Augenmuskeloperationen bei Okulomotoriusparese dienen zur Wiederherstellung der normalen Physiognomie und sollen die Voraussetzung für normales Binokularsehen schaffen. Hierzu sind Muskeltranspositionen geeignet [1‐4]. Zur Ptosisbehandlung lassen sich eventuell bestehende Fehlinnervationen nutzen. Wir berichten über eine torsionsfreie nasal superiore Lateralistransposition mit späterer Ptosisreduktion.
Anamnese
Die 15-jährige Patientin mit bis dahin unauffälliger Anamnese erlitt im Alter von 8 Jahren ein Schädel-Hirn-Trauma mit links mesenzephalen und beidseits subarachnoidalen Blutungen. Das Trauma hinterließ psychovegetative, sensorische und motorische Störungen, u. a. eine rechtsseitige Hemiparese und Okulomotoriusparese. Die Mydriasis fiel schon dem Notarzt auf. Weitere Symptome zeigten sich nach Erwachen aus dem Koma. Es erfolgten umfangreiche Rehabilitationsmaßnahmen. In dieser Zeit besserte sich die anfangs komplette Ptosis. Wegen störender Diplopie trug die Patientin eine Okklusionskontaktlinse. Sie wurde zur operativen Behandlung der Schielstellung vorgestellt.
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Untersuchungsbefunde
Der Visus betrug RA 0,5, LA 1,25, die Refraktion −1,75 cyl/173° bzw. −0,25 cyl/11°. Das Gesichtsfeld war am RA temporal ausgefallen, am LA normal ausgedehnt. Die Pupille war am RA 5,5 mm weit und unbeweglich, am LA 3–6 mm weit mit normalem direkten und schwächerem konsensuellen Lichtreflex. Beide Papillen erschienen etwas blass. Der übrige Organbefund war unauffällig. Die optische Kohärenztomographie (OCT) zeigte am RA einen parafovealen Ganglienzellverlust und einen Nervenfaserschwund der dem Gesichtsfeldbefund entsprach. Am LA waren diese Parameter subnormal. Die foveopapilläre Achse (FPA) lag am RA horizontal, am LA 11° nach außen (exzyklo) gekippt.
Die Lidspaltenhöhe betrug im Geradeausblick rechts 3 mm, links 11 mm. Sie nahm am RA im Rechtsblick auf 1–2 mm ab, im Abblick auf 5 mm und im Links- und im Aufblick auf 10 mm zu.
Die Hebung des RA war bis 5° unter die Horizontale, die Senkung mehr als 40°, die Adduktion 20° über die Sagittale hinaus möglich. Adduktion führte zur Hebung des Auges und Oberlids. Das LA war frei beweglich (Abb. 1). Der alternierende Abdecktest (APCT) ergab Werte von −31°, −VD 22° bei Fern- und −39°, −VD 24° bei Nahfixation. An der Tangentenskala gab die Patientin −27°, −VD 28° ohne Zyklotropie an (Abb. 2a). Die Exotropie nahm im Rechts- und im Aufblick ab, im Linksblick zu. Bei Schielwinkelausgleich am Synoptometer verschwand das Doppelbild zeitweise.
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Diagnosen
RA inkomplette Okulomotoriusparese mit Exohypotropie, Ptosis und Fehlregenerationen
RA > LA partielle Optikusatrophie
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Therapie und Verlauf
Zur Stellungskorrektur wurde eine Lateralistransposition nach nasal oben mit einer Obliquus-superior-Vorlagerung kombiniert. Im Traktionstest in Narkose waren Adduktion, Hebung und Exzykloduktion eingeschränkt. Nach Markieren der 6‑Uhr-Position mit 9‑0-Polyglaktin wurde über einen Zugang temporal oben der Lateralis über 20 mm präpariert, mit 6‑0-Polyglaktin angeschlungen und desinseriert. Die Obliquus-superior-Sehne wurde desinseriert und stirnwärts geparkt. Anschließend wurde der Lateralis unter dem Rectus superior nach nasal gezogen und 11–13 mm vom Limbus zwischen Rectus superior und medialis fixiert (Abb. 3). Die Hypotropie war damit behoben. Das Auge stand 15° exzyklo und noch gering abduziert. Darauf wurde die Obliquussehne am Oberrand der Lateralisinsertionsleiste fixiert, was weitere Adduktion und die gewünschte Torsion brachte. Der Bindehautverschluss erfolgte mit 9‑0-Polyglaktin.
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Postoperative Befunde
Der Visus betrug RA 0,4, LA 1,6. Das Fundus-OCT zeigte keine subretinale Flüssigkeit. Die FPA war am RA 1°, am LA 11° auswärts geneigt. Die Abb. 4 zeigt die Augenstellung. Die Motilität des RA war auf 3° Abduktion bis 15° Adduktion limitiert, vertikal nahezu aufgehoben (Abb. 4). Der APCT ergab +VD 4° bei Fern- und −2°, +VD4° bei Nahfixation. Subjektiv lokalisierte die Patientin +VD 1° und 1° Inzyklotropie, ohne die Seheindrücke beider Augen fusionieren zu können (Abb. 2b). Sie wurde am 2. postoperativen Tag entlassen, trug weiterhin ihre Okklusionslinse und gelegentlich eine Brille mit Ptosisbügel. Nach 3 Monaten kam sie zur Ptosisoperation.
