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Thoraxchirurgie
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Publiziert am: 17.03.2022

Postoperativer Einsatz der ECMO in der Thoraxchirurgie

Verfasst von: Christian Karagiannidis und Stephan Straßmann
Moderne ECMO-Systeme sind grundsätzlich aus einer Pumpe, einem Oxygenator mit Frischgaszufuhr (Sweepgas) sowie einem zum System zu- und einem wegführenden Blutschlauchsystem aufgebaut (Abb. 1). Der Blutfluss über das System, der Frischgasfluss über den Oxygenator sowie die Größe und der Aufbau des Oxygenators bestimmen die Gasaustauschleistung des Systems. Die in modernen Systemen eingesetzten Pumpen sind heutzutage aufgrund ihres geringeren Bluttraumas häufig Rotationsblutpumpen, meist Zentrifugalpumpen und nicht wie in den Anfängen der ECMO-Therapie oder im operativen herzchirurgischen Bereich Rollerpumpen. Mit Rotations- oder Zentrifugalblutpumpen kann der Blutfluss stabil und relativ atraumatisch bis zu einer Leistung von etwa 6 l/min gehalten werden.
Das Kapitel fasst die wesentlichen technischen Grundlagen der Anwendung der extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO), mögliche klinische Indikationen und die Vermeidung von Komplikationen in der Thoraxchirurgie zusammen.

