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Erschienen in: Ethik in der Medizin 1/2016

01.03.2016 | Originalarbeit

Normative Rahmenbedingungen der Rekrutierung und Nutzung extrahierter Zähne in Forschung und Lehre

verfasst von: Univ.-Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Dr. phil. Dominik Groß, PD Dr. phil. Christian Lenk, Dr. med. dent. Brigitte Utzig

Erschienen in: Ethik in der Medizin | Ausgabe 1/2016

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Zusammenfassung

Jeder extrahierte Zahn ist primär Eigentum des betreffenden Patienten und unterliegt dessen autonomiebasiertem Selbstbestimmungsrecht. Diesem weitgehend unstrittigen Sachverhalt steht die praktische Notwendigkeit gegenüber, extrahierte Zähne für Forschung und Lehre bereitzustellen. So ist z. B. die Erprobung neuer Wurzelfüllmaterialien und -techniken ohne den Einsatz extrahierter Zähne ebenso wenig denkbar wie eine zahnbezogene praktische (endodontische, zahnerhaltende oder prothetische) Ausbildung angehender Zahnärzte im Rahmen des universitären Studiums. In jüngster Zeit wurde vermehrt Kritik an der konventionellen Praxis der Rekrutierung und Nutzung extrahierter Zähne geübt. Vor diesem Hintergrund widmet sich der vorliegende Beitrag der Frage nach den ethischen und rechtlichen Voraussetzungen für die Verwendung extrahierter Zähne in Lehre und Forschung. Damit verbunden sind die Fragen nach 1) der Indikationsstellung zur Extraktion, 2) dem Umgang mit Kommerzialisierungsgefahren und äußerem Druck, 3) dem geeigneten Zeitpunkt der Aufklärung, 4) der Reichweite der Aufklärungspflicht und 5) Art und Umfang der Dokumentation. Der Beitrag fußt auf einer ethisch-rechtlichen Analyse der vorgenannten Problemkreise unter Berücksichtigung der einschlägigen rechtlichen Bestimmungen und der verfügbaren Fachliteratur und führt zu dem Ergebnis, dass die Rekrutierung und Nutzung extrahierter Zähne unter bestimmten, klar definierten Rahmenbedingungen ethisch und rechtlich zulässig ist.
Fußnoten
1
Persönliche Mitteilung von Prof. Dr. Michael Hülsmann (Göttingen) und von Prof. Dr. Andreas Schulte (Heidelberg) an Dominik Groß.
 
2
Erwähnenswert scheint in diesem Zusammenhang, dass die Extraktion eines Zahnes von den gesetzlichen Krankenkassen mit 9,39 € (einwurzlig) bzw. 14,09 € (mehrwurzlig) honoriert wird (Die Preise variieren minimal je nach Kasse und nach Bundesland. Hier angegeben: AOK Bayern. Vgl. Info-Tafel auf http://​www.​hippokranet.​com/​de/​forums/​thread/​82/​77210/​755087. Zugegriffen: 22. Nov. 2014). Es liegt auf der Hand, dass dieses Entgelt betriebswirtschaftlich keinen Raum für ein weiteres Aufklärungsgespräch und Formalia lässt. Auch vor diesem Hintergrund stellt sich die Rekrutierung von Zähnen im Rahmen der Extraktionsbehandlung durch niedergelassene Zahnärzte vor allem als ein uneigennütziger, solidarischer Aufwand zugunsten der angehenden Kollegen und der Hochschulmedizin dar.
 
Literatur
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Metadaten
Titel
Normative Rahmenbedingungen der Rekrutierung und Nutzung extrahierter Zähne in Forschung und Lehre
verfasst von
Univ.-Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Dr. phil. Dominik Groß
PD Dr. phil. Christian Lenk
Dr. med. dent. Brigitte Utzig
Publikationsdatum
01.03.2016
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Erschienen in
Ethik in der Medizin / Ausgabe 1/2016
Print ISSN: 0935-7335
Elektronische ISSN: 1437-1618
DOI
https://doi.org/10.1007/s00481-015-0343-y

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