Reizdarmsyndrom: Antihistaminikum lindert den Schmerz

Die Therapieoptionen, die beim Reizdarmsyndrom zur Verfügung stehen, können die Beschwerden der Patientinnen und Patienten häufig nur bedingt lindern. Ein Forschungsteam aus Belgien hat sich auf die Suche nach einem Wirkstoff gegen den Bauchschmerz gemacht. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Bisher zielte die Behandlung des Reizdarmsyndroms (RDS) vor allem auf das Stuhlverhalten ab und ließ Bauchschmerzen weitgehend unbeeinflusst. Spasmolytika sind in diesen Fällen häufig die empfohlene Behandlung der Wahl für RDS-Patienten. Dies unterstreicht den Bedarf an neuen Strategien zur Beeinflussung der Schmerzsignale. Ein Team von Forschenden aus Belgien um Lisse Decraecker von der Abteilung für chronische Erkrankungen, Metabolismus und Alterung der Katholieke Universiteit Leuven untersuchte nun den H1-Rezeptor-Antagonisten Ebastin auf eine mögliche Wirkung. Das Antihistaminikum der zweiten Generation ist zur Behandlung der allergischen Rhinitis sowie Urtikaria zugelassen. Ebastin durchdringt kaum die Blut-Hirn-Schranke und führt daher im Vergleich zu den Antihistaminika der ersten Generation seltener zu einer Sedierung. Die Studiengruppe um Decraecker testete Ebastin an insgesamt 202 Patientinnen und Patienten mit RDS vom Diarrhö- bzw. Mischtyp. Nicht aufgenommen wurden Patientinnen und Patienten mit dem Obstipationstyp, denn in ihrer Pilotstudie hatten die Forschenden beobachtet, dass Ebastin bei dieser Patientengruppe weniger ausgeprägt wirkt. In der aktuellen multizentrischen, randomisierten, placebokontrollierten Phase-2b-Studie wurde Ebastin (20 mg einmal täglich) mit Placebo verglichen. Die Probandinnen und Probanden mit der Diagnose RDS gemäß den Rom-III-Kriterien waren zwischen 18 und 65 Jahre alt. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Decraecker bestimmten die tägliche Bauchschmerzintensität („abdominal pain intensitiy“, API) anhand einer zehn Punkte umfassenden visuellen Analogskala sowie wöchentlich die allgemeine Linderung von Symptomen („global relief of symptoms“, GRS) mithilfe einer Sechs-Punkte-Skala. Schmerzen gingen zurück Signifikant mehr Probanden in der Ebastin-Gruppe (12,0%) als in der Placebo-Gruppe (4,3%) wurden als klinische Responder identifiziert. In der Per-Protokoll-Analyse sprachen 11,2% der Personen in der Ebastin-Gruppe auf die Behandlung an, während es in der Placebogruppe nur 3,8% waren. Die Forschenden um Decraecker unterschieden auch zwischen API- und GRS-Respondern: 36,6% der Patientinnen und Patienten in der Ebastin-Gruppe sprachen in Hinsicht auf die API an, verglichen mit 24,8% in der Placebogruppe. Ebenso wurden höhere GRS-Responder-Raten für Ebastin im Vergleich zu Placebo festgestellt: 15,1% gegenüber 6,9%. Ähnliche Ergebnisse wurden auch in der Per-Protokoll-Analyse erzielt. Der Anteil der Patientinnen und Patienten, die auf die Behandlung mit dem Antihistaminikum ansprach, nahm mit der Zeit zu und erreichte in Woche sechs ein Plateau. Nach sechswöchiger Behandlung gaben 15,7% der mit Ebastin Behandelten sowohl eine erhebliche Linderung als auch eine Verringerung der Bauchschmerzen um 30% oder mehr an, verglichen mit 5,7% in der Placebogruppe. Unter dem Scheinmedikament dagegen sank die Ansprechrate um Woche acht stark ab, um danach wieder anzusteigen. Die Wirkung von Ebastin war bei Männern größer als bei Frauen, sowohl was das klinische Ansprechen (Risikodifferenz bei Männern 15,0% gegenüber 4,1% bei Frauen) als auch die API (Risikodifferenz 23,9% gegenüber 6,0%) und die GRS (Risikodifferenz 15,0% gegenüber 5,1%) betraf. Keine Wirkung auf die Stuhlkonsistenz Der Stuhl der Patientinnen und Patienten blieb durch die Therapie unverändert: Die Behandlung mit Ebastin hatte im Vergleich zu Placebo keinen Einfluss auf die Ansprechraten bei der Stuhlkonsistenz. Darüber hinaus wurde keine Wirkung auf die Lebensqualität sowie auf Angst und Depression vor und nach der Behandlung festgestellt. In der Placebogruppe berichteten ähnlich viele Patientinnen und Patienten über mindestens ein unerwünschtes Ereignis (20%) wie in der Ebastin-Gruppe (25%). Die am häufigsten berichteten unerwünschten Wirkungen waren Infektionen der oberen Atemwege (neun unter Placebo vs. sechs unter Ebastin), Kopfschmerzen (sieben vs. drei), Bauchschmerzen (zwei vs. sieben) und allergische Reaktionen (fünf vs. vier). „Diese Phase-2b-Studie deutet darauf hin, dass die selektive Ausrichtung auf H1-Rezeptor-Antagonisten als neue Behandlungsoption für Patienten mit RDS ohne Obstipation in Betracht gezogen werden sollte“, so das Fazit der Forschenden um Decraecker. Das Team hat bereits eine Open-Label-Studie ins Leben gerufen, die den Effekt von 40 mg Ebastin evaluiert und eine weitere Steigerung der Responder-Raten belegen konnte. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wirkt das Antihistaminikum Ebastin gegen Bauchschmerzen bei Patienten mit Reizdarmsyndrom (RDS) vom Diarrhö- und Mischtyp? Antwort: In einer Phase-2b-Studie an 202 Patientinnen und Patienten mit RDS war Ebastin in einer Dosierung von 20 mg/Tag dem Placebo überlegen. Bedeutung: H1-Rezeptor-Antagonisten wie Ebastin könnten eine neue Therapieoption beim Reizdarmsyndrom werden. Einschränkung: Die biphasische Placeboreaktion erschwert die Interpretation der Daten.

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