Die zentralen Befunde im Bereich der Neurobiologie zeigen einen deutlichen Einfluss von traumatischen Ereignissen auf zentrale, stressverarbeitende Systeme im menschlichen Körper. Prinzipiell ist festzuhalten, dass die physiologische Stressreaktion des Menschen letzten Endes darauf abzielt, in Momenten erhöhter Anforderungen oder auch Bedrohungen den Körper optimal auf eine Reaktion (Angriff oder Flucht) vorzubereiten. Es kommt bei einer wahrgenommenen Bedrohung zu einer Ausschüttung von Corticotropin Releasing Factor (CRF) aus dem Hypothalamus. Dadurch wird die Hypophyse stimuliert, die ihrerseits Adrenocorticotropes Hormon (ACTH) ausschüttet. In weiterer Folge werden die Nebennierenrinden zur Ausschüttung von
Glukokortikoiden stimuliert. Im Rahmen einer negativen Feedbackschleife kommt es durch das ausgeschüttete
Kortisol zu einer Regulation dieser „Stressachse“ (Bailey et al.
2013; Sherin und Nemeroff
2011). Für Patientinnen und Patienten mit einer
Posttraumatischen Belastungsstörung konnte eine Veränderung in dieser Regulationsschleife gezeigt werden. Diese Veränderung stressverarbeitender Prozesse, die unter anderem auch mit genetischen Polymorphismen und einer damit einhergehenden erhöhten Vulnerabilität verbunden sein kann, die ebenfalls zentrale Mechanismen in der Stressachse betreffen, konnte mit der begleitenden Symptomatik etwa bei weiteren Stressbelastungen, in Verbindung gebracht werden. Versteht man diese „Stressachse“ im Zusammenhang mit neuronalen Aktivierungen, so kann festgehalten werden, dass insbesondere auch durch eine Amygdala-Aktivierung eine erhöhte Ausschüttung von CRF stattfinden kann. So findet sich auch als häufiger Befund in Studien mit funktioneller Magnetresonanztomografie eine Überaktivierung im Sinne einer Hyperresponsivität limbischer Strukturen (vor allem in der Amygdala und dem anterioren cinguläreren Kortex) (Hart und Rubia
2012). Eine ebenso häufig in Studien bei Erwachsenen gezeigte Auffälligkeit betrifft eine Volumenreduktion im Hippocampus bei Vorliegen einer
Posttraumatischen Belastungsstörung. Die Literaturlage hierzu ist bei Kinder und Jugendlichen begrenzt. Prinzipiell ist auch festzuhalten, dass eine Aktivierung dieser „Stressachse“ auch inflammatorische Parameter betrifft. So konnte gezeigt werden, dass es zu einem Anstieg von
Interleukinen (vor allem IL-1 β und IL-6), vor allem nach multiplen Traumatisierungen kommt. Diverse Studien zeigen auch einen Zusammenhang zwischen einer erhöhten inflammatorischen Ausgangslage und dem Respondieren auf akute traumatische Ereignisse. Die sich stetig weiterentwickelnde Literatur zu den neurobiologischen Grundlagen der Posttraumatischen Belastungsstörung macht deutlich, dass es sich ähnlich wie bei körperlichen Reaktionen auf eine bedrohliche Situation, um eine Aktivierung eines körpereigenen „Alarmsystems“ handeln dürfte. So wurde von Weis et al. (
2022) auf die Gemeinsamkeit der körperlichen Antwort bei einer akuten psychologischen Traumatisierung und bei einem
Schädel-Hirn-Trauma hingewiesen. Bei beiden kommt es zu einer exzessiven Glukokortikoid-Ausschüttung, die auch eine exzessive glutamaterge Aktivität nach sich zieht. Vor allem im Zusammenspiel des präfrontalen Kortex mit subkortikalen Regionen zeigt sich in der Folge eine schlechtere kortikale Kontrolle subkortikaler Strukturen, die im Bereich der Psychiatrie auch in Zusammenhang mit den gesehenen Symptomen einer Posttraumatischen Belastungsstörung gebracht werden kann. Letzten Endes wird von Weis et al. (
2022) auch darauf hingewiesen, dass aufgrund der zugrunde liegenden neurobiologischen Prozesse Fähigkeiten in der Emotionsregulation sowohl bei traumatischen Schädelverletzungen wie auch bei den Posttraumatischen Belastungsstörungen wesentliches Therapieziel sein können. Auch wenn die beschriebenen Mechanismen vor allem bei der Posttraumatischen Belastungsstörung beforscht wurden, so sind doch in Bezug auf die
Akute Belastungsreaktion die Abläufe der Stressreaktion auf bedrohliche Situationen in der Außenwelt relevant und können in der
Psychoedukation ihren Platz finden. Dabei ist es wichtig zu betonen, dass die gemachten Erfahrungen körperlicher Prozesse Ausdruck einer Alarmreaktion des Körpers sind, die Betroffene in die Lage versetzen potenzielle Gefahren abzuwehren und daher für sich genommen ihren Sinn haben. Durch diese Darstellung soll auch eine frühzeitige Pathologisierung dieser Reaktionen vermieden werden.