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Viszeral- und Allgemeinchirurgie
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Publiziert am: 28.01.2022

Analvenenthrombose und Analfissur

Verfasst von: Mia Kim
Die Analvenenthrombose und die Analfissur stellen häufige Krankheitsbilder der Proktologie dar, die durch das Auftreten akuter perianaler Schmerzen gekennzeichnet sind und dadurch eine hohe Erwartung des Patienten an einen raschen Behandlungserfolg zur Folge haben. Die Anamnese und die klinisch-proktologische Untersuchung sind dabei wegweisend für die Diagnose, während atypische Befunde einer erweiterten Abklärung bedürfen. Bei der Analvenenthrombose handelt es sich um perianale Gerinnsel in den subkutan gelegenen Gefäßen des Plexus venosus externus. Supportive Maßnahmen wie Sitzbäder und Stuhlregulation können hier nach zu einer Restitutio ad integrum führen. Bei stärksten Schmerzen kann eine Exzision des Befundes unter Mitnahme der Gerinnsel zu einer raschen Beschwerdelinderung führen. Die Analfissur, eine längliche Läsion des schmerzsensiblen Anoderms, wird durch einen Circulus vitiosus aus hohem Schließmuskeltonus, Minderperfusion und Schmerzen unterhalten. Hier stellt die topische Applikation von Vasodilatatoren (Nitrate, Kalziumkanalblocker) die Erstlinientherapie dar, während operative Maßnahmen wie die Fissurektomie nach Gabriel mit oder ohne lokaler Verschiebeplastik und die laterale Internus-Sphinkterotomie bei refraktärem Verlauf Anwendung finden. Hier steht die Abwägung zwischen Heilung/Rezidivfreiheit bzw. Erhalt der Kontinenzfunktion im Vordergrund, weswegen zugunsten der Kontinenz in Deutschland zumeist die Fissurektomie erfolgt.

Analvenenthrombose

Einleitung

Die Analvenenthrombose stellt ein akut auftretendes intravaskuläres Gerinnsel des Plexus venosus externus dar, das starke Schmerzen und eine Schwellung auslösen kann (Abb. 1) (Brearley und Brearley 1988).
Die Analvenenthrombose ist ein Blutgerinnsel des Plexus venosus externus.
Häufig wird die Analvenenthrombose insbesondere im englischen Sprachgebrauch synonym als „äußere thrombosierte Hämorrhoide“ bezeichnet. Da Hämorrhoiden anders als Analvenenthrombosen von den oberhalb der Linea dentata gelegenen Corpus cavernosus recti ausgehen, ist diese Bezeichnung anatomisch jedoch nicht korrekt (Abb. 1).
Die Analvenenthrombose hat keinen Bezug zu den Hämorrhoidalpolstern.
Ungefähr 5 % der proktologischen Patienten leiden an einer Analvenenthrombose (Rohde und Christ 2004), deren genaue Ätiologie bis dato ungeklärt ist. Möglicherweise stellt die Belastung des Beckenbodens durch Diarrhö, Konstipation, körperlicher Belastung oder starkes Pressen einen prädisponierenden Faktor für das Auftreten einer Analvenenthrombose dar (Jongen et al. 2003).

Diagnostik und Differenzialdiagnosen

Die typischen Beschwerden eine Analvenenthrombose sind ein akuter Schmerzbeginn perianal, eine pralle, abgrenzbare Vorwölbung, welche gelegentlich auch spontan perforiert und dann zu perianalen Blutungen führen kann. In der proktologischen Untersuchung zeigt sich meist eine prall-elastische, livide verfärbte Vorwölbung, welche auf Palpation starke Schmerzen verursacht (Abb. 2). Differenzialdiagnostisch kommen benigne als auch maligne Raumforderungen in Betracht, zu deren weiterer Differenzierung Rektoskopie bzw. Proktoskopie durchgeführt werden können. Auch die Anwendung der analen Endosonografie kann zur Abgrenzung eines Abszesses oder eines infiltrativen Wachstums hilfreich sein (Tab. 1).
Tab. 1
Differenzialdiagnose Analvenenthrombose (awmf online 2002)
Benigne
Abszess
Mariske
Analfibrom
Perianales Hämatom
Maligne