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Untersuchungsbefunde
Mit dem RA waren aus der Primärposition 5° Hebung, keine Senkung, 3° Abduktion und 15° Adduktion möglich bei freier Motilität des LA. Der APCT ergab −3°, +VD 5° bei Fern- und −3° bei Nahfixation. Die Lidspaltenhöhe betrug am RA 2–3 mm, in 25° Linksblick 9 mm, am LA 10 mm (Abb. 5, vgl. Abb. 1).
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Behandlung der Ptosis
Nach Prismensimulation von 25° Linksblick, wobei sich die rechte Lidspalte erweiterte (Abb. 5), wurde eine Lateralisrücklagerung um 9 mm und eine Medialisfaltung von 7 mm am LA indiziert. Das Adduktionsdefizit des RA schützte vor einer auffälligen Esotropie. Der Eingriff induzierte ein unauffälliges Innenschielen, die Ptosis war auf 5 mm Seitendifferenz verbessert. Nach 3 Monaten betrug die Lidspaltenhöhe auf Fotos rechts 6 mm, links 10 mm, mit abnehmender Seitendifferenz im Links- und im Aufblick. Unsere Kontrolle 7 Monate später ergab stabile Befunde. Die Patientin trug weiterhin eine Okklusionslinse.
Diskussion
Das Operationsziel bei paretischem Schielen ist die Herstellung binokularen Einfachsehens in einem größtmöglichen Areal im Gebrauchsblickfeld. Dieses Areal ist prinzipiell kleiner als das Blickfeld des paretischen Auges. Bei einer N.-III-Paralyse ist es sehr klein. Seine Lage hängt von der Stellung des paretischen Auges ab. Wegen der fast fehlenden Bulbusmotilität bewegt sich das vom paretischen Auge kommende Bild gegenüber dem Bild des anderen Auges in die jeweilige Blickrichtung. Postoperativ liegen die Bilder dicht beisammen und überkreuzen sich bei Blickbewegungen. Oft ist daher weiterhin eine Okklusion erforderlich. Prozentuale Daten dazu liefert auch die weltweite Studie zu nasalen Lateralistranspositionen noch nicht [1, 3, 4]. Die junge Patientin wünschte primär die Wiederherstellung ihres normalen Aussehens. Patienten im höheren Alter sind gegenüber einer Operation und postoperativen Okklusion oft weniger aufgeschlossen. Der funktionelle Nutzen solcher Transpositionsoperationen ist durch die Verlagerung der Gesichtslinie in den Gebrauchsbereich enorm, wenn die Parese das einzig sehtüchtige Auge betrifft. Eine Okklusion kann dann erforderlich sein, um nach außen hin die auffälligen Schielwinkelschwankungen des nichtparetischen Auges und für den Patienten eventuell das unscharfe Doppelbild zu verbergen.
Der Fall zeigt, dass sich die Exzyklotropie, die durch nasal superiore Transposition des M. rectus lateralis induziert wird, über den M. obliquus superior ausgleichen lässt. Damit waren ideale Voraussetzungen für binokulares Einfachsehen geschaffen. Die durch den Gesichtsfelddefekt oder auch zentral bedingte Fusionsstörung ließ das nicht zu. Die Lidstellung ist verbessert. Eine Levatorresektion hätte eine Oberlidretraktion im Linksblick und bei vertikalen Blickbewegungen bewirkt und die Hornhaut gefährdet. Eine Frontalissuspension wäre ästhetisch weniger spurlos als die Operation am linken Auge, die sich hier anbot. Bei geringer Kopfwendung nach rechts fällt die Ptosis nicht auf (Abb. 5). Erfahrungen mit Lateralistranspositionen lassen eine langfristig stabile Augenstellung erwarten [2]. Studien zur Wirkungsdauer derartiger innervationsändernder Eingriffe bei fehlregenerativer Ptosis liegen uns nicht vor. Der bisher unveränderte Befund lässt auf ein stabiles Ergebnis hoffen.
Fazit für die Praxis
Eine Exohypotropie bei Okulomotoriusparalyse ist durch nasale Lateralistransposition mit simultaner Obliquus-superior-Vorlagerung torsionsfrei korrigierbar. Wie nach anderen Transpositionsoperationen bei N.-III-Paralyse ist binokulares Einfachsehen nur in einem sehr kleinen Bereich wiederherstellbar, sofern die sensorischen Voraussetzungen gegeben sind. Präoperativ ist genauestens über die zu erwartende Diplopie aufzuklären. Der wesentliche Gewinn besteht in der Normalisierung der Physiognomie, bei funktioneller Einäugigkeit in der Korrektur der oft gravierenden Kopfzwangshaltung.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
M. Gräf, D.A. Starosta und A. Hausmann geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Für Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts, über die Patient/-innen zu identifizieren sind, liegt von ihnen und/oder ihren gesetzlichen Vertretern/Vertreterinnen eine schriftliche Einwilligung vor.
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