende größere Gefäße, kleine Gefäße und Kapillaren, die Gefäßregulation durch Nerven und durch Botenstoffe oder Gerinnung und Rheologie des fließenden Blutes gestört sein könnten. Dabei können diese Systeme direkt betroffen sein (als innere Ursache) oder indirekt physikalisch und chemisch beeinflusst werden (als äußere Ursache) durch z. B. Kompression von außen, Medikamente oder chemische Substanzen.
Grundkrankheiten, die mit einem sekundären Raynaud-Phänomen assoziiert sind
  • Malignome
  • Hand- oder Armarterienverschlüsse oder -stenosen durch Arteriosklerose, Thromboembolie, Vaskulitis
  • Thrombangiitis obliterans
  • Berufliche Belastung mit mechanischen Einflüssen (Vibrationsschaden, Hypothenar-Hammer-Syndrom) bzw. chemischen Substanzen
Medikamente oder Drogenkonsum können ebenfalls ein RP auslösen oder verschlechtern (Khouri et al. 2016). Auch ein Zusammenspiel mehrerer an sich geringfügiger Ursachen kann über eine Summation aus z. B. gestörter Makrozirkulation, Mikrozirkulation und Rheologie zur Manifestation eines sekundären RP führen. Zudem kann bei vorbestehender Ursache wie einer bekannten Kollagenose auch eine neu hinzugekommene Medikation (z. B. Vasopressortherapie) oder ein thromboembolischer Gefäßverschluss zu einer neuen oder verschlechterten akralen Perfusionsstörung führen. Daher sollten bei Neuauftreten oder Verschlechterung einer bekannten Symptomatik immer alle möglichen Aspekte erneut bedacht werden. Dieses Kapitel beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit dem sekundären RP im Zusammenhang mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen und davon insbesondere Kollagenosen als Systemerkrankungen mit einer hohen Assoziation zum RP.

Differenzialdiagnostisches Vorgehen beim Erstkontakt mit RP oder bei Verschlechterung einer vorbekannten Symptomatik des RP

Das klinische Bild und diagnostische Vorgehen sind ausführlich auch im Kap. „Akrale Durchblutungsstörungen, klinisches Bild und diagnostisches Vorgehen“dargestellt. Eine Übersicht zum gezielten diagnostischen Vorgehen gibt die Abb. 1 (Richter et al. 2010; Klein-Weigel et al. 2022).
Wichtig ist eine ausführliche Anamnese: Familien-, Berufs- und Medikamentenanamnese, Drogen- und Nikotinkonsum aber auch passive Exposition und bei Fokussierung auf Kollagenosen die Frage nach möglichen Symptomen einer Systemerkrankung.
Bei der körperlichen Untersuchung sind die Erhebung des Pulsstatus, die beidseitige Blutdruckmessung, das Auskultieren der Gefäßverläufe und die Durchführung der Faustschlussprobe mit ischämischer Handarbeit (Allen-Test), ggf. auch Funktionstests zur Diagnostik des Thoracic-Outlet-Syndrom (Kap. „Kompressionssyndrome“), entscheidend zur Orientierung über die Makrozirkulation. Die Inspektion der Haut an den Akren, aber auch zentral und mit einer gewissen Kälteprovokation (z. B. einige Zeit entkleidet warten lassen) verrät einiges über die Mikrozirkulation. Die Rekapillarisierung kann durch Druck auf die betroffene Region mit dem Finger getestet werden. Ergänzend sollte nach weiteren kollagenosetypischen Haut- und Schleimhautveränderungen gefahndet werden.
Tipp
Ein Verschluss der A. ulnaris in der körperlichen Untersuchung könnte einen ersten Hinweis auf eine zugrunde liegende Kollagenose geben.