Therapie

Therapieziel ist die rasche Schmerzlinderung bei Vorliegen von akuten Beschwerden, welche meist innerhalb der ersten 72 h nach Symptombeginn am stärksten sind. Da in der Regel keine Komplikationen oder Folgeschäden aus der Analthrombose resultieren und sie meist zu einer Restitutio ad integrum führen, ist allein der Schmerzzustand des Patienten maßgeblich für die Therapieentscheidung. Konservative Maßnahmen und operative Verfahren (Exzision oder Inzision) können hier zu einer Schmerzlinderung beitragen.
Zu der symptomatisch konservativen Therapie zählen topische Lokalanästhetika, systemische Antiphlogistika und eine begleitende lokale Kühlung sowie stuhlregulierende Maßnahmen. Auch die zusätzliche lokale Applikation von Kalziumantagonisten oder Nitro-Präparaten führt durch eine Reduktion des Sphinktertonus zu einer schnelleren Beschwerdefreiheit.
Die operative Therapie der Analvenenthrombose findet in den Fällen Anwendung, in denen die konservative Therapie nicht zur gewünschten Beschwerdereduktion führt. Inzision und Exzision können in Lokalanästhesie durchgeführt werden. Bei der Inzision erfolgen auf dem Scheitelpunkt die Eröffnung der perianalen Haut und die anschließende Expression der Thromben. Damit es nicht zu einer unmittelbaren Verklebung der Inzisionsstelle kommt, bietet es sich an ein Drainage-Dreieck zu exzidieren.
Die Exzision sollte in toto mitsamt des Thrombus erfolgen. Anschließend kann der Bereich offen belassen oder aber subkutan verschlossen werden. Ein regelmäßiges Ausspülen der Wunde postoperativ sollte bis zum Abschluss der sekundären Wundheilung erfolgen.
Häufig führen allein supportive Maßnahmen zu einer Beschwerdelinderung und einer Restitutio ad integrum. Unter einer kombinierten Therapie mit Nifedipin wird nach 14 Tagen bei 92 % der Patienten Beschwerdefreiheit erreicht (Chan und Arthur 2013). Auch wenn Beschwerdefreiheit nach operativer Intervention bereits nach 4 Tagen und damit signifikant früher eintritt als nach konservativen Maßnahmen, so gibt es wiederum 1 Monat nach konservativer Therapie bzw. nach Operation keinen Unterschied mehr hinsichtlich der Symptomatik zwischen den Behandlungsgruppen. Allerdings weist die operative Gruppe mit einer Rezidivrate von 5–7 % nach 1 Jahr ein deutlich besseres Ergebnis auf als die konservativ behandelten Patienten, bei denen in 21–25 % der Fälle ein Rezidiv auftritt. Im Vergleich der operativen Verfahren scheint die Exzision der Inzision in Bezug auf die Beschwerdefreiheit überlegen zu sein (Chan und Arthur 2013).

