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Persönlichkeitsstörungen bei Kindern und Jugendlichen

Verfasst von: Klaus Schmeck und Michael Kaess
Die mangelnde Reliabilität und Validität der in ICD-10 und DSM-5 verwendeten Persönlichkeitsstörungsdiagnosen ist wiederholt belegt worden. Darum wurde in der ICD-11 die Klassifikation grundlegend verändert hin zu einem dimensionalen Störungsmodell mit einem Spektrum von ungestörter bis hin zu sehr schwer gestörter Persönlichkeit. Auch die Altersgrenze zur Diagnose von Persönlichkeitsstörungen wurde mit der Einführung der ICD-11 aufgehoben, sodass zukünftig der Früherkennung und Frühintervention dieses Störungsbilds der notwendige Stellenwert eingeräumt werden kann, um eine Chronifizierung und die damit verbundenen langfristigen Beeinträchtigungen des psychosozialen Funktionsniveaus zu verhindern. Für das Jugendalter stehen inzwischen einige auf ihre Wirksamkeit überprüfte Behandlungsverfahren sowohl aus dem verhaltenstherapeutischen als auch dem psychodynamischen Bereich zur Verfügung, um frühzeitig intervenieren zu können. Wie bei der Behandlung von Persönlichkeitsstörungen im Erwachsenenalter haben auch im Jugendalter psychotherapeutische Verfahren den Vorrang vor pharmakotherapeutischen Behandlungsansätzen, die nur eine sehr geringe Evidenz aufweisen und in der Regel nur zur Behandlung von komorbiden Störungen indiziert sind.

Konzeptuelle Überlegungen

Über die Frage, was eine Persönlichkeitsstörung ausmacht und wie sie am besten diagnostiziert und klassifiziert werden kann, gibt es schon seit Langem intensive Diskussionen. Die mangelnde Reliabilität und Validität der in ICD-10 und DSM-5 verwendeten Persönlichkeitsstörungsdiagnosen ist wiederholt belegt worden. Von daher wurde zunehmend mehr darüber diskutiert, ob Persönlichkeitsstörungen nosologisch voneinander abgrenzbare Diagnosen sind, oder ob sie nicht besser als dimensionale Störungen klassifiziert werden sollten, die auf einem Spektrum von ungestörter bis hin zu sehr schwer gestörter Persönlichkeit abgebildet werden können. Die von Kurt Schneider begründete und in der medizinischen Tradition stehende Sichtweise verschiedener Typen von Persönlichkeitsstörungen steht dabei im Kontrast zur psychologischen Sichtweise, die Persönlichkeitsstörungen als Extremvarianten normaler Persönlichkeit beschreibt.
Im amerikanischen Diagnose- und Statistik-Manual DSM wurden Persönlichkeitsstörungen über lange Zeit hinweg als sog. Achse-II-Störungen klassifiziert. Dies bedeutete, dass neben der Diagnose von anderen Arten psychiatrischer Störungen immer auch reflektiert werden musste, ob zusätzlich eine Beeinträchtigung der Persönlichkeit vorhanden sein könnte. Dies gab Persönlichkeitsstörungen einen Sonderstatus, als ob es sich dabei um eine andere Art von psychiatrischer Störung handeln würde wie die auf der ersten Achse klassifizierten Störungen. Da sich dies weder empirisch noch klinisch bestätigen lässt, wurde im DSM-5 diese Unterteilung wieder aufgehoben.
Solche Diskussionen gingen an der Kinder- und Jugendpsychiatrie für lange Zeit vorbei, weil das Thema Persönlichkeitsstörungen weitgehend ausgeklammert wurde. Obwohl es auch in den bisherigen Klassifikationssystemen von DSM und ICD keine definitive Altersbeschränkung für die Diagnosevergabe von Persönlichkeitsstörungen gab, hielt sich der Mythos hartnäckig, dass eine solche Diagnose vor dem 18. Lebensjahr nicht vergeben werden darf. Im ICD-10 wird darauf hingewiesen, dass die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung vor dem 16. Lebensjahr „wahrscheinlich unangemessen“ sei. Bei dieser Einschätzung muss berücksichtigt werden, dass die ICD-10 auf den Forschungsergebnissen der 1980er-Jahren des letzten Jahrhunderts basiert, und dass eine solche Einschätzung nach aktueller Studienlage nicht länger haltbar ist. In den allgemeinen Diagnosekriterien des DSM-5 wird als Voraussetzung für die Vergabe der Diagnose gefordert: „Die Ausprägung individueller Persönlichkeitsmerkmale sind nicht besser dadurch erklärbar, dass sie als normal für eine individuelle Entwicklungsphase oder soziokulturelle Umgebung verstanden werden“ (Falkai und Wittchen 2018, S. 2046). Zusätzlich wird festgehalten, dass die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung vor dem 16. Lebensjahr zwar eher selten, aber möglich ist. Eine Reihe von wissenschaftlichen Fachgesellschaften haben die Ergebnisse von Longitudinalstudien, die sowohl eine dem Erwachsenenalter vergleichbare Validität als auch Stabilität von Persönlichkeitsstörungen zeigen, zur Kenntnis genommen. Daher empfehlen sie in ihren aktuellen Leitlinien nun die Vergabe der Diagnose auch schon im Jugendalter, wenn die Kriterien für das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung über einen ausreichend langen Zeitraum erfüllt sind (z. B. NICE Guidelines 2009; Australien Guidelines, NHMRC 2013; DGPPN 2022). Auf die vollkommene Neukonzeptualisierung in der im Jahr 2022 erscheinenden Klassifikation ICD-11 wird im weiteren Verlauf dieses Beitrags ausführlicher eingegangen.
Die grundlegende Frage, ob eine solche Störung im Jugendalter diagnostiziert werden kann, wird allerdings noch überlagert von der Frage, ob es überhaupt sinnvoll und hilfreich ist, eine solche Diagnose zu stellen. Diese Überlegungen sind vor allen Dingen begründet mit der Sorge um eine mögliche Stigmatisierung von Jugendlichen, wenn man schon in diesem jungen Alter eine Persönlichkeitsstörung diagnostiziert (Chanen und McCutcheon 2013). Solche Überlegungen gehen in die gleiche Richtung wie die in früheren Jahren gestellte Frage, ob eine schizophrene Psychose schon im Jugendalter diagnostiziert werden sollte, oder ob dadurch langfristig bei der Arbeitsplatzsuche oder beim Abschließen einer Krankenversicherung Probleme entstehen. Auch wenn es wichtig ist, diese Überlegungen in die Diagnosefindung mit einzubeziehen, darf gleichzeitig nicht vergessen werden, was die potenziellen negativen Auswirkungen sind, wenn eine Diagnose nicht rechtzeitig gestellt wird. Ziel der Diagnosestellung ist ja, für den Patienten die adäquate Behandlung zu finden. Es gibt inzwischen ausreichend viele empirische Untersuchungen, die belegen wie problematisch der Langzeitverlauf von nicht behandelten, früh beginnenden Persönlichkeitsstörungen ist und wie sehr eine fehlende bzw. nicht an der Störung selbst ausgerichtete Behandlung zu einer Chronifizierung mit fatalen Langzeitfolgen führen kann. Bei diesen Überlegungen sollten auch neuere Ansätze in Früherkennung und Frühintervention berücksichtigt werden, die Interventionen mit abgestufter Intensität propagieren, je nachdem wie ausgeprägt das Störungsbild ist bzw. in welcher Phase des Störungsverlaufs sich ein Patient befindet. Dadurch können Ressourcen im Gesundheitswesen geschont werden, und gleichzeitig ist dieses Vorgehen mehr auf die Bedürfnisse der jugendlichen Patienten und ihrer Familien zugeschnitten.
Je umstrittener eine Diagnose ist, desto wichtiger ist eine sorgfältige und empirisch abgesicherte Diagnostik. Früherkennungsinstrumente benötigen eine sehr hohe Sensitivität, um möglichst alle potenziell Betroffenen identifizieren zu können. Gleichzeitig sollte die Spezifität so hoch sein, dass nicht durch eine falsch-positive Diagnose unnötige oder nicht wirksame Behandlungen initiiert werden. Andererseits gilt es zu bedenken, dass das Ziel einer rechtzeitig beginnenden und spezifischen Behandlung einer Persönlichkeitsstörung darin liegt, die Funktionsfähigkeit des Patienten so weit wiederherzustellen, dass er in altersentsprechender Weise zur sozialen Teilhabe fähig ist, auch wenn schwierige Temperamentsmerkmale weiterhin zu beobachten sind. Fatal ist es dann, wenn im Anschluss an eine erfolgreiche Frühintervention Rückmeldungen von Fachkolleginnen oder -kollegen kommen in dem Sinne, dass die ursprüngliche Diagnose wohl falsch gewesen sein muss, wenn im jungen Erwachsenenalter keine Persönlichkeitsstörungsdiagnose mehr zu erkennen ist und es sich damit um eine erfolgreiche Prävention handelt. Nicht erst in Corona-Zeiten gilt die Devise „There is no glory in prevention!“. Aber dieses Vorgehen des frühzeitigen Erkennens und Intervenierens ist ganz im Sinne der Patienten und ihrer Familien, und nicht zuletzt auch im Interesse der Gesellschaft.

Störungen der Persönlichkeitsentwicklung

Die Entwicklung der Persönlichkeit verläuft als transaktionaler Prozess (Sameroff 1975), bei dem das Kind von Anfang an aktiv an der Interaktion beteiligt ist. Spezifische Temperamentsmerkmale und damit auch Unterschiede zwischen verschiedenen Kindern, auch innerhalb einer Familie, sind schon zu einem frühen Zeitpunkt der Entwicklung zu beobachten. Ausreichend sensible Eltern erkennen und wertschätzen die Eigenarten ihrer Kinder und stimmen ihr Erziehungsverhalten darauf ab. Durch elterliche Erziehungseinflüsse werden einerseits die Temperamentsmerkmale des Kindes im Verlauf der Persönlichkeitsentwicklung modifiziert, andererseits hat das kindliche Temperament im Rahmen des transaktionalen Prozesses auch Auswirkungen auf das elterliche Erziehungsverhalten, wodurch sich das Verhalten der Eltern gegenüber Geschwisterkindern unterscheiden kann. Begünstigend für eine stabile Persönlichkeitsentwicklung ist neben der Feinfühligkeit der Eltern vor allem eine gute Passung zwischen kindlichem und elterlichem Temperament.
Wenn Kinder mit sog. schwierigen Temperamentsmerkmalen ausgestattet sind, ist ihre Entwicklung gefährdet. Zu diesen Merkmalen, die auf einer biologischen Vulnerabilität beruhen, zählen ausgeprägte Impulsivität, negative Affektivität und emotionale Überempfindlichkeit, wie sie auch bei Borderline-Störungen zu beobachten sind (Wertz et al. 2019). Kompetente Eltern versuchen, ihre mit einem schwierigen Temperament ausgestatteten Kinder zu unterstützen, indem sie z. B. der erhöhten Impulsivität klare Regeln und Grenzen entgegensetzen, die negative Grundstimmung mit positiven Erfahrungen versuchen zu modifizieren und der Überempfindlichkeit mit besonderer Wertschätzung begegnen. Auch ausreichend kompetente Eltern kommen jedoch bei sehr schwierigem Temperament ihrer Kinder an ihre Grenzen, und es kann zu negativen Interaktionen kommen. Besonders schwierig und prädestinierend für eine pathologische Entwicklung hin zu einer Persönlichkeitsstörung ist eine Konstellation, bei der ein sehr schwieriges Temperament eines Kindes auf Eltern trifft, die selber unter eigenen Störungen leiden und wenig Feinfühligkeit den besonderen Bedürfnissen dieses Kindes entgegenbringen können. Dann kann ein transaktionaler Prozess im Sinne eines Circulus vitiosus entstehen, bei dem sich das schwierige Temperament des Kindes und das ungünstige Erziehungsverhalten der Eltern wechselseitig aufschaukeln (Abb. 1).
Solche konstanten negativen Wechselwirkungen führen zu einer massiven Beeinträchtigung der Struktur der Persönlichkeit, die sich auf allen Ebenen des Erlebens und Verhaltens äußern können und zu einer Vielzahl von Symptomen führen:
  • kognitive Ebene: Verzerrungen wie übersteigerte Angst vor Zurückweisungen (Rejection Sensitivity) oder Hypermentalisierung;
  • emotionale Ebene: affektive Dysregulation, Stimmungseinbrüche, Empathiedefizite;
  • Verhaltensebene: Störungen der Impulskontrolle, selbstverletzendes Verhalten, Risikosuche;
  • interpersonelle Ebene: Trennungsängste, Angst vor Nähe, Selbstzentriertheit, aggressive Konflikte.
Solche Beeinträchtigungen der Persönlichkeitsstruktur lassen Kinder und Jugendliche häufig an ihren altersgemäßen Entwicklungsaufgaben scheitern und sind mit einem erhöhten Risiko für erhebliche Konflikte in der Interaktion mit der Familie und den Freunden, aber auch Autoritätspersonen wie Lehrern, Ausbildern oder Trainern verbunden. Dadurch sinkt das psychosoziale Funktionsniveau, was wiederum Auswirkungen auf die Selbst- und Fremdwahrnehmung der Kinder und Jugendlichen hat. Es kommt zu einer Störung der selbstbezogenen und interpersonellen Persönlichkeitsfunktionen, was als Kriterium A in die aktuelle Definition von Persönlichkeitsstörungen eingeht (DSM-5, ICD-11). Die schon früh zu beobachtenden schwierigen Temperamentsmerkmale werden sich bei einer solch ungünstigen Entwicklung eher verfestigen, und äußern sich dann im Jugend- und Erwachsenenalter als pathologische Persönlichkeits-Traits (Kriterium B). Ohne therapeutisches Eingreifen ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es zu einem Circulus vitiosus zwischen beeinträchtigten Persönlichkeitsfunktionen und beeinträchtigter psychosozialer Funktionsfähigkeit kommt und damit zu einer Chronifizierung der Beeinträchtigungen. Dies ist modellhaft in Abb. 1 dargestellt.