Labordiagnostik

An orientierender Labordiagnostik sind Blutbild mit Differenzialblutbild, Gesamteiweiß mit Serumeiweißelektrophorese, C-reaktives Protein und Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit sowie das TSH gute Screeninginstrumente (Belch et al. 2017).
Die weiterführende Labordiagnostik bei Verdacht auf/zum Ausschluss einer Kollagenose sollte um eine immunologische Diagnostik auf antinukleäre Antikörper (ANA) im Immunfluoreszenztest (IFT) ausgedehnt werden (Belch et al. 2017). Diese Untersuchung dient als Screeningtest für das mögliche Vorliegen oder die Identifikation einer erhöhten Gefährdung für die Entwicklung einer Kollagenose. In einer prospektiven Studie an 1039 Patienten entwickelten nur 2 % der Patienten mit RP und negativen ANA im Verlauf eine rheumatische Erkrankung (Landry et al. 1996).
Sind ANA unterhalb der Grenze nachweisbar, kann bei Fehlen weiterer klinischer Hinweise eine Kollagenose somit als ausgeschlossen gelten. Aufgrund der Häufigkeit des RP und „falsch“ positiver, unspezifischer ANA ist die alleinige positive Prädiktion des ANA-Testes allerdings sehr gering (Spencer-Green 1998).
Im Fall erhöhter ANA im IFT sollte die Diagnostik erweitert werden auf Antikörper gegen extrahierbare nukleäre Antigene (ENA) und Doppelstrang-Nukleinsäuren (DNS). Eine homogene Fluoreszenz im ANA-IFT und ein gleichzeitiger Nachweis von ds-DNS-Antikörpern sprechen für einen systemischen Lupus erythematodes (SLE), Antitopoisomerase-Antikörper für eine diffuse Form der systemischen Sklerose (SSc), Anti-Zentromer-Antikörper für eine limitierte Form der SSc, Anti-Ro- oder -La-Antikörper für einen SLE oder ein Sjögren-Syndrom (SjS) (Kallenberg et al. 1988, S. 47, 634–41; Luggen 1995). Zu bedenken ist aber auch hier die nur moderate Spezifität auch dieser Untersuchungen, die Diagnose sollte nur im klinischen Kontext, möglichst vom Facharzt und nicht alleinig aufgrund der Laborbefunde gestellt werden. Diese sind für sich genommen nur eine Orientierung, welche klinische Symptomatik möglich sein könnte.
Antisynthetase-Antikörper zeigen oft eine zytoplasmatische Fluoreszenz, fallen dem erfahrenen Untersucher aber im ANA-IFT bereits auf. Antisynthetase-Antikörper (insbesondere Jo1-Antikörper) sind daher oft in ENA-Blots bereits enthalten.
Bei Hinweisen auf eine Gerinnungsaktivierung oder (Mikro-)Embolien sind Antiphospholipid-Antikörper (ß2-Glykoprotein- und Cardiolipin-Antikörper) und das Lupus-Antikoagulanz eine weitere sinnvolle Ergänzung (s. Kap. „Antiphospholipid Antikörper-Syndrom“).
An apparativer Diagnostik sind je nach Ausprägung die Bildgebung der großen Gefäße oder die Kapillarmikroskopie einzuplanen. Insbesondere bei älteren Menschen ist früh ein Tumorscreening auf den Weg zu bringen, da mit einer paraneoplastischen Mimikry von Kollagenosesymptomen, einer hohen Koinzidenz von Tumoren mit bestimmten Kollagenosen wie der Dermatomyositis (DM) und auch einem direkten tumorassoziierten sekundären RP zu rechnen ist (Klein-Weigel 2012).
Da die Wertung der Klinik und der Antikörperbefunde einiger Erfahrung bedarf, die Erkrankungen aber recht selten sind, wird bei Verdacht auf eine entzündlich-rheumatische Erkrankung/Kollagenose die frühzeitige Hinzuziehung eines Rheumatologen empfohlen.