Analfissur

Einleitung

Die Analfissur, die ebenfalls wie die Analvenenthrombose von starken Schmerzen gekennzeichnet ist, stellt im Gegensatz zu dieser eine Läsion im Bereich des schmerzempfindlichen Anoderms dar (Abb. 1), an der über 10 % der proktologischen Patienten leiden. Das Lebenszeitrisiko für die Ausbildung einer Analfissur beträgt ca. 8 % (Rohde und Christ 2004; Marti et al. 2020).
Die Analfissur ist eine radiär verlaufende Läsion des Anoderms.
Auch hier ist die Ätiologie ungeklärt, wenn auch Patienten mit einer Analfissur häufig einen erhöhten Ruhetonus des Schließmuskelapparats und eine verlängerte Hochdruckzone aufweisen, unabhängig von ihrer Schmerzangabe (Keck et al. 1995). Der erhöhte Sphinktertonus scheint mit einem reduzierten Blutfluss einherzugehen (Schouten et al. 1996) und insbesondere mit einer verminderten Arteriolendichte im Bereich der hinteren Kommissur. Dieser Bereich der 6:00-Uhr-Position in Steinschnittlage (SSL) stellt die typische Prädilektionsstelle der Analfissur dar (Lund et al. 1999). So wird die Analfissur von einem Circulus vitiosus aus einem hypertonen Schließmuskelapparat, einem verminderten Blutfluss mit konsekutiver Ischämie und Schmerzen unterhalten, der wiederum einen erhöhten Sphinktertonus zur Folge hat.
Bei der Analfissur kann eine primäre, typischerweise bei 6:00-Uhr-SSL lokalisierte, von einer sekundären (atypischen) Analfissur an anderer Lokalisation oder multifokal auftretend, unterschieden werden. Diese kann Folge einer Grunderkrankung sein, wie beispielsweise einer entzündlichen (venerisch, Morbus Crohn), immunologischen oder traumatischen Ätiologie, welche dann ggf. einer weiteren Abklärung bedarf (Tab. 2) (Marti et al. 2020).
Tab. 2
Ätiologie der sekundären Analfissur und Differenzialdiagnosen (Marti et al. 2020)
Ätiologie
Beispiele
Entzündlich-bakteriell/-viral/-parasitär
Humanes Immundefizienz-Virus, Cytomegalievirus, Herpes simplex, Chlamydia trachomatis,
Tuberkulose, Syphilis, Gonorrhö
Leishmaniose, Histoplasmose
Chronisch entzündlich
Morbus Crohn
Medikamentös
Ergotamin, Isotretionin, Nicorandil
Traumatisch
Postoperativ, sexuelle Praktiken
Maligne
Analkarzinom, Lymphom, Präkanzerosen
Hauterkrankungen
Ekzem, Rhagaden
Des Weiteren wird die akute Analfissur von der chronischen Form unterschieden. Diese grenzt sich von der akuten Fissur durch den längeren Beschwerdezeitraum von 6–8 Wochen ab mit möglichen weiteren sekundären Verände,rungen wie frei liegenden Fasern des M. sphinkter ani internus, einem indurierten Randwall, einer hypertrophen Analpapille oder einer Vorpostenfalte (Abb. 3).
Die chronische Analfissur kann durch morphologische Merkmale und/oder die Dauer der Beschwerden charakterisiert werden.

Diagnostik und Differenzialdiagnosen

