Erschienen in:
01.11.2014 | Aktuelles aus Diagnostik und Therapie
Achtung der Selbstbestimmung und Anwendung von Zwang bei der Behandlung psychisch erkrankter Menschen
Eine ethische Stellungnahme der DGPPN
verfasst von:
Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie,Psychosomatik und Nervenheilkunde e.V. (DGPPN)
Erschienen in:
Der Nervenarzt
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Ausgabe 11/2014
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Zusammenfassung
Die Beachtung der Selbstbestimmung von Patienten ist eine zentrale ethische Grundlage für ärztliches Handeln. Jeder Mensch hat das Recht, Entscheidungen, die seine Gesundheit betreffen, selbstbestimmt zu treffen – selbst wenn diese Entscheidungen Dritten unvernünftig erscheinen. Die freie und informierte Einwilligung ist die notwendige Voraussetzung für jede diagnostische und therapeutische Maßnahme. Eine Voraussetzung für eine gültige Einwilligung ist das Vorliegen der Selbstbestimmungsfähigkeit des Patienten.
Die Selbstbestimmungsfähigkeit kann bei Erkrankungen in Einzelfällen einschränkt oder aufgehoben sein. Wenn schwer kranke und selbstbestimmungsunfähige Patienten sich erheblich gesundheitlich gefährden, und in dieser Situation medizinische Maßnahmen ablehnen, entsteht ein ethisches Dilemma: Während Nichtbehandlung zu schweren gesundheitlichen Schäden führen kann, können Zwangsmaßnahmen Traumatisierungen und die Beschädigung des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patienten zur Folge haben. Bei Fremdgefährdung spitzt sich das Dilemma weiter zu.
In diesen schwierigen Situationen benötigen Ärzte, Therapeuten und Pfleger eine ethische Orientierung für professionelles Handeln. Dabei ist das oberste Ziel die Vermeidung von Zwang. Zu diesem Zwecke werden Empfehlungen für die Praxis formuliert, mit denen Zwangsmaßnahmen reduziert werden können (z. B. Deeskalationsmaßnahmen, Kommunikationskompetenz, klinische Ethikberatung, Behandlungsvereinbarungen und Patientenverfügungen) bzw. wie diese im Falle der Unvermeidbarkeit ethisch und rechtlich angemessen durchgeführt werden sollen. Fort- und Weiterbildung müssen dieses ethische Ziel verstärkt berücksichtigen. Eine angemessene personelle, räumliche und strukturelle Ausstattung der Kliniken ist daher aus ethischen Gründen unabdingbar.