Epidemiologie

Die epidemiologische Datenlage zur Prävalenz von Persönlichkeitsstörungen im Jugendalter ist schwach. In einer US-amerikanischen Studie aus dem Jahr 2008 lag die kumulative Prävalenz für eine Persönlichkeitsstörung bei 14,6 % im mittleren Alter von 14 Jahren, bei 18,1 % im Alter von 16 Jahren und stieg bis ins junge Erwachsenenalter an (kumulative Prävalenz von 25,7 %). In einer Stichprobe von psychosozial hochbelasteten 12- bis 18-jährigen Jugendlichen aus Schweizer Jugendhilfeeinrichtungen fand sich eine kumulative Prävalenz von 20,0 %, wobei die Prävalenz bei den 12- bis 14-Jährigen nur bei 12,4 % lag, bei den 15- bis 18-Jährigen aber schon bei 24,0 %. Bis zum Alter von im Schnitt 26 Jahren war die kumulative Prävalenz bis auf 30,4 % gestiegen (d’Huart et al. 2022).
Die am besten untersuchteste Persönlichkeitsstörung, die Borderline-Persönlichkeitsstörung, zeigte sich mit einer kumulativen Prävalenz von 0,9 % im Alter von 14 Jahren, einer Prävalenz von 1,4 % im Alter von 16 Jahren und einer Prävalenz von 3,2 % im Alter von 22 Jahren (Johnson et al. 2008). Die Daten sind letztlich weitgehend vergleichbar mit den epidemiologischen Daten des Erwachsenenalters (Gunderson et al. 2018; Trull et al. 2010). Das Inkrafttreten der neuen diagnostischen Klassifikation für Persönlichkeitsstörungen wird auch mit neuen epidemiologischen Zahlen für diese Diagnosen einhergehen, die Prävalenz der Borderline-Persönlichkeitsstörung sollte davon unbeeinträchtigt bleiben.
Vor allem die Borderline-Persönlichkeitsstörung ist eine im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie sehr häufig anzutreffende Erkrankung. Es wird angenommen, dass diese Patienten mehr als 10 % der ambulanten Patienten und bis zu 50 % der stationären Patienten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie ausmachen (Kaess et al. 2014). Andere Persönlichkeitsstörungen sind bisher im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie weitgehend vernachlässigt und es fehlen daher zuverlässige Daten über deren Häufigkeiten in den diversen Behandlungssettings.
Im Weiteren wird aufgrund a) des Mangels valider Daten für die anderen Persönlichkeitsstörungen und b) der Tatsache, dass die anderen Entitäten ab 2022 nicht mehr in der ICD-11 vorkommen werden, nur noch auf die Borderline-Persönlichkeitsstörung eingegangen.
Obwohl es im klinischen Setting in der Regel eine ausgeprägte Dominanz des weiblichen Geschlechts gibt, zeigen epidemiologische Untersuchungen zur Borderline-Persönlichkeitsstörung keine Geschlechterunterschiede (Zanarini et al. 2011). Die Geschlechterunterschiede in klinischen Stichproben sind also am ehesten auf Unterschiede im Hilfesuchverhalten oder in der diagnostischen Einschätzung zurückzuführen (Skodol und Bender 2003).
Wie bereits bei den Prävalenzzahlen beschrieben, zeigt die Borderline-Persönlichkeitsstörung einen normativen Anstieg nach der Pubertät, erreicht im jungen Erwachsenenalter das Maximum der Ausprägung und nimmt dann in ihrer Symptomausprägung über mehrere Jahrzehnte wieder langsam ab (Tackett et al. 2009; Cohen et al. 2005).

Neue Entwicklungen in der Klassifikation von Persönlichkeitsstörungen

Aufgrund der mangelnden Reliabilität und Validität der Persönlichkeitsstörungsdiagnosen gibt es seit Langem eine intensive Diskussion über die Frage, ob sich Persönlichkeitsstörungen besser als nosologisch voneinander abgrenzbare kategoriale Einheiten oder als dimensionale Störungen klassifizieren lassen, die auf einem Spektrum von ungestörter bis sehr schwer gestörter Persönlichkeit abgebildet werden können. Auch wenn aus wissenschaftlicher Sicht der dimensionale Blick auf Persönlichkeitsstörungen richtig erscheint, bleiben für den klinischen Alltag diskrete Persönlichkeitsstörungsdiagnosen von erheblicher Relevanz (Herpertz et al. 2017).
Da diese Kontroverse zum Zeitpunkt der Einführung des DSM-5 im Jahr 2013 noch nicht abgeschlossen war, wurde die Klassifikation von Persönlichkeitsstörungen ohne größere Veränderungen aus dem DSM-IV-TR übernommen. Ein alternatives Modell der Persönlichkeitsstörungen wurde in den Anhang des Manuals zur weiteren wissenschaftlichen Überprüfung platziert (APA 2013). In diesem sog. Hybridmodell werden der kategoriale und der dimensionale Ansatz miteinander verbunden. Das Kriterium A zur Entscheidung der Frage, ob eine Persönlichkeitsstörung vorhanden ist oder nicht, basiert auf der Einschätzung von Beeinträchtigungen selbstbezogener (Identität, Selbstlenkungsfähigkeit) und interpersoneller Persönlichkeitsfunktionen (Empathie, Nähe). Die Art der Persönlichkeitsstörung wird anhand des Kriteriums B bestimmt, das in einem Profil der fünf pathologischen Persönlichkeits-Traits „negative Affektivität“, „Antagonismus“, „Enthemmtheit“, „Verschlossenheit“ und „Psychotizismus“ abgebildet wird (Skodol und Zimmermann 2018).
Sechs Jahre nach der Revision des amerikanischen Klassifikationssystems DSM wurde im Mai 2019 von der Weltgesundheitsorganisation die 11. Revision der internationalen Klassifikation von Erkrankungen (ICD-11) verabschiedet (World Health Organisation 2019), die am 1. Januar 2022 in Kraft getreten ist. Die zurzeit gültige Version ICD-10 wurde 1990 publiziert und basiert somit auf Forschungsergebnissen, die vor über 30 Jahren erhoben wurden, sodass eine Revision längst überfällig war. Im Kap. „6D10 Persönlichkeitsstörungen“ der ICD-11 wird ein vollständiger Paradigmenwechsel hin zu einem dimensionalen Störungsverständnis vorgenommen mit der Folge, dass alle bisher verwendeten Persönlichkeitsstörungsdiagnosen gestrichen wurden. Die Pläne zur Aufhebung dieser Diagnosen führten zu erheblichen Diskussionen (Tyrer et al. 2019), da über viele Jahre hinweg ein Schatz von klinischem störungsbezogenem Wissen und Forschungsergebnisse zu einzelnen Persönlichkeitsstörungsdiagnosen gesammelt worden waren. Letztendlich führte die Kontroverse zu dem Kompromiss, zumindest die Borderline-Diagnose beizubehalten. Somit entspricht in der ICD-11 eine mittelgradige oder schwere Persönlichkeitsstörung mit Borderline-Muster der gegenwärtigen ICD-10-Diagnose einer emotional-instabilen Persönlichkeit vom Borderline-Typ (Abb. 2).
Für alle mit Kindern und Jugendlichen arbeitenden Fachpersonen ist von besonderer Bedeutung, dass das Alterskriterium zur Diagnose einer Persönlichkeitsstörung gestrichen wurde. Festgelegt ist nun, dass sich die Persönlichkeitsauffälligkeiten über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren konstant zeigen sollen und dass diese maladaptiven Verhaltensmuster nicht dem Entwicklungsstand des Individuums angemessen sind (World Health Organisation 2019). Mit dieser Entscheidung der Aufhebung einer Altersgrenze für die Diagnose von Persönlichkeitsstörungen trägt die Arbeitsgruppe der WHO der Tatsache Rechnung, dass in den vergangenen zwei Dekaden eine Vielzahl von Forschungsergebnissen veröffentlicht wurde, in denen gezeigt werden konnte, dass die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung im Jugendalter mit einer dem Erwachsenenalter vergleichbaren Reliabilität und Validität gestellt werden kann (Chanen et al. 2017).
In der ICD-11 wird eine Persönlichkeitsstörung folgendermaßen definiert: „Eine Persönlichkeitsstörung ist gekennzeichnet durch Beeinträchtigungen von Selbstaspekten (z. B. Identität, Selbstwertgefühl, Genauigkeit der Selbstwahrnehmung, Selbstlenkungsfähigkeit) und/oder interpersoneller Dysfunktion (z. B. Fähigkeit, enge und befriedigende Beziehungen einzugehen und aufrechtzuerhalten, die Sichtweisen anderer zu verstehen und Konflikte in Beziehungen zu bewältigen), die über einen längeren Zeitraum (z. B. 2 Jahre oder länger) bestanden haben. Die Störung manifestiert sich in spezifischen Mustern von Kognitionen, emotionalem Erleben, emotionalem Ausdruck und Verhaltensweisen, die maladaptiv (z. B. unflexibel oder schlecht reguliert) sind und sich in unterschiedlichen persönlichen und sozialen Lebenssituationen manifestieren (d. h. nicht nur in spezifischen Beziehungen oder sozialen Rollen). Die die Störung kennzeichnenden Verhaltensmuster entsprechen nicht dem Entwicklungsstand und können nicht in erster Linie durch soziale oder kulturelle Faktoren, einschließlich gesellschaftspolitischer Konflikte, erklärt werden. Die Störung ist mit erheblichem Leiden oder bedeutsamen Beeinträchtigungen in persönlichen, familiären, sozialen, pädagogischen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen verbunden.“ (Übersetzung durch die Autoren; WHO 2019). Wie im alternativen Modell des DSM-5 werden also auch hier die Beeinträchtigungen der selbstbezogenen und interpersonellen Persönlichkeitsfunktionen als zentrales Kriterium verwendet.
Unterhalb der Schwelle einer Diagnose werden Persönlichkeitsschwierigkeiten beschrieben, wie sie häufig anzutreffen sind, ohne dass sie zu bedeutsamen Funktionseinschränkungen führen. Die dimensionale Anordnung von Auffälligkeiten der Persönlichkeit erstreckt sich somit in der ICD-11 anhand des Schweregrads von „keine Persönlichkeitsauffälligkeit“ über „Persönlichkeitsschwierigkeiten“, „leichten Persönlichkeitsstörungen“ (nicht alle Funktionsbereiche sind betroffen; in manchen Kontexten zeigen sich eher wenig Beeinträchtigungen), „mittelgradigen Persönlichkeitsstörungen“ (viele Funktionsbereiche betroffen, aber einige weniger stark) bis hin zu „schweren Persönlichkeitsstörungen“, bei denen alle Funktionsbereiche sehr stark betroffen sind.
Spezifische Persönlichkeitseigenschaften (Traits) können genutzt werden, um diejenigen Merkmale der Persönlichkeit eines Individuums zu beschreiben, die am hervorstechendsten sind und zur Persönlichkeitsstörung beitragen. Diese Traits, die als pathologisches Spiegelbild zu den Big-Five-Persönlichkeitsdimensionen gesehenen werden können, umfassen die Bereiche „negative Affektivität“, „Distanziertheit“ (Detachment), „Dissozialität“, „Unterkontrolliertheit“ (Disinhibition) und „Zwanghaftigkeit“. Während die ersten vier Bereiche weitgehend identisch sind mit den im Kriterium B des DSM-5 beschriebenen pathologischen Persönlichkeits-Traits, zeigt sich im fünften Bereich („Psychotizismus“ im DSM-5, „Zwanghaftigkeit“ in der ICD-11) die unterschiedliche Sicht der beiden Klassifikationssysteme in Bezug auf die Schizotypen Persönlichkeitsstörungen, die in der ICD dem Psychose-Spektrum zugeordnet werden.
Von McGorry wurde in den letzten Jahren zunehmend mehr das aus der somatischen Medizin entlehnte Konzept des Stagings propagiert (McGorry 2010), das inzwischen auch für die Früherkennung von Persönlichkeitsstörungen im Jugendalter adaptiert wurde (Chanen et al. 2020; Seiffert et al. 2020). Im Rahmen eines solchen Staging-Ansatzes werden erste Frühinterventionen auch bei nicht voll erfüllter Diagnose empfohlen. Dies macht gerade auch für Jugendliche Sinn, wie Kaess und Mitarbeiter (2017b) zeigen konnten an dem Beispiel, dass die Belastungen von jugendlichen Patienten mit sog. unterschwelliger Borderline-Persönlichkeitsstörung im Hinblick auf Einbußen der Lebensqualität und psychopathologischem Stress sehr vergleichbar waren zu Patienten mit voll ausgeprägter Borderline-Persönlichkeitsstörung und gleichzeitig deutlich größer als bei Jugendlichen ohne Diagnose. Von daher ist aus jugendpsychiatrischer Sicht die Einführung der ICD-11-Diagnosekategorie „leichte Persönlichkeitsstörung“ zu begrüßen, weil dadurch die Möglichkeiten zur Frühintervention ausgeweitet werden.