Anamnestisch sind die starken Schmerzen, häufig verstärkt unter Defäkation, typisch bei dem Vorliegen einer Analfissur. Gelegentlich können die Schmerzen auch mit hellroten Blutabgängen bei Aufreißen der Fissur, insbesondere bei Defäkation, begleitet sein. Die Dauer der Beschwerden kann einen Hinweis auf die Differenzierung zwischen akuter und chronischer Form geben. Weiterhin sind die Stuhlgewohnheiten zu erfragen als Ansatz für stuhlregulierende Maßnahmen, sollte eine chronische Konstipation bestehen. Insbesondere bei atypischen Befunden hinsichtlich der Lokalisation, bei Vorliegen von multifokalen Defekten oder ungewöhnlichen (therapierefraktären oder rezidivierenden) Läsionen sollten Risikofaktoren einer sekundären Analfissur und Differenzialdiagnosen evaluiert werden (s. Tab. 2). Zusammen mit der Anamnese kann inspektorisch die Diagnose einer Analfissur bereits gestellt werden. Unter Exposition des Anoderms zeigt sich ein radiär verlaufender Einriss bis hin zu einem Ulkus, zumeist an der typischen Prädilektionsstelle bei 6:00-Uhr-SSL, welche bei Vorliegen einer chronischen Form mit den typischen sekundären Veränderungen mit Randwall, Vorpostenfalte, hypertropher Analpapille und am Grund freiliegendem M. sphinkter ani internus einhergehen kann. Die weitere proktologische Diagnostik mit digital-rektaler Untersuchung, Rektoskopie/Proktoskopie und analer Endosonografie kann schmerzbedingt deutlich erschwert sein und erfordert besonderes Fingerspitzengefühl des Untersuchers. In der Rektoskopie/Proktoskopie kann der Befund verifiziert und weitere Schleimhautauffälligkeiten, wie beispielsweise eine Proktitis oder ein Karzinom, ausgeschlossen werden. Die Durchführung einer analen Endosonografie ist vor allem zum Ausschluss einer intersphinktären Abszedierung oder einer Analfistel empfehlenswert. Insbesondere bei Vorliegen einer chronischen Analfissur kann bei bis zu 24–65 % der Fälle eine intersphinktäre Abszedierung, eine intersphinktäre (53 %) oder eine niedrig-transsphinktäre Fistulierung (12 %) vorliegen (Naldini et al. 2012) und sollte dementsprechend ausgeschlossen werden.
Sollte tatsächlich keinerlei Untersuchung schmerzbedingt möglich sein, so kann eine Einstellung in Narkose durchgeführt werden. Diese sollte jedoch bei primär konservativ zu behandelndem Krankheitsbild als Ultima Ratio angesehen werden.
Liegen klinisch und anamnestisch Hinweise für eine atypische Analfissur vor, so bedarf es einer erweiterten diagnostischen Abklärung in Abhängigkeit der Befunde mittels serologischen oder mikrobiologischen Zusatzuntersuchungen, einer Koloskopie bei dem Verdacht einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung oder von Biopsieentnahmen (Marti et al. 2020).
Bei Vorliegen einer atypischen Analfissur müssen sekundäre Formen und Differenzialdiagnosen bedacht werden.