Grundlagen der Technik des Organersatzes

Moderne ECMO-Systeme sind grundsätzlich aus einer Pumpe, einem Oxygenator mit Frischgaszufuhr (Sweepgas) sowie einem zum System zu- und einem wegführenden Blutschlauchsystem aufgebaut (Abb. 1). Der Blutfluss über das System, der Frischgasfluss über den Oxygenator sowie die Größe und der Aufbau des Oxygenators bestimmen die Gasaustauschleistung des Systems. Die in modernen Systemen eingesetzten Pumpen sind heutzutage aufgrund ihres geringeren Bluttraumas häufig Rotationsblutpumpen, meist Zentrifugalpumpen und nicht wie in den Anfängen der ECMO-Therapie oder im operativen herzchirurgischen Bereich Rollerpumpen. Mit Rotations- oder Zentrifugalblutpumpen kann der Blutfluss stabil und relativ atraumatisch bis zu einer Leistung von etwa 6 l/min gehalten werden. Neben der Weiterentwicklung der Blutpumpen war es vor allem die technische Evolution der Oxygenatoren, die einen breiteren Einsatz dieser Therapieform erlaubt haben. Das nach einigen Stunden auftretende Plasmaleck der früher großflächig eingesetzten Polypropylen-Oxygenatoren kommt mit modernen Polymethylpentenmembranen nicht mehr vor. Durch eine zusätzliche Beschichtung mit Heparin, Albumin oder Phosphatidylcholin hat die Thrombosierungsneigung, die alle extrakorporalen Systeme aufweisen, weiter abgenommen, sodass auch Einsätze von 28 Tagen und mehr keine Seltenheit mehr sind.
Neben der Pumpenart kann zwischen verschiedenen Oxygenatoren und Kanülen gewählt werden. Die Oxygenatoren unterscheiden sich nach Bauart und Membrangröße, die Kanülen variieren in Form, Länge und Durchmesser sowie der Insertionsstelle. Für den Lungenersatz werden sehr häufig veno-venöse Systeme (VV-Systeme) eingesetzt, die in Abhängigkeit vom Blutfluss eine Oxygenierung und/oder Decarboxylierung erlauben. Die Höhe des Frischgas-Flusses hat bei Verwendung von reinem Sauerstoff nur begrenzten Einfluss auf die Oxygenierungsleistung, wohl aber wesentlich auf die CO2-Elimination. Zum Monitoring der Oxygenierungsleistung unter dem entsprechenden Blutfluss empfiehlt sich die regelmäßige Durchführung von Blutgasanalysen aus dem System hinter dem Oxygenator. Als Faustformel kann im Notfall der Sweepgasfluss mindestens so hoch gewählt werden wie der Blutfluss, auch wenn dies eine unzureichende Näherung darstellt, die vor allem vom Design des Oxygenators abhängt.
Insgesamt hängt die Oxygenierung des Patienten im Rahmen einer VV-ECMO unter optimalen Bedingungen fast linear vom Blutfluss ab (Lehle et al. 2014). In der Regel sind mindestens 3 l/min Blutfluss für eine signifikante Verbesserung des PaO2 notwendig, häufig aber 4–5 l/min. Dies ist abhängig vom Sauerstoffverbrauch, dem Herzzeitvolumen des Patienten und der Rezirkulation des ECMO-Kreislaufes. Die Konfiguration (Lokalisation, Größe und Form) der gewählten Kanülen sollte darauf abzielen, die systembedingte Rezirkulation zu minimieren und dementsprechend das Blut möglichst fern der drainierenden Kanüle und nahe des rechten Vorhofes zurück zu führen (Abb. 2).
Beispiel
Femoro-femorale vs. femoro-juguläre Kanülierung
Eine femoro-femorale Kanülierung über beide Venen führt bei höheren Blutflüssen trotz unterschiedlicher Insertionstiefe der Kanülen in der Regel zu mehr Rezirkulation als eine femoro-juguläre Kanülenkonfiguration. Deshalb kann der Patient unter Umständen trotz 6 l/min Blutfluss über eine femoro-femorale Konfiguration schlechter oxygeniert sein als über eine femoro-jugläre Konfiguration mit 4–5 l/min Blutfluss.
Die CO2-Elimination ist auf Grund der etwa 40-mal besseren Diffusionskapazität für CO2 im Vergleich zu O2 sowohl vom Blutfluss als auch vom Frischgasfluss abhängig. Als Richtwert können 500 ml Blutfluss etwa 20–25 % der gesamten CO2-Produktion eines Intensivpatienten extrakorporal eliminieren, 1000 ml etwa 50 % (Karagiannidis et al. 2014, 2017, 2019a; Strassmann et al. 2019). Ab einem Blutfluss von etwa 750 ml/min steigt die CO2-Elimination mit höherem Frischgasfluss (>6 l/min) im Vergleich zu niedrigerem Frischgasfluss signifikant an. Die CO2-Eliminationskurve verläuft in höheren Flussbereichen schneller asymptotisch, sodass nur bei sehr hohen Flussraten 80–90 % des gesamten CO2 extrakorporal eliminiert werden können (Lehle et al. 2014).
Einige Hersteller bieten spezielle extrakorporale CO2-Removal(ECCO2R)-Systeme an, die als Hauptziel die extrakorporale Decarboxylierung des Patienten haben. Je nach Hersteller werden Roller- oder Zentrifugalpumpen und Flussbereiche von 300 ml/min bis ca. 1,5–2 l/min verwendet (sog. Low-Flow-VV-ECMO/ECCO2R). Zurzeit sind auch noch pumpenlose Systeme (pECLA) mit dem alleinigen Ziel der CO2-Elimination verfügbar, welche jedoch durch die arterio-venöse Kanülierung mit mehr kanülierungsbedingten Komplikationen verbunden sind (kritische Beinischämie, schwere Herzinsuffizienz möglich). Zudem sind diese Systeme abhängig von einem ausreichendem Herzzeitvolumen des Patienten und weisen nur eine bedingte Steuerbarkeit über den Frischgasfluss auf. Der Blutfluss ist nach Beginn der Therapie (und Auswahl der Kanülen) nicht mehr beeinflussbar (Muller et al. 2009). Die Autoren setzen diese Systeme daher nur noch im Einzelfall ein. Der einzig relevante Vorteil bei gravierenden Nachteilen stellt die fehlende Blutpumpe dar, wodurch es zu einer deutlichen Reduktion der Thrombozytenschädigung im Vergleich zu konventionellen Rotationsblutpumpen kommt.