Kapillarmikroskopie

Bei einem neuen RP und in der Verlaufskontrolle bei Verschlechterung der Symptomatik sollte eine Kapillarmikroskopie des Nagelfalz durchgeführt werden (Belch et al. 2017).
Trotz der Vielfalt morphologischer Varianten bei Gesunden lassen sich ein „Normalbefund“ und ein „pathologischer Befund“ klar trennen (Interobserver-Übereinstimmung für „Normalbefund“ 0,95–0,98) (Sander et al. 2010a, b; Klein-Weigel et al. 2016). Eine Dichte von über 7 Kapillaren/mm Nagelfalz sowie haarnadelförmige und/oder torquierte Kapillaren mit schmalem Scheitel von über 95 % sprechen gegen das Vorliegen einer manifesten Kollagenose als Ursache eines RP.
Morphologische Veränderungen in der Kapillarmikroskopie wie Megakapillaren, Kapillarverlust und Blutungen sind die am besten reproduzierbaren Veränderungen mit hoher Wahrscheinlichkeit für eine Kollagenose.
Darüber hinaus können typische Befundmuster identifiziert werden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Zuordnung zur systemischen Sklerose erlauben, auch wenn diese klinisch noch nicht offensichtlich ist. Die Interobserver-Übereinstimmung der Kapillarmikroskopie für die Diagnose einer systemischen Sklerose liegt bei 0,90–0,96 (Maricq et al. 1982; Cutolo et al. 2013; Smith et al. 2020; Klein-Weigel et al. 2016). Das häufig noch verwendete Dermatoskop hat aufgrund der geringeren Vergrößerung eine geringere Sensitivität für die Detektion von Kollagenose als die Kapillarmikroskopie (60,2 % vs. 81,6 %). Sind aber Veränderungen bereits mit dem Dermatoskop sichtbar, ist eine Kollagenose hoch wahrscheinlich (Spezifität 92,5 %) (Dinsdale et al. 2018).
Kombiniert man Autoantikörperdiagnostik und Nagelfalzkapillarmikroskopie, kann die Prädiktion für eine Kollagenose deutlich gesteigert werden. Bei Nachweis von spezifischen Autoantikörpern und mikrovaskulären Veränderungen in der Kapillarmikroskopie zum Zeitpunkt der Basisuntersuchung bei Erstvorstellung wegen eines RP war das Risiko, im Verlauf eine definierte systemische Sklerose zu entwickeln, 60-fach erhöht. War beides unauffällig, erkrankte quasi niemand in einer 15-jährigen Nachbeobachtung (Koenig et al. 2008). War eine der Untersuchungen auffällig, die andere unauffällig, erkrankte jeder Dritte im Verlauf eines Jahrzehnts.
Die Kapillarmikroskopie wird von der Mehrheit der weltweit befragten Rheumatologen zur Differenzierung des RP regelmäßig benutzt (Ingegnoli et al. 2010). Wenn auch solche Erhebungen für die Gefäßmedizin nicht vorliegen, sollte auf Basis der vorgenannten Belege zum diagnostischen Stellenwert der Kapillarmikroskopie in Kombination mit der ANA-Diagnostik diese regelhaft in der Erstabklärung eines RP zum Einsatz kommen.

Verlaufskontrollen

Es existieren bisher keine evidenzbasierten Empfehlungen zur Notwendigkeit und den Zeitintervallen der Kontrolluntersuchungen, wenn bei der ersten Untersuchung keine Grunderkrankung gesichert werden konnte. Vor dem Hintergrund limitierter gefäßmedizinischer und rheumatologischer Ressourcen erscheinen Nachuntersuchungen in 2- bis 3-jährigen Abständen bei dringendem Verdacht auf ein sekundäres RP aufgrund von Nachweis spezifischer antinukleärer Antikörper (ANA) oder suspekter kapillarmikroskopischer Veränderungen bei ansonsten asymptomatischen Patienten sinnvoll. Patienten mit wahrscheinlich primärem RP (junge asthenische Frauen, familiäres Auftreten, kein Nachweis von ANA oder kapillarmikroskopischen Auffälligkeiten) benötigen bei stabilem Verlauf keine weiteren elektiven Kontrollen. Alle Patienten sollten informiert werden, dass sie bei Verschlimmerung des RP, Auftreten von Hand-/Fingerödemen oder Hautläsionen Kontakt mit dem Facharzt aufnehmen sollten.