Diagnostik und Früherkennung

Warum Früherkennung?

Die Mehrzahl aller psychischen Erkrankungen beginnt bereits vor dem Eintritt ins Erwachsenenalter (Kessler et al. 2005). Dies gilt nicht nur für die üblicherweise mit dem Kindes- und Jugendalter in Verbindung gebrachten Störungen wie Autismus, ADHS, Störungen des Sozialverhaltens oder Angststörungen, sondern auch für andere schwerwiegende und mit langfristigen Beeinträchtigungen verbundene Erkrankungen wie Depressionen, Psychosen oder Persönlichkeitsstörungen. Dieser Erkenntnis wird im neuen Klassifikationssystem ICD-11 Rechnung getragen, da alle Arten von psychischen Störungen konsequent unter einer Lebensspannenperspektive gesehen werden und die noch im ICD-10 zu findende Unterscheidung zwischen auf das Kindes- und Jugendalter beschränkte Störungen (Kap. „F9“) und anderen psychischen Störungen aufgehoben wurde (WHO 2018).
Da im Jugendalter die Grundlagen für die privaten und beruflichen Entwicklungen des späteren Lebens als Erwachsener gelegt werden, haben unerkannte und unbehandelte psychische Störungen in diesem Lebensalter einen besonders nachteiligen Einfluss auf die langfristige Entwicklung. Für den Bereich der Psychosen hat sich diese Erkenntnis in den letzten 20 Jahren zunehmend durchgesetzt, sodass weltweit spezifische Zentren zur Früherkennung von Psychosen etabliert wurden. Da sich aber die Mehrzahl der Kinder- und Jugendpsychiater und klinisch tätigen Psychologen mit der Diagnose einer Persönlichkeitsstörung vor dem Erwachsenenalter sehr schwertun, wurden bisher wenig Anstrengungen unternommen, für den Bereich der Persönlichkeitsstörungen Zentren für Früherkennung zu etablieren. Gerade für diese Störungsgruppe stellt aber die differenzialdiagnostische Unterscheidung zwischen entwicklungstypischen Verläufen der Adoleszenz und diagnoserelevanten Symptomen eine besondere diagnostische Herausforderung dar, sodass eine besondere Expertise für eine reliable und valide Abklärung erforderlich ist. Zum Aufbau einer solchen Expertise benötigt es wie bei den psychotischen Störungen spezielle Angebote, um Risikozustände von Nicht-Risikozuständen unterscheiden zu können, aber auch, um zwischen vorübergehend auftauchenden Symptomen (wie sie z. B. bei krisenhaften Verläufen in der Adoleszenz zu sehen sind) und anhaltenden Störungen zu differenzieren.

Folgen von nicht erkannten oder nicht erfolgreich behandelten Persönlichkeitsstörungen

Die individuellen, sozialen und ökonomischen Folgen von Persönlichkeitsstörungen sind außerordentlich schwerwiegend. Verschiedene Langzeituntersuchungen haben gezeigt, dass früh beginnende Borderline-Persönlichkeitsstörungen verbunden sind mit häufiger abgebrochenen Ausbildungen, womit ein niedrigeres Qualifikationsniveau und überdurchschnittlich hohe Arbeitslosigkeit einhergehen (Chanen 2015). Dies führt zu einer andauernden Teilhabebeeinträchtigung (Gunderson et al. 2011) und zu massiven Belastungen der Familienangehörigen (Bailey und Grenyer 2013). Neben diesen schwerwiegenden Beeinträchtigungen der psychosozialen Funktionsfähigkeit zeigen sich auch massive weitere Auswirkungen im Sinne von schlechterer somatischer Gesundheit, wiederholten Selbstverletzungen und einer Suizidrate über die Lebensspanne hinweg von ca. 8 % (Leichsenring et al. 2011). In einer Auswertung von Krankenkassendaten aller in Deutschland gesetzlich krankenversicherten Erwachsenen (Schneider et al. 2019) wurden Mortalität und somatische Komorbidität von vier schweren psychischen Erkrankungen erfasst. Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörungen zeigten eine um das 2,3-Fache gesteigerte Mortalität im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung (Patienten mit psychotischen Störungen: OR 2,38; bipolare Störungen: 1,52; schwere unipolare Depressionen: 1,40). Die Komorbidität mit schweren somatischen Erkrankungen (infektiöse/parasitäre, endokrine/ernährungsbedingte/stoffwechselbedingte, Kreislauf- und Atemwegserkrankungen) war bei Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörungen über die Lebensspanne noch stärker ausgeprägt als bei den anderen schweren psychischen Erkrankungen (mit Ausnahme von Neoplasien, die bei unipolaren Depressionen häufiger waren).
Borderline-Persönlichkeitsstörungen haben sich als stärkerer Prädiktor für die Abhängigkeit von Sozialleistungen erwiesen als andere psychiatrische Störungen wie Depressionen oder Angststörungen. In der Schweiz haben Persönlichkeitsstörungen inzwischen den größten Anteil an allen Ursachen von Frühberentungen (Baer et al. 2015). Nicht erkannte und nicht erfolgreich behandelte Borderline-Persönlichkeitsstörungen sind nicht nur mit einem gravierenden Leidensdruck für Betroffene und ihre Angehörigen verbunden, sondern führen auch zu massiven gesellschaftlichen Kosten. Gesundheitsökonomische Berechnungen aus den Niederlanden zeigen, dass sich die Kosten für die Behandlung von Borderline-Persönlichkeitsstörung-Patienten im Jahr 2007 auf 2,2 Mrd. € pro Jahr summierten (van Asselt et al. 2007).
Früherkennung sollte bereits im Übergang vom Kindes- ins Jugendalter erfolgen. In einer Geburtskohorte von 2232 britischen Zwillingspaaren (Wertz et al. 2019) fanden sich bereits im Alter von 12 Jahren bei 5,7 % der Kinder Symptome vergleichbar zu denen von Erwachsenen mit Borderline-Persönlichkeitsstörungen. Diese Kinder hatten sechs Jahre später im Vergleich zu den anderen Kindern dieser Kohorte einen deutlich schlechteren Outcome. Im Alter von 18 Jahren litten sie häufiger unter Persönlichkeitsstörungen sowie anderen psychischen Störungen, wiesen mehr Suizidversuche und selbstverletzendes Verhalten auf, mehr Risikoverhaltensweisen, mehr Gesetzesverstöße, und waren häufiger selbst Opfer von Gewalt.
Im Jahr 2014 wurde die Initiative „Global Alliance for Prevention and Early Intervention for Borderline Personality Disorder (GAP)“ gestartet (Chanen et al. 2017), der sich inzwischen viele Wissenschaftler und Kliniker weltweit angeschlossen haben. Ziele der GAP-Initiative sind:
  • frühzeitige Erkennung von Borderline-Persönlichkeitsstörungen und anderen Persönlichkeitsstörungen, sobald die Kriterien über einen ausreichenden Zeitraum erfüllt sind;
  • Vermeiden von irreführenden Alternativdiagnosen (z. B. Adoleszentenkrise);
  • frühzeitige störungsspezifische Intervention, um eine Chronifizierung der Störung und die damit verbundenen Funktionseinschränkungen so weit wie möglich zu vermeiden;
  • indizierte Prävention bei unterschwelligen Persönlichkeitsstörungen, um das Vollbild der Störung zu verhindern und
  • Ausbildung von „mental health professionals“ zur Aufklärung über das Störungsbild, die Behandelbarkeit und den Verlauf, um die Stigmatisierung in den Köpfen der Fachpersonen überwinden zu helfen.

Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen im Jugendalter

Zur Abklärung von Persönlichkeitsstörungen im Jugendalter gibt es inzwischen auch im deutschen Sprachraum eine Reihe von reliablen und validen Messinstrumenten (Schmeck und Goth 2018). Zum Screening und zur dimensionalen Bewertung können Fragebogenverfahren verwendet werden, mit deren Hilfe die subjektive Sicht der Patienten ökonomisch erfasst werden kann. Während bei der Erfassung von gesunden Persönlichkeitsmerkmalen die Selbsteinschätzung als Goldstandard gilt, ist für die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung ein Expertenrating unter Verwendung von strukturierten oder semistrukturierten klinischen Interviews dringend erforderlich, da gestörte Persönlichkeitsanteile vom Patienten selbst häufig nicht adäquat gesehen oder aus Scham bzw. im Sinne sozialer Erwünschtheit z. T. auch verschwiegen werden.
International sind eine Reihe von Interviews entwickelt worden (Chanen et al. 2020). Im deutschen Sprachraum wird jedoch mit Abstand am häufigsten das SKID-II-Interview (Strukturiertes Klinisches Interview für DSM-IV, Achse II: Persönlichkeitsstörungen; Fydrich et al. 1997) zur kategorialen Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen eingesetzt. Wenn einige wenige Fragen umformuliert werden (z. B. „Mitschüler“ statt „Arbeitskollegen“ oder „rücksichtloses Fahrradfahren“ statt „rücksichtloses Autofahren“), kann das Interview auch bei Jugendlichen erfolgreich eingesetzt werden. Es besteht aus einem Screening-Fragebogen und einem darauf aufbauenden halbstrukturierten Interview, das von einem trainierten Interviewer in 30–60 (max. 90) Minuten durchgeführt werden kann, um die Kriterien der Persönlichkeitsstörungen nach DSM-IV/DSM-5 zu erfassen. Das SCID-5-PD (First et al. 2016) ist eine aktuelle Überarbeitung des SKID-II. Da die Persönlichkeitsstörung auch in der ICD-11 als Einzeldiagnose bestehen bleibt, wird das SCID-5-BPS-Modul auch weiterhin Verwendung finden können. Bislang gibt es kein deutschsprachiges, jugendspezifisches Interview zur Diagnosestellung der Borderline-Persönlichkeitsstörung. International wurde bereits vor einigen Jahren das CI-BPD (Childhood Interview for Borderline Personality Disorder; Zanarini 2003) entwickelt und bis heute in der internationalen Forschung hinreichend getestet. Es ist gut für den Einsatz in jüngeren Populationen (sogar bei Kindern) geeignet. Eine deutsche Version wurde zu Forschungszwecken erstellt und eingesetzt (Fleck et al. 2021), aber die Möglichkeit des klinischen Einsatzes und der Dissemination wird derzeit noch geprüft.
Für die ICD-11 gibt es bisher noch keine strukturierten klinischen Interviewverfahren. Da das alternative Modell für Persönlichkeitsstörungen (AMPD) des DSM-5 der Neufassung der ICD-11 sehr ähnlich ist, kann zukünftig das für das DSM-5-AMPD entwickelte Interviewverfahren StiP5.1 (Semi-Structured Interview for Personality Functioning DSM–5; Hutsebaut et al. 2017; Evaluation der deutschen Übersetzung von Zettl et al. 2019) verwendet werden. Erfasst wird der Schweregrad einer Persönlichkeitsstörung gemäß Kriterium A.
Zur Erfassung der selbstbezogenen und interpersonellen Persönlichkeitsfunktionen im Sinne von DSM-5 und ICD-11 wurde der Fragebogen LoPF-Q 12–18 (Levels of Personality Functioning Questionnaire; Goth et al. 2018) zur Selbsteinschätzung für Jugendliche ab dem 12. Lebensjahr entwickelt. Dieser Fragebogen ist aus vier Hauptskalen (Identität, Selbststeuerung, Empathie und Nähe) aufgebaut, die eine Gesamtskala „Funktionsniveau der Persönlichkeit“ ergeben. Er besteht aus 97 Items, zeigt gute Testgütekriterien und differenziert sehr gut zwischen Jugendlichen, die unter einer Persönlichkeitsstörung leiden, und gesunden Jugendlichen. Analog zum Fragebogen für die Jugendlichen wurde ein Fremdbeurteilungsfragebogen für Eltern zur Einschätzung ihrer Kinder im Altersbereich von 6–18 Jahren entwickelt.
Mit dem Fragebogen AIDA (Assessment of Identity Development in Adolescence) steht ein Testinstrument zur Verfügung, das Beeinträchtigungen in der Identitätsentwicklung bei 12- bis 18-Jährigen erfasst (Goth et al. 2012). Er ist aus den beiden Hauptskalen Diskontinuität und Inkohärenz aufgebaut, die eine Gesamtskala Identitätsdiffusion bilden und besteht aus 58 Items. Dieser Fragebogen differenziert sehr gut Jugendliche, die unter einer Persönlichkeitsstörung leiden, von jugendlichen Patienten mit internalisierenden oder externalisierenden Störungen (Jung et al. 2013; Birkhölzer et al. 2015).
Zur Erfassung pathologischer Persönlichkeitsmerkmale (Kriterium B) sind zwei Selbstbeurteilungsinstrumente entwickelt worden, der PID5BF+ (Persönlichkeitsinventar für DSM-5 und ICD-11– Kurzform; Kerber et al. 2020) und der PiCD (The Personality Inventory for ICD-11; Zettl et al. 2019), die beide auch als deutschsprachige Version vorliegen. Beide Verfahren erfassen die fünf in der ICD-11 beschriebenen pathologischen Persönlichkeitsfaktoren Zwanghaftigkeit, Distanziertheit, Enthemmung, Dissozialität und negative Affektivität. Der PID5BF+ ist eine 36-Item-Kurzform des Persönlichkeitsinventars PID-5 für das Alternative Modell für PS des DSM-5, in dem auch die Persönlichkeitsdimension Psychotizismus erfasst wird. Der PiCD wurde zur Erfassung des Kriterium B der ICD-11 entwickelt. Für beide Verfahren liegt neben der Selbstbeantwortungsform auch eine Fremdbeurteilungsform vor.

Ätiologie und Pathogenese

Bisher gibt es für das Kindes- und Jugendalter im Prinzip ausschließlich Forschungsergebnisse zur Borderline-Persönlichkeitsstörung. Ausgehend von einem Diathese-Stress-Modell sind sowohl Umweltfaktoren als auch biologische Faktoren Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen, wobei der aktuelle Wissensstand zu den Umweltfaktoren deutlich besser ist und die biologische Forschung zu den Persönlichkeitsstörungen im Kindes- und Jugendalter noch sehr am Anfang steht. Grundsätzlich erscheinen biologische Untersuchungen zu Beginn der Manifestation einer Borderline-Persönlichkeitsstörung allerdings besonders wertvoll. Zu diesem Zeitpunkt können biologische Befunde als für die Entwicklung der Störung relevant interpretiert werden. Später ist ein stärkerer Einfluss von Behandlungs- und Chronifizierungseffekten auf die Störungsentwicklung anzunehmen (Brunner et al. 2010).
Den genetischen Faktoren in der Genese der Borderline-Persönlichkeitsstörung wird bisher nur ein moderater Einfluss zugeschrieben (Kaess et al. 2014). Eine Studie bei Jugendlichen postulierte einen Einfluss eines spezifischen Genpolymorphismus (kurzes Allel des 5-HTTLPR) als Risikofaktor für die Entwicklung einer Borderline-Persönlichkeitsstörung (Hankin et al. 2011). Eine kürzlich publizierte Studie konnte zwar keine konkreten Gene für die Entwicklung einer Borderline-Persönlichkeitsstörung identifizieren, Borderline-Persönlichkeitsstörungssymptome im frühen Jugendalter zeigten aber einen deutlichen prognostischen Wert hinsichtlich Psychopathologie und Funktionsniveau im Erwachsenenalter, der sich hauptsächlich auf eine gemeinsame genetische Basis von Borderline-Persönlichkeitsstörungen und anderen Formen der Psychopathologie zurückführen ließ (Wertz et al. 2020). Es gibt zudem Hinweise auf einen Zusammenhang der Borderline-Persönlichkeitsstörung mit dem Temperament. Die klinisch auffällige Koinzidenz von ausgeprägten externalen Symptomen und internalisierten Symptomen ist bei Jugendlichen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung charakteristisch und könnte Ausdruck der unterliegenden Temperamentskonstellation und weiterer assoziierter biologischer Faktoren sein (Kaess et al. 2013b; Schmeck 2001). Insgesamt scheint es sich bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung ähnlich zu verhalten wie bei den meisten psychischen Erkrankungen: Es gibt eine zugrundeliegende genetische Vulnerabilität, die nicht spezifisch für die Borderline-Persönlichkeitsstörung ist, und selbst diese ist sehr polygen vererbt, sodass einzelne Gene kaum diese Vulnerabilität erklären können. Der genetische Anteil erklärt die Entstehung der Borderline-Persönlichkeitsstörung also nicht ausreichend und muss in Kombination mit Umweltfaktoren gesehen werden (Abb. 1).
Funktionelle Bildgebungsstudien konnten Hinweise auf veränderte Mechanismen der Emotionsverarbeitung in zahlreichen Untersuchungen (Krause-Utz et al. 2014) replizieren. Neben der Überaktivität des limbischen Systems wurde eine gleichzeitig zu niedrige Aktivierung präfrontaler Strukturen gefunden. Dies unterstützt das Modell der frontolimbischen Dysfunktion bei Patientinnen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung. Das Modell betont eine verringerte kognitive Kontrollfähigkeit (Top-Down-Regulation) bei gleichzeitig ausgeprägter limbischer Aktivierung (Bottom-Up-Erregung). Die Folge ist eine emotionale Dysregulation. In der Tat konnte man bei Jugendlichen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung eine Reduktion des Volumens im orbitofrontalen Kortex auf beiden Hirnhemisphären sowie im dorsolateralen präfrontalen Kortex linkshemisphärisch zeigen (Brunner et al. 2010). Die Unterschiede bestanden jedoch nur im Vergleich mit einer gesunden Kontrollgruppe und nicht gegenüber einer klinischen Vergleichsgruppe, sodass eine Spezifität der Befunde nicht vorliegt (Brunner et al. 2010). Eine neu publizierte Studie konnte unter Nutzung von funktioneller Nahinfrarotspektroskopie eine verminderte Aktivität der Frontalhirnregionen bei Jugendlichen im Zusammenhang mit Borderline-Persönlichkeitsstörungssymptomen aufzeigen (Koenig et al. 2021). Außerdem liegen derzeit wenige mikrostrukturelle Studien vor, die mit Hilfe der diffusionsgewichteten Bildgebung die Integrität der weißen Hirnsubstanz untersucht haben (Maier-Hein et al. 2013; New et al. 2013). Dabei wurden krankheitsspezifische Veränderungen in Nervenfaserverbindungen, die sowohl mit der Emotionsregulierung wie auch Emotionserkennung in Verbindung gebracht werden, gefunden. Die Autoren schlossen hieraus, dass bereits bei Jugendlichen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung umfassende Netzwerkstrukturen der Emotionsverarbeitung gestört sein könnten.
Die klinisch auffällig erhöhte Stressreagibilität von Jugendlichen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung, die eng verbunden mit den aggressiven und autoaggressiven Verhaltensweisen erscheint, war Ausgangspunkt für die Untersuchung der peripheren Stressantwortsysteme: Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HHNA) und autonomes Nervensystem (ANS). Sowohl bei erwachsenen Patienten (Drews et al. 2019) als auch in einer Gruppe von jugendlichen Patienten mit repetitivem nichtsuizidalem selbstverletzendem Verhalten (43 % der Gruppe hatte die Diagnose einer Borderline-Persönlichkeitsstörung; Kaess et al. 2012) konnte eine verringerte Kortisolantwort auf einen experimentell induzierten Stressor gefunden werden. Das wahrscheinlichste biologische Modell deutet derzeit darauf hin, dass eine chronische Überaktivierung der HHNA in der Kindheit (aufgrund chronischer Stressoren, wie z. B. Erlebnissen von Vernachlässigung oder Missbrauch) in einer langfristig gestörten Regulation mit chronischer Überaktivierung aber fehlenden Möglichkeiten zur Reagibilität mündet (Kaess et al. 2018). Untersuchungen, die die Reaktivität des ANS bei erwachsenen Individuen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung untersucht haben, deuten auf eine Reduktion der Ruheaktivität des Nervus vagus (Hauptnerv des parasympathischen Nervensystems) hin (Koenig et al. 2016a). Der Zusammenhang von erniedrigter vagaler Aktivität und Borderline-Persönlichkeitsstörungssymptomen konnte inzwischen auch in mehreren Studien bei Jugendlichen repliziert werden (z. B. Koenig et al. 2018; Weise et al. 2020)
Das Ausmaß selbstverletzender Verhaltensweisen bei Patienten mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung hatte zur Fragestellung geführt, ob eine gestörte Schmerzwahrnehmung bei der Auslösung oder Aufrechterhaltung dieser Symptomatik mitverantwortlich sein könnte. Eine erhöhte Schmerzschwelle konnte sowohl bei erwachsenen (Ludäscher et al. 2007) als auch bei jugendlichen Patienten (Ludäscher et al. 2014) mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung gefunden werden. Dieses Phänomen konnte inzwischen bei einer Vielzahl von Patientengruppen mit repetitivem selbstverletzendem Verhalten bestätigt werden (Koenig et al. 2016b). Gleichzeitig fanden sich bei Untersuchungen an erwachsenen Patienten Hinweise darauf, dass die Schmerzschwelle bei subjektiv berichteter erhöhter Stressbelastung noch weiter ansteigt (Ludäscher et al. 2007). Auf neurochemischer Ebene wird eine Fehlregulation im endogenen Opioidsystem (EOS) diskutiert, z. B. dass ein basales endogenes Opioiddefizit vorliegen könnte. Hier konnte eine kürzlich veröffentlichte Studie bei Jugendlichen mit repetitivem nichtsuizidalem selbstverletzendem Verhalten tatsächlich signifikant reduzierte basale Beta-Endorphin-Werte im Blut nachweisen (van der Venne et al. 2021).
In der Ätiologie der Borderline-Persönlichkeitsstörung scheint das Auftreten multipler traumatischer Erfahrungen in Form von Vernachlässigung, körperlicher Misshandlung oder sexuellem Missbrauch während der kindlichen Entwicklung ein bedeutsamer Faktor zu sein (Porter et al. 2020; Widom et al. 2009). Prospektive populationsbasierte Studien weisen auf eine Häufung von Vernachlässigung und Misshandlung in der Vorgeschichte von jungen Erwachsenen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung hin. Auch das vermehrte Auftreten von Persönlichkeitsstörungen (antisozial/Borderline) und Suchterkrankungen bei den elterlichen Bezugspersonen kann belegt werden (Johnson et al. 1999). Weiter wurde maladaptives elterliches Erziehungsverhalten als bedeutsamer Risikofaktor für die Entwicklung einer Borderline-Persönlichkeitsstörung identifiziert (z. B. Winsper et al. 2012). In einer klinischen Stichprobe von Jugendlichen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung konnte gezeigt werden, dass junge Patientinnen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung auch im Vergleich zu anderen stationären kinder- und jugendpsychiatrischen Patientinnen eine deutlich höhere Belastung mit negativen Kindheitserlebnissen sowie eine deutlich negativere Eltern-Kind-Bindung und ein niedrigeres familiäres Funktionsniveau aufweisen (Infurna et al. 2016). Im Gegensatz zur Eltern-Kind-Beziehung ist die Bedeutung der Peer-Group bisher nur unzureichend untersucht. Eine prospektive Studie zeigte jedoch klar, dass Mobbingerfahrungen in der Kindheit mit einer Borderline-Symptomatik in der frühen Adoleszenz assoziiert waren (Wolke et al. 2012).
Vor dem Hintergrund der oben genannten Befunde wird ein Störungsmodell unterstützt, nach dem Individuen mit einem „sensitiven“ Genotyp in einem belastenden Umfeld einem erhöhten Risiko zur Entwicklung einer Borderline-Persönlichkeitsstörung ausgesetzt sind (Kaess et al. 2014). Dieses Modell stimmt mit dem bereits seit 30 Jahren von Linehan postulierten „biopsychosozialen Modell“ in der Genese der Borderline-Persönlichkeitsstörung überein (Linehan 1993), wie es auch im Störungsmodell in Abb. 1 aufgegriffen wird. Aufgrund fehlender Longitudinalstudien bleibt es weiterhin offen, ob die neurobiologischen Befunde Ursachen, Konsequenzen der Erkrankung oder ein Epi-Phänomen der Erkrankung darstellen (Chanen und Kaess 2012). Untersuchungsansätze, die die Kombination von Veränderung in verschiedenen neurobiologischen Systemen in den wissenschaftlichen Fokus nehmen, erscheinen daher vielversprechend. Derzeit ist davon auszugehen, dass die erhobenen biologischen Faktoren eher mit einer spezifischen Leitsymptomatik der Störung (Impulsivität oder affektiven Instabilität) assoziiert sind und damit nicht den Anspruch auf eine Spezifität für die Borderline-Persönlichkeitsstörung als psychiatrische Entität erheben können. Zusammenfassend erscheint eine Kombination aus frühen negativen Kindheitserfahrungen (invalidierende Umweltbedingungen) und biologischen Prädispositionen (emotionale Vulnerabilität) eine Basis für die charakteristischen Störungen in der Regulierung von Affekt, Impulsen und Verhalten zu begründen.