Indikationen

Das ARDS ist weltweit die führende Indikation für den Einsatz der VV-ECMO. Je nach Studienpopulation werden etwa 70–80 % aller ARDS-Fälle durch eine Pneumonie ausgelöst. Im postoperativen thoraxchirurgischen Verlauf kann neben der Pneumonie aber auch die akute nichtinfektiöse weiße Lunge der Gegenseite auftreten, typischerweise am 3. bis 5. postoperativen Tag. Führendes Symptom ist in beiden Fällen häufig die Hypoxämie, in diesem speziellen Patientengut aber auch mitunter kombiniert mit einer Hyperkapnie. Für beide Störungen des Gasaustausches haben sich zunehmend gesicherte Indikationen für den Einsatz der VV-ECMO etabliert. Abb. 3 beschreibt eine Synopsis der potenziell benifitiellen Mechanismen der VV-ECMO.
Die Evidenz zum Einsatz der VV-ECMO bei Hypoxämie hat sich im Jahr 2018 mit der bisher größten randomisierten Studie (EOLIA) erheblich verbessert (Combes et al. 2018; Brodie et al. 2019). Bis dato gründete der Einsatz auf Registerdaten und dem CESAR-Trial, der einige methodische Schwächen aufwies (Peek et al. 2009). Leider ist die Interpretation von EOLIA, der neuesten randomisierten Studie in diesem Bereich, insbesondere durch die Möglichkeit des Cross-overs in die ECMO-Gruppe und die eingeschränkte Fallzahl aus streng wissenschaftlich-statistischer Sicht erheblich erschwert. Eingeschlossen in die Studie wurden insgesamt 249 ARDS-Patienten 34 Stunden nach Intubation (!), wenn die P/F-Ratio innerhalb von 3 Stunden nach Auftreten des ARDS bei unter 50 mmHg oder nach 6 Stunden bei unter 80 mmHg lag oder der pH-Wert durch eine protektive (6 ml/kg IBW, Pplat <32 mbar) Beatmung nicht über 7,25, respektive das PaCO2 nicht unter 60 mmHg gehalten werden konnte. Zudem mussten alle konventionellen Therapiemaßnahmen inklusive Bauchlage, inhalatives NO und Muskelrelaxation zuvor ausgenutzt worden sein. Diese Maßnahmen gelten auch für die Therapie des postoperativen ARDS, sofern der operative Eingriff eine Bauchlage zulässt (Fichtner et al. 2018). Auf Grund der sehr optimistischen Schätzung der Mortalitätsreduktion durch ECMO und der daraus resultierenden Fallzahlkalkulation, verfehlte die EOLIA-Studie die statistische Signifikanz. Man ging durch den Einsatz der ECMO von einer noch höheren Mortalitätsreduktion aus als in der ARDS-Network-Studie im Jahre 2000, die die lungenprotektive Beatmung mit 6 ml/kg Idealkörpergewicht zum Evidenz-basierten Standard of Care erhob. Trotz allem plädieren die Autoren für den Einsatz der VV-ECMO nach oben genannten Kriterien und halten die Evidenz für ausreichend.
Weiterhin erhärtet sich zunehmend die Datenlage, frühzeitiger mit der VV-ECMO zu beginnen und nicht die konservative Therapie bis Erreichen einer Rescue-Situation auszureizen. Aus pathophysiologischer Sicht konnte die Beatmung im Rahmen von EOLIA mit ECMO erheblich protektiver gestaltet werden, was sich in der deutlichen Reduktion des Tidalvolumens von durchschnittlich etwa 400 ml auf unter 250 ml, der Reduktion des Minutenvolumens auf etwa 1/3 des Ausgangswertes sowie Reduktion des Spitzendruckes und des Driving Pressure ausdrückt. Dies sollte im postoperativen thoraxchirurgischen Setting besondere Beachtung finden, da nach Lungenresektionen weniger Gasaustauschfläche respektive Lungenvolumen zur Verfügung steht und dementsprechend das Tidalvolumen noch weiter reduziert werden sollte als die üblicherweise angestrebten 6 ml/kg IBW. Insbesondere im postoperativen Setting muss die Beatmung ultraprotektiv gestaltet werden und möglichst unter VV-ECMO bei 3 ml/kg Idealkörpergewicht liegen, auch wenn randomisierte Studien hierzu fehlen.
