19.01.2024 | Geriatrische Onkologie | Palliativmedizin und Supportivtherapie
„Palliative geriatrische Onkologie“? Besonderheiten der Behandlung unheilbar erkrankter und betagter Patient*innen mit Krebs
Erschienen in: Die Onkologie | Ausgabe 2/2024
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Die prognostischen Rahmenbedingungen, die diagnostisch-therapeutischen Optionen und die Auswirkungen der Krebserkrankung auf die Patient*in und das soziale Umfeld werden nicht nur durch molekulare und zellbiologische Parameter, die Tumorentität, das Grading und das Ausbreitungsstadium bestimmt, sondern auch durch das Alter des Patienten, die mit dem Alter verbundenen organischen Veränderungen sowie soziobiografischen Faktoren. Spezifische, oftmals herausfordernde Erkrankungs- und Behandlungssituationen in der Onkologie treten zum Beispiel in der Betreuung junger Patient*innen wie Kinder, Jugendlicher und junger Erwachsener („AYA“) auf, aber besonders auch bei alten Patient*innen – dies insbesondere dann, wenn Tumorerkrankungen bereits fortgeschritten und inkurabel sind und mit komplexen Belastungen einhergehen. Diese in doppelter Weise, durch hohes Alter und Inkurabilität, geprägten, „besonderen“ Behandlungskontexte weisen dann entsprechend komplexe Problemkonstellationen aus gleich mehreren Kontexten auf. Dabei sind die typischen Problemkonstellationen, die aus dem Behandlungskontext des hohen Alters heraus entstehen, nicht deckungsgleich mit den typischen Problemkonstellationen, die aus dem Behandlungskontext einer inkurablen, fortgeschrittenen und hochbelastenden Erkrankungssituation heraus auftreten (vgl. Tab. 1) – dies unabhängig von einem dahinter stehenden Onkologiekontext.
Behandlungskontext
Hohes Alter
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Behandlungskontext
Inkurable, fortgeschrittene Erkrankung
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– Bedürfnisse biologisch alter Patienten, die durch Altersveränderungen, Organinsuffizienzen, Multimorbidität und Beeinträchtigungen in ihrer Fähigkeit zur selbständigen Alltagsbewältigung bereits eingeschränkt oder zumindest bedroht sind
– Alterstypische Frailty und Vulnerabilität im Sinne verminderter Belastbarkeit gegenüber Stressoren, Komplikationen bei Folgeerkrankungen, Gefahr der Chronifizierung, Verlust des Autonomiestatus und des Selbsthilfestatus
– Polypharmazie mit erhöhten Risiken für assoziierte Nebenwirkungen
– Sarkopenie als wichtiger Prognoseparameter
– Teils dauerhafte Pflegebedürftigkeit
– Ethische Fragestellungen des „Weitermachens“
– Zunehmend reduziertes soziales Umfeld
– Häufige neurologisch-internistische Problemkonstellationen
– Tumorerkrankung als Komorbidität (vgl. Charlston Comorbidity Index, 1987)
– Erkrankte als „care provider“ für alte, erkrankte Angehörige
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– Rahmenbedingung von Endlichkeit und absehbarem Lebensende
– Auf die sterbenahe Situation zeitlich eingegrenzte Pflegenotwendigkeit
– Refraktäre physische Symptome und psychosoziale Belastungen
– (Multi‑)Organversagen, aber Grunderkrankung (meist Krebs) führend
– Physische, psychosoziale, existenzielle/spirituelle Dimension des Krankheitserlebens; „total pain“
– Ethische Fragestellungen der Therapiebegrenzung
– Hochbelastete, in den Trauerprozess hineingehende Angehörige
– Je nach Alter wenig verbliebenes soziales Umfeld, aber u. U. auch umfangreiches soziales Umfeld, eventuell mit eigenen minderjährigen/versorgungsbedürftigen Kindern
– Traditionelle onkologische Problemkonstellationen
– Angehörige als weitere explizite therapeutische Zielpersonen
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