Behandlung

Allgemeine Aspekte der Behandlung von Jugendlichen mit (Borderline-)Persönlichkeitsstörungen

Frühinterventionen

Wie bei anderen psychischen Störungen gilt auch bei den Persönlichkeitsstörungen, dass früheinsetzende Behandlungsmaßnahmen wesentlich sind, um die drohende Chronifizierung einer Störung verhindern zu helfen. Bei früh zu erkennenden maladaptiven Persönlichkeitsstrukturen zielen die Interventionen darauf ab, betroffene Jugendliche beim Lösen ihrer Entwicklungsaufgaben zu unterstützen, negative Beziehungserfahrungen auf dem Boden chronischer interpersoneller Konflikte zu vermindern und damit die psychosoziale Funktionsfähigkeit zu stärken. Während die seit der Kindheit bestehenden schwierigen Temperamentsmerkmale nur sehr begrenzt verändert werden können, sollen positive Beziehungserfahrungen und die erfolgreiche Bewältigung von Entwicklungsaufgaben eine positive Rückwirkung auf die selbstbezogenen und interpersonellen Persönlichkeitsfunktionen haben, um den über die bisherige Entwicklung hinweg entstandenen Teufelskreis zu durchbrechen (Abb. 1).
Die Intensität von Frühinterventionsmaßnahmen unterscheidet sich nach dem Schweregrad der zu behandelnden Störungen. Wenn noch nicht das Vollbild der Störung vorliegt, aber dennoch schon ein erheblicher Leidensdruck und eine Beeinträchtigung der psychosozialen Funktionsfähigkeit vorhanden sind, haben die Frühinterventionsmaßnahmen den Charakter einer indizierten Prävention. Bei anderen Jugendlichen, die schon unter dem Vollbild einer Persönlichkeitsstörung leiden, zielt die Behandlung auf die Verhinderung einer Chronifizierung, was einer sekundären Prävention entsprechen würde.
Von der Melbourner Arbeitsgruppe um McGorry und Chanen wurde das aus der Onkologie bekannte Konzept des Stagings auf psychische Störungen, hier Persönlichkeitsstörungen, angewandt. Ein Beispiel für ein solches Staging-Modell für früh zu beobachtende Borderline-Persönlichkeitsstörungen (Tab. 1) geben Chanen und Mitarbeiter (Chanen et al. 2016) sowie Hutsebaut und Mitarbeiter (Hutsebaut et al. 2019), übersetzt von Seiffert und Kollegen (Seiffert et al. 2020).
Tab. 1
Staging von Borderline-Persönlichkeitsstörungen (vgl. Hutsebaut et al. (2019))
Stufe
Borderline-Symptome
Komorbidität
Funktionsfähigkeit
0
Erste Beeinträchtigungen des selbstbezogenen und interpersonellen Funktionsniveaus
Einzelne Bereiche psychischer Probleme, z. B. ADHS oder Störungen des Sozialverhaltens
Einzelne Probleme in Schule oder mit Peers
1
Erste Symptome von BPS, vor allem im Bereich von Affektregulation und Impulskontrolle
Komorbide Störungen im Bereich Stimmung, Angst und Sozialverhalten
Beginnende bedeutsame Probleme in Schule, familiären Beziehungen oder mit Peers
2
Erste Episode einer voll ausgeprägten BPS
Komorbide Störungen, vor allem Emotionsdysregulation (Depressionen, PTBS, Substanzabusus)
Schwerwiegende und andauernde Probleme in Schule, mit Gleichaltrigen und Familie
3
Rückfall einer voll ausgeprägten BPS
Chronische und multiple komorbide Störungen
Verlust des Funktionsniveaus in einzelnen Funktionsbereichen
4
Chronisches Störungsbild einer BPS ohne Remission
Schwere und chronisch ausgeprägte Psychopathologie
Chronischer Funktionsverlust in den meisten Funktionsbereichen
Ein solcher Ansatz des „clinical stagings“ entspricht einer dimensionalen Sichtweise der Störung und nimmt Bezug auf den unterschiedlichen Entwicklungsverlauf. Entsprechende therapeutische Möglichkeiten können dann in ihrer Art und Intensität den vorgeschlagenen Stadien angepasst werden (Tab. 2).
Tab. 2
Möglicher Stepped-Care-Ansatz für Borderline-Persönlichkeitsstörungen (vgl. Hutsebaut et al. (2019))
Stufe
Therapie
0
Förderung der Resilienz durch Psychoedukation über Emotionen, Selbstbild und andere Aspekte gesunder Persönlichkeitsfunktion, Förderung von Elternverhalten und Kompetenzen.
Ziel: Früherkennung entstehender Probleme, Empowerment, Prävention einer transgenerationalen Transmission von Psychopathologie
1
Frühinterventionsprogramme zur Früherkennung und -behandlung spezifischer Probleme (indizierte Prävention), z. B. unter Nutzung von ambulante Kurzzeittherapien oder an Adoleszente angepasste störungsspezifische Therapien (DBT-A, MBT-A, AIT).
Ziel: Empowerment, Förderung gesunder Funktionsbereiche, Erhaltung oder Wiederherstellung des normalen, altersentsprechenden Entwicklungsweges
2
Frühinterventionsprogramme und Umsetzung von an Adoleszente angepasste störungsspezifische Therapien (DBT-A, MBT-A, AIT).
Ziel: Behandlung akuter BPS-Symptome und komorbider psychischer Störungen, Prävention des Auftretens weiterer Störungen, Reduktion der Auswirkungen auf das soziale und berufliche Leben
3
Standardbehandlungen für BPS wie DBT-A, MBT-A oder AIT. Gegebenenfalls Intensivierung des Behandlungssettings.
Ziel: umfassende Behandlung der BPS und assoziierter Problembereiche
4
Unterstützende und aufsuchende Langzeitbehandlung.
Ziel: Management der BPS und anderer Problembereiche, Schaffen einer unterstützenden Umgebung, Wiederherstellung eines sozialen und professionellen Lebens, wo dies möglich ist
BPS Borderline-Persönlichkeitsstörung; DBT-A dialektisch-behaviorale Therapie für Adoleszente, MBT-A mentalisierungsbasierte Behandlung für Adoleszente, AIT Adolescent Identity Treatment
Zentren zur Früherkennung und Frühintervention wurden inzwischen in einigen europäischen Ländern wie Holland (Schuppert et al. 2009), Deutschland (Kaess et al. 2017a) und Schweiz (Schmeck et al. 2018; Reichl und Kaess 2019) nach dem Vorbild des australischen HYPE-Projekts (Helping Young People Early) (Chanen et al. 2009) etabliert. Hand in Hand mit der diagnostischen Abklärung auf Persönlichkeitspathologie werden auch schon bei geringer ausgeprägten Störungen niederschwellige Behandlungsangebote gemacht, wenn also z. B. noch nicht das Vollbild einer Borderline-Persönlichkeitsstörung vorliegt („subthreshold“), aber dennoch schon ein ausgeprägter Leidensdruck vorhanden ist. Evidenzbasierte psychotherapeutische Angebote werden kombiniert mit anderen jugendpsychiatrischen Behandlungsmaßnahmen, einschließlich Vorschlägen zur Pharmakotherapie bei entsprechender Indikation. Alle diese Maßnahmen sollten so weit wie möglich ambulant durchgeführt werden, sodass stationäre Aufenthalte im Sinne einer Krisenintervention kurzgehalten werden sollten. Auf den Einbezug der Familie und des psychosozialen Umfelds wird großer Wert gelegt.

