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Erschienen in: Gynäkologische Endokrinologie 1/2024

18.12.2023 | Fertilität und Kinderwunsch | Medizin aktuell

Traumatische Lebensereignisse und reproduktive Gesundheit

verfasst von: Dr. M. Goeckenjan, C. Volpe, M. Gabrys

Erschienen in: Gynäkologische Endokrinologie | Ausgabe 1/2024

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Auszug

Ein Übersichtsbeitrag von Hillcoat et al. [1] in der renommierten Zeitschrift Human Reproduction, veröffentlicht im August 2023, beschäftigt sich mit traumatischen Lebensereignissen und deren Auswirkungen auf die reproduktive Gesundheit. Hier werden biologische, psychologische und soziale Aspekte im Zusammenhang mit Traumatisierung und Fertilität beleuchtet. Um traumatische Lebensereignisse und mögliche negative Auswirkungen auf die reproduktive Gesundheit bekannter zu machen, sollen im Folgenden nun die bisherigen Forschungsergebnisse basierend auf dem Beitrag von Hillcoat et al. [1] vorgestellt und ergänzt werden. Ein besonderer Fokus wird dabei auf sexuelle Gewalterfahrungen und Auswirkungen auf die Zyklusgesundheit und Fertilität gelegt. …
Glossar
Trauma
Trauma ist definiert als belastendes Ereignis oder Verletzung bzw. Situation, die von der betreffenden Person nicht bewältigt und verarbeitet werden kann. Es ist oft Resultat von Gewalteinwirkung – sowohl physischer als auch psychischer Natur.
Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
Eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) stellt eine verzögerte psychische Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß dar. Synonym wird auch der Begriff posttraumatisches Belastungssyndrom verwendet. Betroffene erleben Gefühle wie Angst, Schutz- und Hilflosigkeit sowie Kontrollverlust. Typisch für eine PTBS ist das Wiedererleben in Form von Erinnerung in Träumen oder Flashbacks, aber auch emotionale Abstumpfung, Gleichgültigkeit und Teilnahmslosigkeit.
„Traumainformierte Betreuung“ in der Gynäkologie und Geburtshilfe
Die „traumainformierte Betreuung“ in der Gynäkologie und Geburtshilfe wurde vom American College of Obstetricians and Gynecologists (ACOG) 2021 beschrieben und gefordert. Sie wird definiert als die patient:innenstärkende Betreuung, die auf Verständnis und einen sensiblen Umgang mit traumatischen Lebensereignissen abzielt. Aspekte der psychischen, körperlichen und emotionalen Sicherheit sollen während der medizinischen Betreuung berücksichtigt werden und zu einer Stärkung des Bewusstseins und der Entscheidungsfähigkeit der Betroffenen führen.
Prämenstruelles Syndrom (PMS)
Das prämenstruelle Syndrom (PMS) zeigt sich charakteristischerweise mit körperlichen und psychischen Beschwerden in der Lutealphase vor der Menstruation mit Unterbauch‑, Rücken- und Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit, Reizbarkeit, depressiver Verstimmung und Ödemneigung.
Pprämenstruelle dysphorische Störung (PMDS)
Als prämenstruelle dysphorische Störung (PMDS) wird die besonders ausgeprägte Symptomatik bei PMS mit vorrangig psychischen Beschwerden bezeichnet. Psychische Symptome, vor allem mit Depressionen, aber auch bis hin zur Suizidalität, können auftreten. https://​www.​frauenaerzte-im-netz.​de/​erkrankungen/​praemenstruelles​-syndrom-pms/​, letzter Zugriff: 27.09.2023
Sexueller Kindesmissbrauch
Sexueller Kindesmissbrauch wird definiert als sexuelle Handlung, die an Kindern und Jugendlichen gegen ihren Willen vorgenommen wird oder der sie aufgrund körperlicher, seelischer, geistiger oder sprachlicher Unterlegenheit nicht wissentlich zustimmen können. Heute wird zunehmend statt Missbrauch der Begriff sexuelle Gewalt/Gewalterfahrung in der Kindheit und Jugend genutzt. Bei Kindern und Jugendlichen unter 14 Jahren ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sie sexuellen Handlungen nicht zustimmen können. Sexuelle Handlungen sind immer als sexuelle Gewalt zu werten, selbst wenn ein Kind ausdrückt, dass es einverstanden ist, oder ein Täter oder eine Täterin dies so interpretiert.
Häusliche Gewalt
Mit häuslicher Gewalt werden alle Formen psychischer, körperlicher und sexueller Gewalt im innerfamiliären Umfeld bezeichnet. Sie umfasst auch die Partnerschaftsgewalt („intimate partnership violence“ [IPV]) durch aktuelle oder ehemalige Partner:innen. Um eine wissenschaftliche Datenbasis zum Ausmaß der Gewalt im häuslichen Umfeld und in der Partnerschaft zu erheben, wird jährlich ein Lagebild zur häuslichen Gewalt vom Bundeskriminalamt erstellt. Im Jahr 2022 waren etwa 240.000 Personen in Deutschland von häuslicher Gewalt, die zur Anzeige geführt hat, betroffen. Dabei waren etwa 70 % der betroffenen Personen weiblich, jedoch auch etwa 24 % der Tatverdächtigen.
Der im Juli 2023 vorgestellte aktuellste Bundeslagebericht der Polizeilichen Kriminalstatistik zeigt das „Hellfeld“ für Gewalt. Das „Dunkelfeld“ wird in Befragungsstudien beleuchtet. Die erste repräsentative Befragungsstudie zu Gewalterfahrungen von Frauen in Deutschland des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) wurde 2005 veröffentlicht. Hier zeigte sich eine Häufigkeit von Gewalterfahrungen bei Frauen, die mit anderen internationalen Angaben vergleichbar ist: 37 % der Frauen gaben Gewalterfahrungen seit dem 16. Lebensjahr an, 13 % der Frauen sexuelle Gewalterfahrungen, die der strafrechtlich relevanten Form von sexueller Gewalt entsprechen. Etwa 25 % der Frauen haben in aktuellen oder früheren Partnerschaften Gewalt erlebt.
Literatur
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Metadaten
Titel
Traumatische Lebensereignisse und reproduktive Gesundheit
verfasst von
Dr. M. Goeckenjan
C. Volpe
M. Gabrys
Publikationsdatum
18.12.2023
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Gynäkologische Endokrinologie / Ausgabe 1/2024
Print ISSN: 1610-2894
Elektronische ISSN: 1610-2908
DOI
https://doi.org/10.1007/s10304-023-00553-y

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