Krankheitsbilder, die mit einem Raynaud-Phänomen assoziiert sind

Rheumatoide Arthritis (RA)

Die RA ist nur gering mit dem RP assoziiert, aber sie ist die häufigste entzündlich-rheumatische Erkrankung. Typisch sind persistierende symmetrische Gelenkschwellungen der Hand- und Fingergelenke unter Aussparung der Endgelenke (Abb. 2). Insbesondere in den Morgenstunden bestehen eine deutliche Gelenksteifigkeit und Kraftminderung. Serologisch zeigen sich, häufig aber nicht obligat, erhöhte Entzündungsparameter, der Nachweis von Rheumafaktoren und Antikörpern gegen zitrullinierte Polypeptide.
Das RP kann erstes Symptom der Erkrankung sein, aber auch im Verlauf nach Jahren auftreten. Das Risiko der Entwicklung eines sekundären RP ist bei langdauernder hoher Krankheitsaktivität höher und wird durch die Koinzidenz von Paraproteinen, Hypergammaglobulinämie und Kryoproteinen wie Kryoglobulinen begünstigt. Da die floride Arthritis der Fingergelenke die akrale Perfusion fördert, ist die Zunahme des RP nicht unbedingt Ausdruck der zunehmenden Krankheitsaktivität, sondern kann auch das Gegenteil bedeuten.

Systemischer Lupus erythematodes (SLE)

Der SLE ist die häufigste Kollagenose und häufig mit einem RP assoziiert. Typisch ist das Nebeneinander verschiedener Organbeteiligungen, die teils nur durch eine gezielte Diagnostik offensichtlich werden. Gleichzeitig können die Symptome auch bei anderen Erkrankungen auftreten, sind daher alleine betrachtet unspezifisch. Der klinische Verlauf kann sehr heterogen sein, sehr milde oder auch mit akut schwer lebensbedrohlicher Symptomatik. Ein RP bei SLE kann koinzident auftreten, aber auch durch eine Gerinnungsaktivierung mit akralen Thrombembolien im Rahmen eines Antiphospholipid-Antikörper-Syndroms oder eine Kleingefäßvaskulitis im Bereich der Akren (Abb. 3).

Systemische Sklerose/Sklerodermie (SSc)

Die SSc ist eine seltenere Kollagenose, geht aber quasi immer mit einem RP einher, das der Erkrankung um Jahre vorauseilen kann. Über 90 % der betroffenen Patienten zeigen die Symptomatik (Hughes et al. 2020). Das Erkennen einer frühen systemischen Sklerose wird durch Beachtung der Red Flags „puffy fingers“, „early scleroderma pattern“ in der Nagelfalzkapillarmikroskopie und/oder positive ANA erleichtert (Matucci-Cerinic et al. 2009).
Cave
Zu beachten ist aber, dass die SSc die Kollagenose ist, bei der die ANA am häufigsten negativ bleiben, der fehlende Nachweis also die Erkrankung nicht ausschließt.
Nach dem Ödem kommt es im weiteren Verlauf zu einer Hautverdickung und Verhärtung, insbesondere an den Händen und im Gesicht. Häufig entwickelt sich früh ein Sodbrennen aufgrund einer Ösophagusmotilitätsstörung. Weitere Symptome sind Folgen der pulmonalen Fibrose, pulmonalarteriellen Hypertonie und kardialen Beteiligung.
Die akrale Perfusionsstörung ist durch eine Endotheldysfunktion, die luminale Obstruktion der Unterarm-, Hand- und Fingerarterien infolge Intimaverdickung sowie die Verhärtung der Haut mit steigendem Gewebedruck erklärt. Das führt zu einer häufig schweren Symptomatik und zu einem unzureichenden Ansprechen auf nur eine Therapie. Abb. 4ag zeigen das klinische Spektrum bei der Erkrankung.