Fokussierung auf Verbesserung des Funktionsniveaus

Bei Programmen zur Behandlung von psychischen Störungen wird üblicherweise der zentrale Schwerpunkt darauf gelegt, die Kernsymptome des Störungsbilds soweit wie möglich zu reduzieren. Dies wird in Psychotherapiestudien in der Regel auch als primäres Outcome-Maß verwendet. Gerade wegen der vielfältigen negativen Auswirkungen von Persönlichkeitsstörungen auf die psychosoziale Funktionsfähigkeit ist es jedoch wesentlich, dass bei der Behandlung von (Borderline-)Persönlichkeitsstörungen ein Schwerpunkt gelegt wird auf das Erreichen eines adaptiveren psychosozialen Funktionsniveaus. Aus diesem Grund ist auch der Einbezug der Lebensumwelt der Jugendlichen von erheblicher Bedeutung. Das Jugendalter ist eine Zeit, in der die entscheidenden Weichen für den Abschluss der Schulausbildung und den Beginn der beruflichen Laufbahn gestellt werden. Versäumnisse in dieser Zeit können zu einem späteren Zeitpunkt nur mit einem erheblich größeren Aufwand nachgeholt werden, wozu es außerdem eine sehr stabile und funktionale Struktur bräuchte, die bei dem Störungsbild per Definition nicht vorhanden sind. Von daher droht bei nicht ausreichender Stabilisierung der Übergang in eine chronische soziale Behinderung mit lebenslanger Patientenkarriere und dem Angewiesensein auf soziale Unterstützungsmaßnahmen.

Einbeziehung des Umfelds

Im Gegensatz zu Erwachsenen kann die überwiegende Zahl der Jugendlichen noch kein selbstbestimmtes Leben führen. Sie sind materiell und sozial noch abhängig von ihren Eltern und der familiären Unterstützung. Obwohl also einerseits die familiären Strukturen extrem bedeutsam sind, sind sie bei Jugendlichen mit Persönlichkeitsstörungen häufig gleichzeitig sehr belastet. Ob die Konflikte primär durch die dysfunktionalen Verhaltensweisen der Jugendlichen, das problematische Erziehungsverhalten der Erwachsenen oder aus einer Interaktion beider Faktoren entstehen, kann erst entschieden werden, wenn die Jugendlichen gemeinsam mit ihren Bezugspersonen gesehen werden. Solche Kontakte mit dem familiären Umfeld zeigen manchmal sehr deutlich, dass eine langfristige Stabilisierung der Jugendlichen nicht gelingen kann, wenn nicht auch Veränderungen im Verhalten der Erwachsenen erzielt werden können. Manchmal zeigen sich jedoch in den Familiensitzungen auch ausreichend gute Eltern, die durch das außerordentlich dysfunktionale Verhalten ihrer Kinder sehr erschöpft sind. Häufig stellt sich dann die Frage, ob die Jugendlichen im familiären Umfeld verbleiben können oder in eine Jugendhilfeeinrichtung wechseln. Um ein Verbleiben im familiären Kontext zu ermöglichen, muss den Jugendlichen in der Behandlung geholfen werden, basale Verhaltensstandards zu erfüllen, während gleichzeitig mit den Eltern daran gearbeitet wird, wie sie mit dem Verhalten ihrer Kinder anders umgehen können.

Behandlungsdauer

Behandlungsplanungen für Erwachsene mit Persönlichkeitsstörungen gehen in der Regel von einer langen Behandlungsdauer aus, da es nicht einfach ist, über lange Zeiten hinweg eingeschliffene Verhaltens- und Erlebensmuster zu verändern. Bei der Behandlung von Jugendlichen mit Persönlichkeitsstörungen sieht die Therapieplanung jedoch anders aus. Ambulante störungsspezifische Behandlungsprogramme dauern in der Regel nicht länger als maximal 8–12 Monate (25–40 Sitzungen). In verschiedenen Therapiestudien zeigte sich, dass bei Jugendlichen die Motivation für eine jahrelange Psychotherapie in der Regel nicht gegeben ist, sodass es bei länger angelegten Behandlungsprogrammen häufig schon nach wenigen Monaten zu vermehrten Therapieabbrüchen kommt. Gleichzeitig zeigen die Ergebnisse dieser Studien, dass sich Veränderungen bei der Behandlung von Jugendlichen rascher einstellen als bei Erwachsenen (Schmeck et al. 2023).

Manualisierte Behandlungsansätze

Manualisierte Behandlungsansätze sind von verschiedenen therapeutischen Schulen entwickelt worden. Diese Ansätze beziehen sich fast ausschließlich auf die Behandlung von Borderline-Persönlichkeitsstörungen, sodass diese auch im Fokus der weiteren Ausführungen stehen werden. Bei allen Verfahren waren Modifikationen des üblichen therapeutischen Vorgehens notwendig, um mit den spezifischen Störungsmustern umgehen und diese behandeln zu können. Als die Big Four, d. h. die vier empirisch am besten abgesicherten Verfahren, gelten die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT; Linehan 1987), die Übertragungsfokussierte Psychotherapie (TFP; Clarkin et al. 1999), die Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT; Bateman und Fonagy 2004) sowie die Schemafokussierte Therapie (SFT; Young et al. 2003). Von diesen vier Verfahren wurden inzwischen auch für Jugendliche adaptierte Behandlungsprogramme entwickelt und manualisiert. Einen Überblick über zurzeit verfügbare Behandlungsprogramme gibt die folgende Tab. 3.
Tab. 3
Manualisierte Programme zur Behandlung von Jugendlichen mit Persönlichkeitsstörungen
Therapieverfahren
Kurzbeschreibung
Evaluation
DBT-A (dialektisch-behaviorale Therapie. Rathus und Miller 2002; Fleischhaker et al. 2011)
Adaptation der Dialectical-Behavior Therapy (Linehan 1987) für die Behandlung von Jugendlichen
RCT: DBT-A vs. „enhanced usual care“ (Mehlum et al. 2016)
MBT-A (mentalisierungsbasierte Therapie. Rossouw und Fonagy 2012; Taubner et al. 2017)
Adaptation der Mentalisation Based Therapy (Bateman und Fonagy 2001) für die Behandlung von Jugendlichen
RCT: MBT-A vs. TAU (Rossouw und Fonagy 2012)
CAT (kognitiv-analytische Therapie. Ryle 1997; Chanen et al. 2008)
Integration von kognitiven und analytischen Therapieansätzen zur Behandlung von BPS
RCT: CAT vs. good clinical care (Chanen et al. 2008)
ERT (Emotion-Regulation Training. Schuppert et al. 2012)
 
RCT: ERT + TAU vs. TAU (Schuppert et al. 2012)
SFT-A (schemafokussierte Therapie. Loose et al. 2013)
Anwendung des schematherapeutischen Ansatzes von J. Young für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen
Bisher keine empirische Evaluation
AIT (Adolescent Identity Treatment. Foelsch et al. 2013)
Methodenintegrative psychodynamische Therapie mit adaptierten Elementen der TFP
CCT: AIT vs. DBT-A (Schmeck et al. 2023)
TFP-A (übertragungsfokussierte Therapie. Krischer et al. 2017)
Adaptation der Transference Focused Psychotherapy TFP (Clarkin et al. 1999) für die Behandlung von Jugendlichen
Zur Zeit Durchführung einer RCT in einem teilstationären Setting
GPM-A (Good Psychiatric Management for Adolescents. Ilagan und Choi-Kain 2021)
Adaptation des integrativen Behandlungsansatzes von Gunderson für die Behandlung von Jugendlichen
GPM für Jugendliche bisher nicht überprüft
RCT randomisierte klinische Studie; CCT kontrollierte klinische Studie; TAU Treatment as ususal; BSP Borderline-Persönlichkeitsstörung
Der von Streeck-Fischer und Mitarbeiterinnen (Salzer et al. 2014) entwickelte Therapieansatz der psychoanalytisch-interaktionellen Methode (PIM) wurde für stationäre Behandlungen entwickelt. Die Methode wurde in einer RCT überprüft, allerdings waren in der Behandlungsgruppe nur wenige Jugendliche mit der Diagnose einer Persönlichkeitsstörung.

Verhaltenstherapie-basierte Ansätze

Dialektisch-behaviorale Therapie bei Jugendlichen (DBT-A)

Die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) wurde ursprünglich als störungsspezifisches Behandlungskonzept für chronisch suizidale erwachsene Patientinnen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung entwickelt (Linehan 1993, 1996). Die dialektisch-behaviorale-Therapie für Adoleszente (DBT-A; Miller et al. 2007; von Auer und Bohus 2017) wurde speziell für die Arbeit mit emotional instabilen Jugendlichen und deren Familien konzipiert. Die DBT-A ist wissenschaftlich noch nicht so umfassend evaluiert wie die DBT, es liegen jedoch einige Studien vor, die die Wirksamkeit der DBT-A nachweisen. In zwei randomisiert kontrollierten Studien (RCT) konnte gezeigt werden, dass die ambulante DBT-A im Vergleich zu einer intensiven psychiatrischen Behandlung (Mehlum et al. 2014, 2016, 2019) und einer nicht DBT-A-spezifischen Einzel- und Gruppentherapie (McCauley et al. 2018) zur signifikant stärkeren Reduktion von suizidalen Handlungen und nichtsuizidalen Selbstverletzungen (NSSV) führte und die Jugendlichen regelmäßiger an der Therapie teilnahmen und seltener die Therapie abbrachen. Follow-up-Studien nach einem Jahr zeigten, dass die Verbesserungen konstant blieben. Die bisher einzige Studie unter Nutzung von klinischen Interviews zur Borderline-Persönlichkeitsstörung von Bürger und Kollegen (Buerger et al. 2019) legt ebenfalls nahe, dass sich durch die DBT-A alle Merkmale der Borderline-Persönlichkeitsstörung reduzieren lassen. Dies muss jedoch noch in RCT-Studien bestätigt werden. Zur stationären Behandlung mit der DBT-A liegen bisher keine RCT-Studien vor. Prä-post-Untersuchungen zeigen jedoch klare Effekte der stationären DBT-A. So werden in Deutschland eine signifikante Reduktion der Borderline-Persönlichkeitsstörungssymptomatik und des NSSV (von Auer et al. 2015) berichtet. Eine retrospektive Studie vergleicht 425 Jugendlichen, die vor einer DBT-A-Implementierung auf einer Station behandelt wurden, mit 376 Jugendlichen, die nach DBT-A-Implementierung auf derselben Station behandelt wurden. Für die mit DBT-A behandelten Jugendlichen zeigte sich eine signifikant niedrigere Anzahl an Suizidversuchen und Selbstverletzungen. Zusätzlich wurden signifikant weniger Hospitalisierungstage, Fixierungen und Überwachungsstunden bezogen auf selbstverletzendes Verhalten für die mit DBT-A behandelte Gruppe gefunden (Tebbett-Mock et al. 2020).

