Erschienen in:
01.07.2012 | Operative Techniken
Beckenteilresektion (innere Hemipelvektomie) und endoprothetischer Ersatz bei hüftgelenksnahen Tumoren
verfasst von:
Prof. Dr. M. Rudert, B.M. Holzapfel, H. Pilge, H. Rechl, R. Gradinger
Erschienen in:
Operative Orthopädie und Traumatologie
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Ausgabe 3/2012
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Zusammenfassung
Operationsziel
Behandlung von Tumoren des Beckenrings durch Resektion eines Teils oder des gesamten Os innominatum unter Erhalt der Extremität (innere Hemipelvektomie). Implantation und stabile Verankerung einer „Custom-made“-Megaprothese zur Wiederherstellung einer schmerzfreien Gelenkfunktion und Belastbarkeit. Möglichst weite Resektion und lokale Tumorkontrolle.
Indikationen
Primäre Knochen- und Weichteilsarkome, aggressiv wachsende benigne oder semimaligne Läsionen und Metastasen (bei Strahlenresistenz und/oder guter Prognose).
Kontraindikationen
Limitierte Lebenserwartung und schlechter Allgemeinzustand, ausgedehnte Metastasierung, persistierender Infekt oder therapieresistente Osteomyelitis, mangelnde Kooperationsbereitschaft, Lokalrezidiv nach extremitätenerhaltender Resektion oder ausgedehnter Befall der neurovaskulären Strukturen bzw. der intra- und extrapelvinen Weichteile.
Operationstechnik
Präoperativ werden die Osteotomieebenen nach aktueller Bildgebung an einem dreidimensionalen 1:1-Beckenmodell festgelegt. Anhand dieses Modells und den computertomographischen Daten des Beckens erfolgt die Herstellung einer „Custom-made“-Prothese und spezieller Schablonen für die Osteotomie. Das vordere (innere, retroperitoneale) und hintere (extrapelvine, retrogluteale) Becken wird über einen modifizierten ilioinguinalen Zugang dargestellt, der nach dorsal erweitert wird. Die externen Iliakalgefäße werden über dem Ramus superior ossis pubis mobilisiert. Die Adduktorengruppe, die Mm. rectus femoris et sartorius werden von ihren Ursprüngen am Becken gelöst und die Vasa obturatoria ligiert. Bei Tumorbefall des Hüftgelenks wird das Femur distal der Linea intertrochanterica osteotomiert, um eine Tumoraussaat zu verhindern. Ein großer myokutaner Lappen mit dem M. gluteus maximus wird von der Crista iliaca abpräpariert und nach dorsal retrahiert. Die pelvitrochantäre Muskelgruppe und die kleinen Glutealmuskeln werden von ihrem Ansatz am Femur gelöst und das Tuber ischiadicum freipräpariert. Mit Hilfe der vorgefertigten Schablonen erfolgt die Osteotomie und der tumorbefallene Beckenanteil wird en bloc entfernt. Die Prothese wird nun am verbleibenden Os ilium oder an der Massa lateralis des Os sakrum verankert. Die abgelöste Muskulatur wird am verbleibenden Knochen oder der Prothese refixiert.
Nachbehandlung
Zeitpunkt der Mobilisation und Belastungsausmaß sind abhängig vom Ausmaß der Muskelresektion und der Kraftentfaltung der verbliebenen Muskulatur. Üblicherweise erfolgt eine Teilbelastung der operierten Gliedmaße mit 10 kg für 6–12 Wochen. Thromboseprophylaxe bis zur Vollbelastung. Physiotherapie und Gangschulung. Regelmäßige Nachuntersuchungen mit Anamnese, körperlicher Untersuchung und radiologischer Befunderhebung. Ausschluss von Lokalrezidiv und Suche nach Metastasen.
Ergebnisse
Zwischen 1994 und 2008 erfolgte bei 38 konsekutiven Patienten eine periazetabuläre Tumorresektion und eine Versorgung mit einer Beckenprothese. Die 5-Jahres-Überlebensrate lag bei 58%, die 10-Jahres-Überlebensrate bei 30%. Bei 52,6% der Patienten waren im Verlauf ein oder mehrere operative Revisionseingriffe nötig. Die Rate an Lokalrezidiven lag bei 15,8%. Tiefe Infektionen (21%) stellten die häufigste Ursache für eine Revision dar, wobei in 2 Fällen (5,3%) eine sekundäre externe Hemipelvektomie durchgeführt werden musste. Bei 4 Patienten (10,5%) war aufgrund einer aseptischen Lockerung ein Implantatwechsel notwendig. Im postoperativen Verlauf litten 6 Patienten (15,8%) unter rezidivierenden Hüftluxationen. Ein Inlaywechsel und eine Versorgung mittels Trevira®-Anbindungsschlauch waren 4-mal zielführend. In 6 Fällen kam es postoperativ zu einer Fußheberparese (15,8%), die bei 2 Patienten im Verlauf rückläufig war. Bei 4 Patienten (10,5%) musste eine postoperative Blutung operativ versorgt werden. Der durchschnittliche MSTS-Score von 12 der insgesamt 18 noch lebenden Patienten lag bei 43,7%. Insbesondere das Gangbild wurde von vielen Patienten als schlecht eingestuft. In vielen Fällen war eine Gehhilfe nötig. Die emotionale Akzeptanz des Operationsverfahrens war jedoch gut.