Therapie

Das Therapieziel ist die Symptomfreiheit des Patienten mit Abheilung der Fissur und Rezidivfreiheit unter Berücksichtigung einer uneingeschränkten Kontinenzfunktion. Dazu stehen konservativ topische Applikationen (Kalziumkanalblocker, Nitrate) als auch interventionelle (Botolinumtoxininjektion) und operative Verfahren (laterale Sphinkterotomie, Fissurektomie, Verschiebeplastiken) zur Verfügung. Aufgrund der möglichen Kontinenzeinschränkung nach operativen Prozeduren stellen konservative Maßnahmen die Erstlinientherapie in der Behandlung der Analfissur dar.
Die Erstlinientherapie der Analfissur ist konservativ.

Medikamentöse Therapie und Botulinumtoxininjektion

Für die akute Analfissur wird eine Spontanheilungsrate von bis zu 85 % unter supportiven Maßnahmen wie Stuhlregulation und Sitzbädern beschrieben. Die topische Anwendung von Vasodilatatoren kann die Heilungsrate bei Vorliegen einer akuten Analfissur auf 90 % erhöhen. Topische Vasodilatatoren führen über die Blockade von Kalziumkanälen (Diltiazem, Nifedipin) oder über die Freisetzung von Stickstoffmonoxid (Glyceroltrinitrat, GTN, Isosorbiddinitrat, ISDN) zu einer Reduktion des Sphinktertonus und damit zu einer Abheilung der Analfissur. Dabei wird eine Anwendungsdauer von 4–6 Wochen empfohlen. Vasodilatatoren zeigen dabei einen deutlichen Vorteil gegenüber einer topischen Anwendung von Lokalanästhetika oder von Steroiden.
Bei der chronischen Analfissur ist die Heilungsrate nach 8 Wochen für die konservative Therapie niedriger als nach Botulinumtoxininjektion oder operativer Therapie und liegt bei 63 % für Nitrate und bei 52 % für Diltiazem. Die Rezidivrate ist jedoch niedriger als nach Botulinumtoxininjektion und liegt für die Nitrate bei 11 %. Als mögliche Nebenwirkung der Vasodilatatoren sind Kopfschmerzen zu beachten, die im Falle der Nitrate bei bis zu 16 % und von Diltiazem bei 4,5 % der Patienten auftreten und bei 10 % der Patienten unter Nitraten zu einem Abbruch der Therapie führen können (Boland et al. 2020).
Auch wenn die Erfolgsrate bei der konservativen Behandlung der chronischen Analfissur niedrig und die Symptomfreiheit ebenso wie die Rezidivrate nach operativen Maßnahmen deutlich besser ist, steht aufgrund der Invasivität und einer möglichen postoperativen Einschränkung der Kontinenzfunktion die konservative Therapie auch bei chronischer Analfissur an erster Stelle.
Bei chronischer Analfissur ist die Erfolgsrate der konservativen Therapie mit 52–63 % niedrig.
Die im angelsächsischen Raum verbreitete Botulinumtoxininjektion findet in Deutschland aufgrund fehlender Zulassung für die Therapie der Analfissur und der hohen Kosten wenig Anwendung. Die Applikationsformen variieren stark in den beschriebenen Studien hinsichtlich Art des Präparats, Dosierung und Injektionslokalisierung. Zumeist werden 20–40 Einheiten unter digitaler Kontrolle in den M. sphincter ani internus an mehreren Lokalisationen injiziert. Über eine Blockade der Freisetzung von Acetylcholin kommt es dann zu einer Reduktion des Schließmuskeltonus, deren Wirkung ca. 3 Monate anhält.
Die Heilungsrate nach 8 Wochen liegt bei 66 % und ist damit höher als nach konservativer Therapie. Allerdings ist die Rezidivrate im Vergleich zu operativer und konservativer Therapie die höchste mit 41 %. Als Komplikation kann die Injektion bei 6 % der Patienten zu einem Hämatom und bei 14 % der Patienten zu einer transienten Inkontinenz führen (Boland et al. 2020).
Die Botulinumtoxininjektion ist mit einer hohen Rezidivrate von 41 % assoziiert.