In der Risikobetrachtung fanden sich in der ECMO-Gruppe nur drei schwere Blutungsfälle (unter 124 ECMO-Patienten) bei einem statistisch nichtsignifikanten Abfall der Thrombozytenzahl im Vergleich zur konventionell beatmeten Gruppe. Bei postoperativen Patienten wird das Blutungsrisiko sicherlich höher liegen, jedoch erscheint dieses Risiko in erfahrenen Zentren kontrollierbar und ein operativer Eingriff stellt nicht eine Kontraindikation für die ECMO per se dar.
Für den Klinikalltag bedeuten die Ergebnisse im internationalen Konsens, dass VV-ECMO die Mortalität bei schwerem ARDS reduzieren und zumindest in großen Zentren sicher eingesetzt werden kann, aber natürlich kein Allheilmittel ist.
Bei der Betrachtung postoperativer thoraxchirurgischer Patienten ist die mögliche Erhöhung des pulmonal-arteriellen Drucks und damit eine erhöhte Rechtsherzbelastung ein weiterer wichtiger Punkt. Insbesondere eine Hyperkapnie, aber auch die Resektion von Lungengewebe kann zu einer Vasokonstriktion der Lungengefäße und damit zu einem isolierten Rechtsherzversagen führen. Es gibt nur sehr wenige Daten zur Behandlung der schweren Rechtsherzinsuffizienz mit ECMO, zumindest sind jedoch einige Konfigurationen denkbar, die auf die Entlastung des rechten Ventrikels abzielen. Oftmals führt eine konventionelle VV-ECMO durch die pH-Äquilibrierung und Senkung des PaCO2 zu einer manchmal eindrücklichen Besserung der Rechtsherzinsuffizienz durch Senkung des pulmonalarteriellen Mitteldruckes (Karagiannidis et al. 2015).
Sollte dies nicht ausreichend sein, besteht grundsätzlich die Möglichkeit einer veno-arteriellen ECMO (VA-ECMO), jedoch mit dem Nachteil der Nachlasterhöhung des linken Ventrikels, bei typischerweise retrograder Perfusion über die Arteria femoralis. Aus der Erfahrung der Autoren kann im Einzelfall hierdurch bedingt eine Linksherzinsuffizienz entstehen, die der Therapie in der Regel nicht zuträglich ist. Die elegantere, aber technisch deutlich aufwendigere Methode stellt der Bypass des rechten Ventrikels dar. Dies setzt eine perkutane oder zentrale Kanülierung voraus und entnimmt das Blut in der Regel im oder vor dem rechten Vorhof und gibt es in die Pulmonalarterie zurück. Damit ist der Fluss über die ECMO auch direkt gleichzusetzen mit der rechtsventrikulären Herzunterstützung bei anterograder Perfusion. Ein breitflächiger Einsatz ist bisher kaum möglich, da perkutan wie offen chirurgisch die Implantation der Kanüle doch mit erheblichen Risiken verbunden und technisch sehr anspruchsvoll ist. Daten zur isolierten Rechtsherzunterstützung durch intraventrikuläre Pumpen (z. B. Impella) liegen aktuell, wenn überhaupt nur unzureichend vor.
Eine Sonderrolle in der Thoraxchirurgie spielt das primär hyperkapnische Lungenversagen bei Patienten mit COPD. Hier besteht aktuell kaum Evidenz für den Einsatz der VV-ECMO oder ECCO2R. Die pathophysiologischen Daten hingegen deuten durchaus daraufhin, dass die primäre CO2-Elimination eine sinnvolle Therapiealternative zur Senkung des PaCO2 und insbesondere Vermeidung der invasiven Beatmung spielt (Fuehner et al. 2012; Karagiannidis et al. 2019b).
Häufig werden für die primäre Decarboxylierung High-Flow-ECMO-Systeme mit niedrigerem Blutfluss eingesetzt. Diese Anwendungsform ist jedoch nicht als weniger invasiv einzuschätzen. Aufgrund der aktuell nicht für den Low-Flow-Bereich (0,5–2 l/min) etablierten Pumpentechnologie sind die Scherkräfte auf Thrombozyten und damit das Bluttrauma durch die Pumpe ungleich höher als bei High-Flow-Einsätzen (Gross-Hardt et al. 2019). Unter anderem können hierdurch gravierende Blutungskomplikationen entstehen, insbesondere im perioperativen Bereich.
Auf den Einsatz der ECMO im Rahmen der Lungentransplantation wird in dem entsprechenden Kapitel eingegangen (Kap. „Lungentransplantation“).

