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06.03.2018 | Kardiologie | Nachrichten

Auf Warnzeichen achten

Kardiale Amyloidosen werden zu häufig übersehen

verfasst von: Veronika Schlimpert

Kardiale Amyloidosen werden häufig übersehen, berichtete ein Experte auf dem Cardio Update 2018 in Berlin. Dabei gibt es eindeutige Warnzeichen – und die sollte man früh erkennen. Neue Scores können dabei helfen.

Kardiale Amyloidosen sind gar nicht so selten, wie viele denken. So findet sich bei jedem dritten über 80-jährigen Mann mit einer Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion (HFpEF) eine sog. Wildtyp ATTR. Bei dieser Amyloidose-Form kommt es im Alter zu vermehrten Ablagerungen des Transthyretin-Proteins (TTR) im Herzen, weshalb sie auch als Alters-Amyloidose bezeichnet wird.

Die typischen Warnzeichen 

Die Erkrankung werde einfach nur häufig übersehen, machte Prof. Carsten Tschöpe von der Universitätsmedizin Berlin auf dem Cardio Update Anfang März in Berlin aufmerksam. Dabei sei es gar nicht schwierig, die Verdachtsdiagnose zu stellen. Daran denken sollte man, wenn Patienten mit HFpEF oder linksventrikulärer Hypertrophie einen niedrigen Blutdruck und orthostatische Probleme haben und auf Betablocker und ACE-Hemmer nicht ansprechen. Häufig leiden die betroffenen Patienten an einem bilateralen Karpaltunnelsyndrom, das  meist chirurgisch behandelt werden muss.

7 Kriterien zur Differentialdiagnose

Auffällig sei, dass der Apex bei Patienten mit kardialer Amyloidose in der Strain-Analyse niemals pathologisch verändert sei, berichtete Tschöpe. Bei Patienten mit linksventrikulärer Hypertrophie ist das der Fall. Warum das so ist, wisse man nicht. Ansonsten sprechen folgende sieben EKG/Echo-Veränderungen für das Vorhandensein einer kardialen Amyloidose:

  • EKG: Sokolow-Index < 12 mV: PR-Intervall > 200 ms.
  • Echo: linksventrikuläre Hypertrophie > 13 m, E/Ea > 10, Strain > - 12%, Summe basaler Strain > -47%.
  • Blutdruck < 130 mmHg.

Die frühe und korrekte Klassifizierung der kardialen Amyloidose ist wichtig, weil diese therapeutische Konsequenzen hat. Unterschieden werden muss zwischen der sog. Leichtketten-Amyloidose (AL) und der ATTR. Die AL entsteht durch eine krankhafte Vermehrung von Knochenmarkszellen z. B. im Rahmen eines Plasmozytoms. Die veränderten Plasmazellen produzieren massenhaft die Leichtkette von Antikörpern, die sich dann zu unlöslichen Fibrillen zusammenlagern. Betroffen sind neben dem Herzen meist noch andere Organe wie Niere, Leber, Darm, Haut und Nervensystem.

Bei der ATTR kommt es genetisch bedingt oder im Alter zur vermehrten Ablagerung des in der Leber gebildeten Transthyretin-Proteins. Bei der Wildtyp ATTR ist in der Regel nur das Herz betroffen, bei der genetisch bedingten Form leiden die Betroffen häufig auch an neurologischen Symptomen.

Ob eine AL oder eine ATTR vorliegt, lässt sich durch eine Knochenszintigrafie einfach feststellen. Das Herz von ATTR-Patienten leuchte auf, selbst wenn noch keine Beschwerden bekannt sind, das von AL-Patienten dagegen nicht, so Tschöpe.

Einfacher Score zur Einschätzung der Prognose

Die Prognose von ATTR-Patienten variiert deutlich, und davon abhängig sollte die Therapiestrategie gewählt werden. Im letzten Jahr wurde ein simpler Score evaluiert, der eine Einschätzung allein auf Basis des NT-proBNP-Wertes und der eGFR  erlaubt:

  • Stadium I: NT-proBNP ≤ 3.000 ng/l und eGFR ≤ 40 ml/min
  • Stadium II: NT-proBNP > 3.000 ng/l und eGFR < 45 ml/min
  • Stadium III: alle anderen Patienten, die nicht ins Stadium I oder II fallen.

Die mittleren Überlebensraten für Patienten in den jeweiligen Stadien lagen in einer Kohortenstudie mit 900 ATTR-Patienten bei 70, 45 und 24 Monaten. Die beste Prognose hatten Patienten mit Wild-Typ ATTR im Stadium I.

Lebertransplantation bei früher Diagnose der ATTR

Für Patienten mit ATTR mit V30 Mutation ist die Lebertransplantation mittlerweile ein etablierte Therapiestrategie. Deshalb sei eine frühe Diagnose auch so wichtig, erläuterte Tschöpe. Die Transplantation steigert die Lebenserwartung um 50%, verbessert aber nicht die Herzfunktion. Für ausgewählte Patienten in der Frühphase der Erkrankung kann auch eine Herztransplantation eine Therapiemöglichkeit darstellen.

Für Patienten mit Wildtyp ATTR gibt es diese Optionen nicht. Als kausale Therapie gegeben werden kann momentan nur hochdosierter Grünen Tee-Extrakt, der den Abbau der Fibrillen fördert.

Kausale medikamentöse Ansätze werden erprobt

Weitere medikamentöse Ansätze zur Behandlung der kardialen ATTR sind in Erprobung. Vielversprechende Daten gibt es etwa zu Tafamides, eine Substanz, die die Fibrillen stabilisiert. Zugelassen ist das Medikament derzeit aber nur für ATTR-Patienten mit Polyneuropathie. Studien legen nahe, dass Tafamides auch die Herzfunktion positiv beeinflusst. Der enge Kontakt zum Neurologen könne den Kardiologen daher eine  Hintertür zu einer Therapieoption eröffnen, betonte Tschöpe.

Für Patienten mit AL stehen als kausale Therapie unterschiedliche Chemotherapien ggf. in Kombination mit einer Stammzelltransplantation zur Verfügung, bei schweren Verläufen kommt meist Bortezomib zum Einsatz.

Auch bei der AL ist eine Herztransplantation in der heutigen Zeit durchaus erfolgsversprechend. Dafür infrage kommen Patienten, die auf die Chemotherapien gut ansprechen und bei denen weitere Organe nicht oder nur kaum betroffen sind (DANGER-Kriterien). 

Als symptomatische Therapie bleibt bei Patienten mit kardialen Amyloidosen nur die Gabe von Schleifendiuretika in Kombination mit Aldosteron-Antagonisten. Aufgrund der Hypotonie wird von ACE-Hemmern und Betablockern abgeraten. Eine Antikoagulation kann aufgrund der hohen Thrombogenität selbst im Sinusrhythmus indiziert sein.

Literatur

Cardio Update 2018, 2./3. März in Berlin

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