Sjögren-Syndrom (SjS)

Auch das SjS geht, wie die anderen Kollagenosen, mit einem RP einher. Da die klinische Manifestation der frühen Verläufe oft mild und unspezifisch ist, wird der Verdacht meist durch den Nachweis hochtitriger ANA, Rheumafaktoren und einer Hypergammaglobulinämie gelenkt. Weitere Symptome sind die Trockenheit der Schleimhäute und der Nachweis der Infiltration des Drüsengewebes durch Lymphozyten.

Mischkollagenosen

Mischkollagenosen zeigen oft die Symptomatik eines SLE und einer SSc gleichzeitig und gehen häufig mit einem RP einher. In der Regel zeigen sie auch kapillarmirkoskopisch SSc-typische Veränderungen, sind aber serologisch von den anderen Kollagenosen differenzierbar.

Dermatomyositis (DM)

Die DM zeigt oft Akroperfusionsstörungen, dann aber mit bleibenden Hautveränderungen wie den Gottron-Papeln (Abb. 5). In der Kapillarmikroskopie zeigen sich typischerweise auch Megakapillaren und Blutungen, was bei frühen Verläufen die Abgrenzung zur SSc erschweren kann. Außer bei den sehr seltenen amyositischen Verläufen sind Muskelschwäche, Schmerzen und eine sehr hohe Creatinkinase wegweisende Befunde. Das Auftreten als mögliche Paraneoplasie ist zu beachten.

Antisynthetase-Syndrome

Die Antisynthetase-Syndrome gehören zu den seltenen Kollagenosen mit Überlappen von Hautveränderungen (Mechanikerhände, Abb. 6), Lungenbeteiligung, Arthritis, Myositis und RP. Typisch sind  kappillarmikroskopisch SSc-ähnliche Veränderungen und Autoantikörper mit zytoplasmatischer Fluoreszenz (s. Abschn. 2.1).

Vaskulitiden

Die Vaskulitiden werden unterteilt in Erkrankungen mit Befall großer, mittlerer und kleiner Gefäße.
Die Großgefäßvaskulitiden (Riesenzellarteriitis und Takayasu-Syndrom) können zu einer Stenosierung der Arteria subclavia und axillaris führen, oft symmetrisch und dann mit Pulsverlust. Trotzdem ist ein typisches, neu auftretendes RP bei diesen Vaskulitiden selten beschrieben.
Die Vaskulitis der mittelgroßen Gefäße kann auch die Arm-, Hand- und Fingerarterien betreffen, sich dann mit RP-Symptomatik, aber auch Zeichen der kritischen Finger- oder Zehenischämie manifestieren. Typischerweise befällt sie aber eher die Viszeralgefäße und geht mit deutlich erhöhten systemischen Entzündungsparametern einher, was die Abgrenzung zur Thrombangiitis obliterans erleichtert.
Die Vaskulitiden kleiner Gefäße können in die ANCA-assoziierten Vaskulitiden und die Vaskulitiden vom Immunkomplextyp differenziert werden. Erstere können bei Befall der Digitalarterien zu akralen Perfusionsstörungen führen, die dann oft akut und persistierend bis zur Nekrose auftreten und selten die typische Dynamik des RP zeigen. Die typische Immunkomplexvaskulitis ist die kryoglobulinämische Vaskulitis, die mit kälteabhängig verstärkter, akraler Perfusionsstörung einhergehen kann. Typisch ist die häufig akral betonte Purpura v. a. der Unterschenkel und die häufige Assoziation mit einer Neuritis.
Bei den Frostbeulen und der Kryofibrinogenämie kommt es zur anhaltenden, schmerzhaften, lividen Verfärbung durch Thrombosierung der Venolen (Trophische Störung bei Kryoproteinämie Abb. 7).