Komplikationen und deren Vermeidung

Insbesondere im postoperativen thoraxchirurgischen Bereich spielt die Vermeidung von Blutungskomplikationen der ECMO eine herausragende Rolle. Typische ECMO-assoziierte Komplikationen entstehen durch die Kanülierung selbst, durch Clotting und konsekutiven Ausfall des Systems und vor allem durch Blutungskomplikationen.
Kanülen-assoziierte Komplikationen können in Zentren mit entsprechender Anwendungshäufigkeit auf ein Minimum reduziert werden. Weltweit ist die perkutane, sonografisch gesteuerte Anlage der Kanülen mittlerweile Standard of Care geworden. Das höchste Implantationsrisiko besteht bei jugulären Doppellumenkanülen (z. B Avalon®-Kanüle): Hier sind schwere Komplikationen durch Perforationen des rechten Vorhofs oder Ventrikels beschrieben worden. Deshalb sollten diese Kanülen nach Ansicht der Autoren zwingend unter Bildgebung mittels TEE oder Durchleuchtung angelegt werden. Nach großen Tumorresektionen mit Gefäßresektion muss gegebenenfalls über alternative Kanülierungsstrategien nachgedacht werden, wie z. B. ein femoro-femoraler statt eines femoro-jugulären Ansatzes (Abb. 2). Eine Besonderheit stellt die jugulo-femorale Kanülierung dar, bei der die dränierende Kanüle jugulär eingeführt wird und die rückführende femoral. Der Vorteil liegt in einer höheren Laufruhe des Systems bei Spontanatmung aufgrund der intrathorakalen Lage der dränierenden Kanüle, jedoch kann es aufgrund höherer Rezirkulation zu geringeren Oxygenierungsleistungen kommen.
Die Hauptkomplikationen des postoperativen Einsatzes der VV-ECMO sind aus der Erfahrung der Autoren vor allem Blutungen und Clotting der Systeme. Postoperativ besteht eine deutlich höhere Blutungsneigung als beim Einsatz der VV-ECMO ohne vorangegangene Operation, sowohl bei sog. chirurgischen Blutungen als auch bei diffusen Blutungen. Hier ist ein engmaschiges und sehr aufmerksames postoperatives Management unabdingbar, die Standard-Gerinnungstests wie INR, PTT, ACT und Thrombozytenzahl sind zudem leider nicht immer wegweisend in der Optimierung der Gerinnungstherapie. Das grundsätzliche Problem der ECMO Therapie ist:
a.
die Neigung der Systeme zum Clotting und damit assoziiert der Verlust von Gerinnungsfaktoren (labortechnisch messbar) und
 
b.
die Einschränkung der Gerinnung vornehmlich durch die Entwicklung eines „aquired Von-Willebrand-Syndroms“ (aVWS) (durch Standard-Gerinnungstest nicht messbar),
 
c.
das mechanische Trauma der Blutzellen, insbesondere der Thrombozyten, durch die Blutpumpe.
 