Kurzzeittherapie bei Jugendlichen

Eine in Heidelberg evaluierte und in London entwickelte (Taylor et al. 2011) Kurzzeittherapie für die Behandlung von selbstverletzendem Verhalten ist das Cutting-Down-Programm. Diese individuelle Psychotherapiesitzung lehnt sich eng an den Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie sowie der DBT-A an und dauert im Schnitt nur 10 Sitzungen. Eine erste randomisiert-kontrollierte Studie (Vergleich mit Standardpsychotherapie in deutlich höherer Dosis) zeigte, dass die Kurzzeittherapie schnellere Reduktionen der Selbstverletzung zum Therapieende herbeiführen konnte, zur Nacherhebung jedoch keine signifikanten Unterschiede mehr zur Kontrollgruppe bestanden. Interessanterweise war die Wirksamkeit der Kurzzeittherapie bei den Jugendlichen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung im Vergleich zu den selbstverletzenden Jugendlichen ohne Borderline-Persönlichkeitsstörung sogar relativ hoch (Kaess et al. 2020). Die Autoren schlossen aus dieser Studie, dass sich das Cutting-Down-Programm aufgrund der Niederschwelligkeit, des geringen Trainingsaufwandes und der reduzierten Kosten gut für eine breite Dissemination eignen würde und damit einen ersten Schritt im Sinne eines Stepped-Care-Ansatzes zur Frühbehandlung der Borderline-Persönlichkeitsstörung darstellen könnte.

Psychodynamische Therapieansätze

Mentalisierungsbasierte Therapie bei Jugendlichen (MBT-A)

Das Behandlungsverfahren MBT-A basiert auf dem von Bateman und Fonagy (2004) entwickelten Konzept der mentalisierungsbasierten Therapie zur Behandlung von Erwachsenen mit Borderline-Persönlichkeitsstörungen. Das zentrale Ziel dieses auf der Bindungstheorie basierenden Verfahrens ist, dem Patienten ein klareres Bild über eigene innere Zustände und die inneren Zustände anderer Personen zu ermöglichen und dabei ein Verständnis dafür zu entwickeln, wie das eigene Verhalten das Verhalten des Gegenübers beeinflusst. Der Fokus des therapeutischen Vorgehens liegt auf der Arbeit an den Emotionen im Hier und Jetzt. Modellhaft wird davon ausgegangen, dass die therapeutische Beziehung einer Bindungsbeziehung gleicht, und dass in einem solchen sicheren Rahmen Emotionen und die dazugehörenden inneren Repräsentationen bearbeitet werden können. In intensiven Affektzuständen ist die Mentalisierungsfähigkeit massiv beeinträchtigt und es kommt zu Verzerrungen der Wahrnehmung von Anderen. MBT postuliert, dass die den Affektzuständen zugrundeliegenden Emotionen bewusstgemacht und bearbeitet werden müssen, um die Mentalisierungsfähigkeit wiederherzustellen (Taubner und Sevecke 2015). Einbrüche in der Fähigkeit zu mentalisieren werden in der MBT als sog. prämentalisierende Denkmuster bezeichnet, wie sie bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen gehäuft zu finden seien. Zu diesen Denkmustern wird der teleologische Modus gezählt (das äußerlich sichtbare Verhalten wird überbetont, während die inneren Befindlichkeiten nicht ausreichend wahrgenommen werden), der Modus der sog. psychischen Äquivalenz (Überbetonung des inneren Empfindens, sodass die eigenen Empfindungen mit dem Geschehen in der Welt gleichgesetzt werden) sowie das sog. Pseudomentalisieren (Dissoziation zwischen Innen und Außen, sodass durch Einsichten keine Verhaltensveränderungen erfolgen). Störungen der Emotionsregulation, impulsives Verhalten und Störungen der sozialen Beziehungen sollen als Folge dieser verzerrten Wahrnehmungsmuster und Einschränkungen der Mentalisierungsfähigkeit entstehen (Taubner und Volkert 2016).
MBT-A wird als Kombination aus Einzeltherapie und Familiensitzungen durchgeführt. Nach einer Diagnostikphase von ca. 2 Wochen werden eine schriftliche Fallformulierung sowie ein Behandlungsvertrag abgefasst. Daran schließen sich psychoedukative Familiensitzungen an. In der Hauptphase der Behandlung, die ca. 9–10 Monate dauert, soll die Mentalisierungsfähigkeit des Jugendlichen und seiner Familie in Situationen starker Affekte verbessert werden. In der Einzeltherapie wird der Fokus auf aktuelle und zurückliegende interpersonelle Erfahrungen des Jugendlichen gelegt. In der ca. 2 Monate dauernden Abschlussphase soll die Unabhängigkeit und Verantwortlichkeit des Jugendlichen gefördert werden, die weitere Perspektive mit ihm geplant werden sowie ein Coping-Plan für die Familie aufgestellt werden, der bei eventuellen Schwierigkeiten zum Einsatz kommen kann. Insgesamt beläuft sich die Gesamttherapiedauer also auf ca. ein Jahr.
Inzwischen ist auch eine mentalisierungsbasierte Gruppentherapie für Jugendliche mit Borderline-Persönlichkeitsstörungen entwickelt worden (Beck et al. 2020). Die ersten Überprüfungen dieser Gruppentherapie zeigten jedoch keine größere Wirksamkeit als die Kontrollbedingungen (TAU), und im Vergleich zur Kontrollgruppe beendeten deutlich mehr Jugendliche der MBT-Gruppe die Behandlung vorzeitig (7 % TAU gegenüber 29 % MBT).

AIT (Adolescent Identity Treatment)

Das Behandlungsverfahren AIT (Foelsch et al. 2013; Schlüter-Müller et al. 2020) wurde entwickelt, um Jugendlichen mit Persönlichkeitsstörungen dabei zu helfen, eine besser integrierte Identität zu erreichen und dadurch das intrapsychische und interpersonelle Funktionsniveau zu verbessern. Dazu werden modifizierte Elemente der übertragungsfokussierten Psychotherapie (TFP; Clarking et al. 1999) in das Behandlungskonzept einbezogen. Neben diesen psychodynamischen Behandlungstechniken werden verhaltenstherapeutische Elemente, Psychoedukation und die Arbeit mit den Eltern in die Behandlung integriert. Im Gegensatz zu klassischen psychoanalytischen Behandlungen wird ein aktiver und stärker strukturierender Behandlungsansatz gewählt, in dem Affekte im Hier und Jetzt geklärt werden und der Schwerpunkt bei den Behandlungstechniken weniger auf Deutungen als auf Klärungsprozesse gelegt wird. Im Zentrum der AIT-Behandlung liegen neben einer Stabilisierung der Identität auch Veränderungen der gestörten Selbst- und Objektwahrnehmung. Dadurch sollen die reflexiven Funktionen erhöht werden und die häufig zu findenden Wahrnehmungsverzerrungen im Sinne der Sensitivität gegenüber tatsächlichen oder imaginären Zurückweisungen („rejection sensitivity“) korrigiert werden.
Die für das Verfahren AIT zentrale Technik besteht in der sehr häufig eingesetzten Klärung, d. h. die Aufforderung des Therapeuten an den Patienten, alle Informationen, die unklar, verwirrend, chaotisch, vage oder widersprüchlich sind, zu (er)klären, um damit die reflexive Fähigkeit des Patienten zu verbessern. Unklare oder widersprüchliche Kommunikation findet sich gerade bei Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörungen häufig. Mit dieser Technik des immer wiederkehrenden Nachfragens werden die reflexiven Funktionen der Jugendlichen gestärkt, wenn sie über ihr Handeln, Denken und Fühlen nachdenken sollen. Die Unterstützung bei der Klärung von Affektzuständen im Hier und Jetzt der therapeutischen Situation soll die Jugendlichen dazu befähigen, auch in Zeiten höherer affektiver Erregung außerhalb des therapeutischen Rahmens Affekte adäquat wahrnehmen und differenzieren zu können. Eine weitere Behandlungstechnik ist die Konfrontation, die dem Patienten widersprüchliche oder bisher nicht wahrgenommene Anteile seiner Äußerungen bewusst machen soll. Wenn intrapsychische Vorgänge durch vorausgehende Klärungen und Konfrontationen beleuchtet wurden, können anschließend Deutungen eingesetzt werden, die immer als Hypothesen angeboten werden, die den Adoleszenten zum Nachdenken anregen und unbewusste Prozesse ins Bewusstsein rufen sollen.
Weitere Elemente der Behandlung sind:
  • Psychoedukation: Zu Beginn der Behandlung werden sowohl die Jugendlichen als auch ihre Eltern über das Störungsbild, die damit verbundenen Symptome sowie den Behandlungsansatz aufgeklärt. Im Rahmen der Psychoedukation erhalten die Eltern Anregungen, wie sie mit affektiv aufgeladenen Situationen bei Konflikten mit ihren Jugendlichen anders umgehen können.
  • Vertragsabschluss: Wie bei allen anderen störungsspezifischen Behandlungsansätzen wird auch bei AIT ein Vertrag zwischen dem Jugendlichen und dem Therapeuten geschlossen.
  • Einbezug der Eltern: Im Rahmen der Arbeit mit den Eltern wird versucht, diese als wichtige Ressource in der Behandlung zu nutzen. Falls Jugendliche einen Kontakt der Therapeuten zu ihren Eltern nicht akzeptieren wollen, besteht ein zentraler Aspekt der therapeutischen Arbeit zu Beginn der Behandlung darin, die Gründe für diese Weigerung zu klären und den Jugendlichen klarzumachen, dass die Mitarbeit der Eltern im AIT-Behandlungskonzept essenziell ist und letztendlich auch für die Jugendlichen unterstützend.
  • Homeplan (Verhaltensplan für zuhause): Jugendliche müssen basale Verhaltensstandards erfüllen, um zuhause leben zu können, weshalb verhaltensbezogene Interventionen häufig notwendig sind. Deshalb wird gemeinsam mit dem Jugendlichen und seinen Eltern ein Verhaltensplan für das Zusammenleben zuhause erarbeitet. Dieser Verhaltensplan muss im Laufe der Behandlung immer wieder modifiziert und an die neuen Bedingungen in der Familie angepasst werden.

Besonderheiten bei der Behandlung anderer Formen von Persönlichkeitsstörungen

Jugendliche mit ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsanteilen werden klinisch häufig übersehen, da sie sich deutlich weniger dramatisch zeigen als z. B. Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung und in der Mehrzahl der Fälle mit der Diagnose „Soziale Phobie“ klassifiziert werden. Wenn jedoch die allgemeinen Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung erfüllt sind, ist das Vermeidungsverhalten nicht nur auf soziale Situationen beschränkt und führt unbehandelt gehäuft zu frühzeitiger Berentung, wie Studien der schweizerischen Invalidenversicherung zeigen (Baer et al. 2015). Im Gegensatz zu den Borderline-Persönlichkeitsstörung im Jugendalter sind für die Jugendlichen mit ängstlich-vermeidender Persönlichkeitsstörung bisher noch keine spezifischen Behandlungsprogramme entwickelt worden. Aus verhaltenstherapeutischer Sicht bestehen die grundlegenden Behandlungsschritte im Abbau des problematischen Vermeidungsverhaltens, dem Abbau der überhöhten physiologischen Erregung der Patienten, dem Aufbau positiver Kognitionen sowie der Erhöhung der Selbständigkeit. Kognitive Umstrukturierung sowie Selbstmanagement-Techniken werden ebenfalls eingesetzt. Gruppentherapeutische Verfahren bieten ein besonders gutes Übungsfeld für die Veränderung von sozialen Ängsten im Umgang mit vermeintlicher oder realer Kritik.
Dependente Persönlichkeitsstörungen werden im Jugendalter äußert selten diagnostiziert, da Jugendliche aufgrund ihrer Lebenssituation in der Regel noch in der Abhängigkeit des familiären Kontextes leben. Patienten mit diesem Störungsbild sind jedoch im Gegensatz zu anderen Jugendlichen kaum in der Lage, eigene Wünsche wahrzunehmen und eigenständige Wertvorstellungen und Ziele zu entwickeln. Sie sehen im Therapeuten einen starken und schutzgebenden Partner, dem sie sich gerne und bereitwillig unterordnen und dessen Behandlungsvorschläge von ihnen kritiklos aufgenommen werden, auch wenn sie nicht von ihrer Richtigkeit überzeugt sind, was von den Therapeuten als Gegensatz zu den Schwierigkeiten bei der Behandlung von Jugendlichen mit anderen Formen von Persönlichkeitsstörungen wahrgenommen und zu Beginn als durchaus angenehm erlebt wird. Es besteht jedoch die Gefahr, dass es dadurch zu einer pseudoprogressiven Entwicklung kommt, sodass die Patienten durch ihre Versuche, die Wünsche des Therapeuten zu erfüllen, nur vordergründig von der Behandlung profitieren, ohne dass es tatsächlich zu einer grundlegenden Veränderung der Persönlichkeitsstruktur kommt. Diese Gefahr sollte vom Therapeuten permanent reflektiert und dem Patienten im Behandlungsverlauf auch widergespiegelt werden.
Bei der Behandlung von Jugendlichen mit ausgeprägt schizoiden Anteilen ist es wichtig, dem Patienten seinem spezifischen Persönlichkeitsstil entsprechend entgegenzukommen. Wegen der Tendenzen der Patienten zu Distanzierung und Selbstschutz sollte die therapeutische Beziehung von daher nicht zu eng gestalten werden, sodass ein vom Standard psychotherapeutischer Interventionen abweichendes Vorgehen wie längere Pausen zwischen den Sitzungen, kürzere Kontakte, Verwendung von schriftlichen Aufzeichnungen, briefliche Kontakte oder ähnliches hilfreich sein kann.