Operative Therapie

Bei konservativ refraktärem Verlauf stehen als operative Verfahren die Fissurektomie nach Gabriel, die mit einer Verschiebelappenplastik kombiniert werden kann, und die laterale Internus-Sphinkterotomie (LIS) zur Auswahl. Die anale manuelle Dilatation ist aufgrund der hohen Inkontinenzrate von 18 % obsolet (Ebinger et al. 2017).
Die Fissurektomie nach Gabriel stellt in Deutschland die operative Standardtherapie dar, die von der deutschen S3-Leitlinie empfohlen wird. Dabei wird die Fissur unter Schonung des M. sphincter ani internus und unter Mitnahme einer Vorpostenfalte oder einer hypertrophen Analpapille in einer Dreiecksform mit der Basis nach außen exzidiert. Sich aufspannende subkutane Fasern des M. sphincter ani externus, die einen Drainageabfluss behindern könnten, werden durchtrennt (Gabriel 1939).
Die Fissurektomie kann mit unterschiedlichen weiteren Methoden kombiniert werden, wie zum Beispiel einer Botulinumtoxininfiltration oder einer Verschiebeplastik. Die Verschiebeplastiken, von der es zahlreiche Varianten gibt, können entweder von perianal nach innen oder von endoluminal nach außen verschoben werden, wie z. B. der Haus-, Diamanten- oder der endorektale Advancement-Flap.
In Deutschland stellt die Fissurektomie nach Gabriel die Standartmethode dar.
Die LIS stellt im angelsächsischen Raum die Standardtherapie dar, die offen oder geschlossen erfolgen kann. Dabei scheinen beide hinsichtlich ihrer Ergebnisse ebenbürtig zu sind (Nelson et al. 2017). Zur Vermeidung einer Schlüssellochdeformität (Eisenhammer-Operation) wird der Intersphinktärraum nicht in der hinteren Kommissur, sondern distant von der Fissur entweder rechts oder links lateral bei 3:00 Uhr bzw. 9:00 Uhr in SSL aufgesucht. Nach Eröffnen der perianalen Haut über dem Intersphinktärraum, wird das Anoderm vom M. sphincter ani internus gelöst und anschließend der Intersphinktärraum nach oral bis zur Linea dentata mobilisiert. Nach Darstellung des M. sphincter ani internus wird dieser nach oral bis zur Begrenzung der Fissur statt bis zur Linea dentata durchtrennt („tailored LIS“). Die perianale Inzision kann anschließend mit Nähten verschlossen werden.
Bei der geschlossenen Variante wird ein spitzes Skalpell in den Intersphinktärraum eingeführt und unter digital-rektaler Kontrolle blind bis zur oralen Begrenzung der Analfissur vorgeschoben. Dann wird das Skalpell Richtung M. sphincter ani internus gedreht und der M. sphincter ani internus unter Schonung des Anoderms von lateral nach medial durchtrennt. Ebenso kann der M. sphincter ani internus nach Vorschub des Skalpells unter dem Anoderm umgekehrt von medial nach lateral durchtrennt werden.
Anschließend erfolgt sowohl bei der offenen als auch bei der geschlossenen Variante die Fissurektomie unter Entfernung des Randwalls, der Vorpostenfalte und einer hypertrophen Analpapille, wenn vorhanden.
Offene und geschlossene LIS sind hinsichtlich ihrer Ergebnisse ebenbürtig.
Eine unmittelbar präoperative Analgesie vor operativer Intervention als sogenannter Pudendusblock ist zur Reduktion postoperativer Schmerzen für die ersten 48 h nach der Operation sinnvoll.
Postoperative Komplikationen stellen neben der Stuhlinkontinenz und dem Rezidiv, Wundheilungsstörungen, Abszesse, Fistulierung, Blutung und perianale Schmerzen dar.
Als postoperative Maßnahmen sollte neben dem regelmäßigen Ausspülen der Wunde eine dauerhafte Stuhlregulation bei chronischer Konstipation im Sinne einer Rezidivprophylaxe empfohlen werden. Außerdem kann begleitend postoperativ eine topische Anwendung von Vasodilatatoren verwendet werden (Marti et al. 2020).
Die Heilungsrate ist nach LIS mit 93 % am höchsten, gefolgt von der Fissurektomie ± Verschiebeplastik mit 80 %, der Botulinumtoxininfiltration von 63 % und der konservativen Therapie mit 59 %. Jedoch weist die LIS auch mit 9 % die höchste Rate an postoperativer Inkontinenz auf, im Vergleich zur Fissurektomie ± Verschiebeplastik (5 %), der Botulinumtoxininfiltration (4 %) und der konservativen Therapie (3 %) (Ebinger et al. 2017). Während die Heilungsrate nach Botulinumtoxininfiltration nicht viel höher ist als nach konservativer Therapie, ist die Rezidivrate mit 42 % in dieser Gruppe am höchsten, verglichen mit 7 % nach LIS und 11 % bei Nitraten (Boland et al. 2020).

Fazit

Konservative Maßnahmen mittels Applikation von Vasodilatatoren stellen die Erstlinientherapie der akuten und chronischen Analfissur dar. Auch wenn Nitrate nach neuesten Daten eine höhere Wirksamkeit aufweisen als Kalziumkanalblocker, so ist die Rate an Nebenwirkungen (Kopfschmerzen) und die Abbruchrate bei Anwendung von Nitraten höher. Hinsichtlich der Behandlung der chronischen Analfissur weist zwar die LIS die besten Ergebnisse in Bezug auf Heilungs- und Rezidivrate auf, sie ist jedoch auch von der höchsten Inkontinenzrate postoperativ gekennzeichnet. Aufgrund dessen stellt in Deutschland die Fissurektomie nach Gabriel mit oder ohne Verschiebeplastik den operativen Goldstandard dar, die zwar eine niedrigere Heilungs- und höhere Rezidivrate aufweist als die LIS, dafür allerdings auch durch eine geringere Inkontinenzwahrscheinlichkeit charakterisiert ist. Der Botulinumtoxininfiltration zur Therapie der Analfissur fehlt in Deutschland die Zulassung. Unabhängig davon zeigen Studien eine zwar leicht höhere Heilungsrate nach Botulinumtoxininjektion als nach rein konservativer Therapie, die Rezidivrate ist mit 42 % jedoch sehr hoch.
Literatur
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