Andere entzündlich-rheumatische Erkrankungen

Die Spondyloarthritiden wie die Psoriasisarthritis oder Spondylitis ankylosans, aber auch die chronische Gichtarthropathie gehen typischerweise nicht mit einem RP einher. Sollte ein RP im Kontext einer dieser Erkrankungen neu auftreten, ist insbesondere auch an eine Arteriosklerose zu denken.

Differenzialdiagnose rheumatischer Erkrankungen als Ursache eines RP

Wichtigste Differenzialdiagnose des Verdachtes auf eine Kollagenose mit RP ist das paraneoplastische Syndrom, insbesondere bei lymphoproliferativen Erkrankungen (Poszepczynska-Guigné et al. 2002). Aber auch persistierende Virusinfekte wie durch das Epstein-Barr-Virus können eine Mimikry der Kollagenose bewirken.

Therapie des sekundären Raynaud-Phänomens

Nicht bei jedem sekundären RP besteht eine spezifische Therapieindikation. Bei seltenem Auftreten („Gelegenheitsanfällen“) oder bei geringer subjektiver Beeinträchtigung genügt häufig bereits eine Versicherung der relativen Harmlosigkeit des Phänomens durch den Arzt und die Vermeidung von Auslösern und insbesondere Nikotinkarenz, auch bzgl. Passivrauchen. Bei subjektiver Beeinträchtigung und häufigeren Anfällen sollte zunächst an eine Behebung der Ursachen gedacht werden und z. B. Medikamente umgestellt werden, die Makrozirkulation gebessert oder die Grunderkrankung immunmodulatorisch behandelt werden.

Nichtmedikamentöse Behandlung

Für alle Patienten wird ein Schutz vor Kälte und Nässe empfohlen, der nicht nur die Akren umfassen sollte. Auch beim sekundären RP sollte an die bei primärem RP empfohlenen, nichtpharmakologischen Therapieansätze wie Entspannungsübungen und Biofeedback gedacht werden (Daniels et al. 2018; Flavahan et al. 2015) (Kap. „Primäres Raynaud Phänomen“).

Medikamentöse Therapie

Die Pharmakotherapie des sekundären RP ist wegen der oft schwereren Verläufe häufiger nötig als beim primären RP, insbesondere bei der SSc. Daher wurden die therapeutischen Ziele, insbesondere die Prophylaxe neuer digitaler Ulzerationen und das beschleunigte Abheilen digitaler Läsionen, in Studien getestet und Therapiestrategien entwickelt (Klein-Weigel 2012).
Symptomatisch können, durch Metaanalysen belegt, Kalziumantagonisten (v. a. retardiertes Nifedipin) eingesetzt werden (Rirash et al. 2017; Su et al. 2021). Beim SSc-assoziierten RP konnten zudem die Phosphodiesterase-V-Inhibitoren nach dem Ergebnis einer Metaanalyse eine signifikante Verbesserung des Raynaud-Condition-Score bewirken, die Effekte waren jedoch moderat ausgeprägt und eine Zulassung besteht nicht (Roustit et al. 2013). Aufgrund mehrerer positiver randomisierter Therapiestudien wurde die intravenöse Prostaglandintherapie zur Behandlung von Patienten mit SSc und digitalen Ulzera empfohlen (Kowal-Bielecka et al. 2017). Der Endothelin-1-Antagonist Bosentan reduziert bei Patienten mit digitalen Ulzera im Rahmen einer SSc die Rate neuer Ulzerationen, nicht aber die Schwere des RP oder die Abheilungsrate bereits bestehender digitaler Ulzera (RAPIDS-Studien). Ein genereller Nutzenbeleg einer medikamentösen antithrombotischen Therapie existiert nur für das primäre oder sekundäre Antiphospholipid-Syndrom. Der Einsatz eines Thrombozytenaggregationshemmers kann jedoch darüber hinaus bei schwerem sekundären RP oder digitalen Ulzera bei Nachweis von Hand- oder Fingerarterienverschlüssen mit digitaler Ischämie erwogen werden.
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