Pharmakotherapie von Persönlichkeitsstörungen im Jugendalter

Es gibt gegenwärtig keine empirischen Hinweise, dass die Kernsymptomatik von Persönlichkeitsstörungen durch eine medikamentöse Behandlung nachhaltig positiv beeinflusst werden kann. Wenn eine Medikation eingesetzt wird, zielt sie auf einzelne Symptome von Persönlichkeitsstörungen und nicht auf die Störung selbst. Bisher gibt es sowohl in Deutschland als auch im internationalen Raum kein zugelassenes Medikament für die Behandlung dieses Störungsbilds, sodass jede medikamentöse Behandlung einer Persönlichkeitsstörung einen Off-Label-Gebrauch bedeutet. Betont werden muss, dass zur Behandlung der Kernsymptomatik einer Persönlichkeitsstörung im Jugendalter eine störungsspezifische psychotherapeutische Behandlung eingesetzt werden sollte, und dass bei der pharmakologischen Behandlung von Jugendlichen mit Persönlichkeitsstörungen Zurückhaltung geübt werden sollte. Gerechtfertigt kann eine solche Behandlung dann sein, wenn komorbide Störungen zu einem hohen Leidensdruck führen und es eine entsprechende Evidenz in den Leitlinien zur Behandlung von Jugendlichen gibt (Schmeck und Birkhölzer 2021; Kaess et al. 2014).
In der alltäglichen Praxis scheint aber auch schon bei älteren Jugendlichen die pharmakotherapeutische Behandlung der Persönlichkeitsstörungen eine bedeutsame Rolle zu spielen. So zeigte sich in einer englischen Studie zum Einsatz von Pharmakotherapie bei der Behandlung von älteren Jugendlichen (≥16 Jahre) und Erwachsenen mit emotional-instabiler Persönlichkeitsstörung, dass entgegen der Leitlinien 92 % dieser Patienten eine Psychopharmakotherapie bekamen. Dabei wurden vor allem Antidepressiva und Antipsychotika zur Behandlung von affektiver Dysregulation eingesetzt (Paton et al. 2015).
Da es bisher keine qualitativ hochwertigen Studien zur Effektivität verschiedener Pharmaka bei der Behandlung von Jugendlichen mit Persönlichkeitsstörungen gibt, muss auf die Erfahrungen aus dem Erwachsenenbereich zurückgegriffen werden, um erste Anhaltspunkte zu bekommen. Danach können Antipsychotika wie Aripiprazol, Quetiapin und Olanzapin, aber auch Stimmungsstabilisatoren wie Lamotrigin, Topiramat und Valproinsäure hilfreich bei der Behandlung von ausgeprägter affektiver Dysregulation und mangelnder Impulskontrolle sein (Schmeck und Birkhölzer 2021). Darüber hinaus gibt es vereinzelte Evidenz für die Wirksamkeit von Omega-3-Fettsäuren zur Reduktion von affektiven Symptomen und Impulskontrollstörungen sowie für die Wirksamkeit von selektiven Serotoninwiederaufnahmehemmern (SSRIs) bei der Behandlung von depressiver Stimmung, Angst und Ärger bei Borderline-Patienten mit komorbiden affektiven Störungen (Bellino et al. 2011). Tendenziell scheint der Einsatz von SSRI bei der Behandlung von Borderline-Persönlichkeitsstörungen eher abzunehmen, während der Einsatz von Stimmungsstabilisatoren und atypischen Antipsychotika eher zunimmt (Starcevic und Janca 2018). Auch wenn sich in der alltäglichen klinischen Praxis manche dieser aus dem Erwachsenenbereich stammenden Erkenntnisse zu bestätigen scheinen, sind methodisch saubere klinische Studien notwendig, bevor evidenzbasierte Empfehlungen zur pharmakotherapeutischen Behandlung von Jugendlichen mit Persönlichkeitsstörungen gegeben werden können. Solange diese nicht existieren, sollte man mit dem Einsatz von Psychopharmaka bei diesem Störungsbild und dieser Altersgruppe sehr zurückhaltend sein und vor allem Polypharmazie so weit wie möglich vermeiden.

Prognose

Die Psychopathologie der Borderline-Persönlichkeitsstörung kann zu einem Teufelskreis führen, der das Bewältigen der im Jugendalter anstehenden Entwicklungsaufgaben (z. B. Schul- und Ausbildungsabschluss, Loslösung von der Primärfamilie, Ausbau der freundschaftlichen Beziehungen, Aufnahme intimer Beziehungen, Entwicklung der sexuellen Identität) erschwert oder verhindert und somit das Finden einer adäquaten Rolle im Erwachsenenalter beeinträchtigt. Dementsprechend geht eine Borderline-Persönlichkeitsstörung mit negativen Langzeitfolgen wie einem reduzierten physischen und psychischen Wohlbefinden, niedriger Lebensqualität und einem tiefen Funktionsniveau in den Bereichen Selbstwahrnehmung und Selbstfürsorge, Autonomie, Mobilität und Aktivität, Beziehungen zu Gleichaltrigen, Familienleben sowie soziale Unterstützung und Akzeptanz (Kaess et al. 2014) einher. Jugendliche mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung weisen größere Funktionseinschränkungen auf als Jugendliche mit einer anderen Persönlichkeitsstörung, mit einer anderen psychischen Störung oder ohne Psychopathologie (Chanen et al. 2007; Kaess et al. 2013a, 2017b). Beispielsweise sind junge Erwachsene, welche bereits im Jugendalter an einer Borderline-Persönlichkeitsstörung erkrankten, 22-mal häufiger arbeitslos und leben bis zu 15-mal häufiger von einer Rente als junge Erwachsene ohne Borderline-Persönlichkeitsstörung (Hastrup et al. 2020). Auch wenn bei einem großen Prozentsatz der betroffenen Personen im Verlauf des Lebens eine Remission der Borderline-Persönlichkeitsstörung eintritt, bleiben eine verzerrte Selbstwahrnehmung und Beeinträchtigungen in den sozialen Fertigkeiten wie auch psychosoziale Einschränkungen oftmals über Jahre hinweg bestehen (Chanen et al. 2008).
Die Initiativen zur Früherkennung und Frühintervention bei psychiatrischen Erkrankungen orientieren sich stark an den Erfahrungen und der Empirie aus der modernen Krebsbehandlung. In den vergangenen Jahrzehnten sind für viele Krebserkrankungen sowohl die Heilungs- als auch die Überlebensraten dramatisch gestiegen (Allemani et al. 2014). Neben verbesserten Therapien stellt die Früherkennung und -intervention einen der wesentlichen Faktoren dieser Entwicklung dar. Dieses Prinzip hat sich derart bewährt, dass es inzwischen auch in den meisten anderen medizinischen Bereichen Anwendung findet. Das Problem von schwerwiegenden Langzeitfolgen und irreversiblen Schädigungen besteht auch bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung, und die Antwort auf dieses Problem liegt im zunehmenden Trend zur Früherkennung und Frühintervention. Auch wenn die Datenlage hierzu noch nicht ausreichend lange Nachuntersuchungszeiträume beinhaltet, so lässt die Forschung der letzten beiden Jahrzehnte darauf schließen, dass zumindest die Borderline-Persönlichkeitsstörung früh erkannt und auch durch Frühbehandlung sehr gut verbessert werden kann. Derzeit wird davon ausgegangen, dass sich die Prognose – analog zu vielen anderen Erkrankungen – mit der Frühzeitigkeit der Behandlung deutlich verbessern lässt.
Im Idealfall sollte eine Frühintervention in einer raschen Abnahme der Symptomatik sowie in einer Remission der Erkrankung enden. Dies ist natürlich bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung nicht in kurzer Zeit zu erreichen, da die Symptomatik oftmals einen nicht klar definierbaren Beginn und daher auch kein klar definierbares Ende hat. Auch wenn eine schnelle Remission, wie es sie etwa bei psychotischen Ersterkrankungen gibt, bei dieser Patientengruppe nicht leicht zu erreichen sein wird, so zeigen Therapiestudien bei Erwachsenen wie Jugendlichen, dass eine deutliche Verringerung der Symptomatik (Schmeck et al. 2023) und somit auch Verkürzung der Erkrankungsdauer erreicht werden kann (Gunderson et al. 2011; Zanarini et al. 2012). Diese Verkürzung wiederum beinhaltet das Potenzial zur Verringerung sekundärer Folgeschäden, wie z. B.
  • kumulative traumatische Erlebnisse,
  • iatrogene Schädigungen,
  • rezidivierende, komorbide Störungen,
  • Borderline-Persönlichkeitsstörung-assoziierter Verlust des Funktionsniveaus.
Diese Aspekte können durch adäquate, frühzeitige Diagnosestellung und Einleitung der entsprechenden Interventionen mit relativ hohen Wahrscheinlichkeiten reduziert oder gar verhindert werden.

Fazit

Seit einigen Jahren rücken Persönlichkeitsstörungen im Jugendalter stärker in den Fokus von klinisch und wissenschaftlich tätigen Kinder- und Jugendpsychiatern und -psychotherapeuten. Dies wird sich voraussichtlich weiter verstärken, wenn mit der Einführung der ICD-11 die Altersgrenze zur Diagnose von Persönlichkeitsstörungen aufgehoben wird, sodass der Früherkennung und Frühintervention dieses Störungsbilds der notwendige Stellenwert eingeräumt werden sollte, um eine Chronifizierung und die damit verbundenen langfristigen Beeinträchtigungen des psychosozialen Funktionsniveaus zu verhindern. Es stehen inzwischen ausreichend viele auf ihre Wirksamkeit überprüfte Behandlungsverfahren sowohl aus dem verhaltenstherapeutischen als auch dem psychodynamischen Bereich zur Verfügung, um frühzeitig intervenieren zu können, wobei dem Stepped-care-Gedanken einer abgestuften Behandlungsintensität je nach Schweregrad der Erkrankung Rechnung getragen werden sollte, um die begrenzten Ressourcen adäquat zu verteilen. Wie bei der Behandlung von Persönlichkeitsstörungen im Erwachsenenalter haben auch im Jugendalter psychotherapeutische Verfahren den Vorrang vor pharmakotherapeutischen Behandlungsansätzen, die nur eine sehr geringe Evidenz aufweisen und in der Regel nur zur Behandlung von komorbiden Störungen indiziert sind.
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