Bezüglich des Clottings binden Gerinnungsbestandteile auf den Fremdoberflächen der ECMO und perpetuieren damit den Kreislauf aus Clotting, Verlust von Gerinnungsfaktoren und Blutung. Trotz der Beschichtungen der Systeme lässt sich dies nicht vermeiden, aber zumindest deutlich reduzieren. Die Autoren raten aus langjähriger Erfahrung davon ab unbeschichtete Systeme zu verwenden. Neben Heparin werden Systeme mit einer Albuminbeschichtung oder Phosphatidylcholin angeboten. Darüber hinaus ist eine Heparinisierung der Patienten oder alternativ der Einsatz von Argatroban bei einem HIT Typ II anzustreben. Grundsätzlich gilt, dass Systeme mit einem hohen Blutfluss weniger Antikoagulation benötigen als Systeme in niedrigen Flussbereichen, da diese durch die niedrigeren Flussraten zu mehr Clotting neigen. Oftmals ist im High-Flow-Bereich (3–5 l/min) eine PTT von der 1,2- bis 1,5-fachen Norm ausreichend, während bei Flüssen um 1 l/min, wie sie typisch für CO2-Elimination sind, eine PTT von der 1,5- bis 1,8-fachen Norm häufig notwendig wird. Es sei bemerkt, dass der Anti-Xa-Spiegel noch besser mit der Blutungsneigung der Patienten korreliert verglichen mit der aPTT, im Klinikalltag in der Regel aber nicht so gut verfügbar ist.
Eine Therapie des aVWS unter laufender ECMO-Therapie ist bisher nicht etabliert. Die kausale Therapie würde eine Beendigung der ECMO-Therapie bedeuten, hier ist bei Blutungskomplikationen eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Evaluation notwendig. Mögliche Therapieansätze bestehen je nach Situation in der Gabe von Desmopressin zur erhöhten Ausschüttung des VWF, die Gabe von FFPs bei schweren Blutungen bis hin zur selektiven Substitution von humanem Faktor VIII mit VWF im seltenen Einzelfall.
Ein Abfall der Thrombozyten zum Teil auf 50 % des Ausgangsniveaus ist unter ECMO-Therapie häufig zu beobachten. Mehr noch als die Absolutzahl ist die Funktionseinschränkung der Thrombozyten plus einem erworbenen Von-Willebrand-Syndrom häufige Ursache von Blutungen. Die Autoren empfehlen bei starken Thrombozytenabfällen und einem negativen HIT-Typ-II-Test (HIPA-Test!) einen Wechsel des Systems im Falle von Blutungskomplikationen. Häufig ist danach ein Wiederanstieg der Thrombozyten zu beobachten, allerdings in der Regel nicht auf das Ausgangsniveau. Eine Substitution von Thrombozyten wird kontrovers diskutiert, insbesondere die unteren Grenzbereiche. In der Praxis wird die Transfusionsgrenze häufig patientenindividuell festgelegt und kann durchaus bei 50.000, 30.000 oder 20.000 Thrombozyten/μl liegen.
In bis zu 10 % der Fälle kann unter längerer ECMO-Therapie ein HIT Typ II auftreten. Durch die Blutpumpe und assoziierte Veränderungen ist der HIT-Schnelltest sehr häufig positiv, ohne dass ein echter HIT Typ II vorliegt. Auch der Thrombozytenabfall hilft hier nicht als diagnostisches Kriterium. Entscheidend ist hier neben dem „Bauchgefühl“ des erfahrenen Anwenders der HIPA-Test als Referenztest, sowie die klinische Wirkung in Form eines Wiederanstiegs der Thrombozytenzahl nach Wechsel auf ein alternatives Medikament, vorzugsweise Argatroban (Orgaran mit etwa 10-prozentiger Kreuzreaktivität zum Heparin weniger gut geeignet). Nach Beendigung der ECMO-Therapie empfehlen die Autoren nach einigen Tagen das erneute Durchführen des HIPA-Tests, um eine etwaige zukünftige Antikoagulation des Patienten sicher durchführen zu können.
Tipp
Argatroban erfordert häufig nur eine geringe Dosis und richtet sich nach der Schwere der Erkrankung, daher vorsichtige Dosierung!
Um das postoperativ erhöhte Blutungsrisiko möglichst klein zu halten, empfiehlt sich die 2- bis 3-malig tägliche Kontrolle der aPTT, der D-Dimere und des Fibrinogens. Die D-Dimere steigen oft exponentiell an, bis sie den oberen Messbereich erreicht haben. Dies ist meist ein Hinweis auf ein zunehmendes Clotting im Oxygenator oder am Pumpenkopf und sollte Sensibilität erzeugen. Der Fibrinogenverlauf ist direkt mit einer möglichen Komplikation assoziiert. Sollte das Fibrinogen auf unter 100 mg/dl absinken, halten die Autoren den sofortigen Wechsel von Einzelkomponenten, respektive des gesamten Systems für notwendig. Falls dies nicht möglich sein sollte, ist die Substitution zwar möglich, aber die schlechtere Alternative, da es weiter zum Verbrauch von Gerinnungsfaktoren aufgrund bereits bestehender Clots an z. B. der Pumpenachse oder auf der Oxygenatormembran kommt.
Tipp
Alle 12–24 Stunden müssen ein Blutbild, aPTT, ATIII, Fibrinogen und die D-Dimere bestimmt werden.
Literatur
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