Erschienen in:
25.07.2016 | Lues des zentralen Nervensystems | Historisches
Robert Schumann in der Heil- und Pflegeanstalt Endenich bei Bonn
verfasst von:
Prof. Dr. R. Steinberg
Erschienen in:
Der Nervenarzt
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Ausgabe 11/2017
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Zusammenfassung
Hintergrund
Der Komponist Robert Schumann (1810–1856) verbrachte die letzten zweieinhalb Jahre seines Lebens in der psychiatrischen Privatklinik in Endenich. Die Krankengeschichte war bis 1991 verschollen, 2006 wurde sie von Appel samt peristatischer Brieftexte Schumanns naher Umgebung sehr sorgfältig veröffentlicht. Eine Textanalyse soll die Natur der Erkrankung aufklären helfen.
Ergebnisse
Die psychopathologische Wichtung der Joureinträge der Ärzte und der krankheitsbezogenen Laientexte ergibt, dass Schumann zunächst unter der Diagnose einer „Melancholie mit Wahn“ nach den Methoden der Zeit behandelt wurde, d.h. mit Reizabschirmung, physikalischen Maßnahmen und einem diätetischen Regime. Die befürchtete „allgemeine (unvollständige) Paralyse“ wird im Verlauf der hirnorganisch geprägten paranoid-halluzinatorischen Symptomatik mit häufigen Erregungszuständen, Sprechstörungen und Pupillendivergenzen zur Überzeugung. Die Psychiatrie der Zeit nimmt erstmals eine syphilitische Infektion als verursachend an und prägt den Begriff der „progressiven Paralyse“ als charakteristisch für derartige Verläufe.
Schlussfolgerungen
Nach den ärztlichen Texten ist eine Neurolues sehr wahrscheinlich; beweisbar wird die Treponema-pallidum-Infektion erst 1905. Clara Schumann und der enge Freundeskreis um Brahms und Joachim kümmerten sich intensiv um Schumann und litten wie dieser unter der therapeutisch verordneten Isolation. Die semantische Analyse der Texte widerspricht den Hypothesen einer Abschiebung Robert Schumanns in die Psychiatrie. Sie zeigt die Betroffenheit aller bei dieser infausten Erkrankung.