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Akute Belastungsstörungen im Kindes- und Jugendalter

Verfasst von: Paul L. Plener
Die Akute Belastungsreaktion wird als schnell einsetzende Symptomatik durch akute psychische Belastung und/oder eine bedrohlichen Situation verstanden. Die diagnostischen Kriterien sind vergleichbar mit den Kriterien der Posttraumatischen Belastungsstörung und umfassen Vermeidungsverhalten, Symptome des Wiedererlebens und des Hyperarousals, auch wenn der Zeitverlauf ein anderer ist. Die Akute Belastungsreaktion stellt sich dabei als zeitlich begrenztes Ereignis dar, das auch nicht zwangsläufig in eine Posttraumatische Belastungsstörung übergehen muss. In der Intervention ist es dabei wichtig dafür Sorge zu tragen, dass das Kind oder die Jugendlichen zunächst in Sicherheit vor weiteren Bedrohungen ist. Auch der Psychoedukation kommt ein großer Stellenwert zu, im Sinne einer Entpathologisierung an sich physiologischer Mechanismen einer Alarmreaktion. Aufgrund der zeitlichen begrenzten Dauer mit einer häufig erfolgenden Abnahme von Belastungsreaktionen nach potenziell traumatischen Ereignissen kann bei einer begrenzten Symptomlage zunächst ein „watchful waiting“ erfolgen. Bei schwerer Symptomatik, ebenso wie bei einer Symptompersistenz sind traumatherapeutische Interventionen angezeigt, wobei die höchste Evidenz für die Anwendung der Traumafokussierten kognitiven Verhaltenstherapie (Tf-KVT) besteht.

Diagnostische Einordnung und Symptomatik

In der ICD-10 (WHO 2004) findet sich die Akute Belastungsreaktion (F43.0) in Kapitel F43 (Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen) und reiht sich damit bei den psychischen Erkrankungen ein, die auf einen klar benennbaren Auslöser zurückzuführen sind. Bei der Akuten Belastungsreaktion handelt es sich um eine vorübergehende Störung von beträchtlichem Schweregrad bei psychisch nicht manifest beeinträchtigten Menschen wobei darauf verwiesen wird, dass diese als Reaktion auf eine außergewöhnliche körperliche oder seelische Belastung entwickelt wird. Als traumatisch könne Ereignisse bezeichnet werden „die eine außergewöhnliche Belastung oder extreme Bedrohung darstellen, die den tatsächlichen oder drohenden Tod oder eine ernsthafte Verletzung umfasst.“ (DEGPT 2019, S. 6). Es wird darauf hingewiesen, dass die Akute Belastungsreaktion im Allgemeinen innerhalb von Stunden oder Tagen abklingen soll. Als Kriterien einer Akuten Belastungsreaktion werden das Vorliegen einer außergewöhnlichen physischen oder psychischen Belastung mit unmittelbar danach folgendem Symptombeginn definiert. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass das auslösende Ereignis einen besonders hohen Schweregrad hat, der vergleichbar mit dem auslösenden Ereignis bei einer Posttraumatischen Belastungsstörung verstanden werden kann. Es wird eine Schweregradeinteilung je nach Vorliegen von Symptomen vorgenommen. Hier wird einerseits auf die vegetativen Symptome verwiesen wie etwa Schweißausbrüche, Atembeschwerden, Schwindelgefühle, Angst vor Kontrollverlust oder eine Angst zu sterben, Muskelverspannungen, Konzentrationsschwierigkeiten oder Hitzegefühle. In einer zweiten Symptomgruppe werden weitere Symptome definiert, die vor allem bei mittelgradigen oder schwergradigen Akuten Belastungsreaktionen zu finden sind. Hier findet sich der Rückzug von erwarteten sozialen Interaktionen, eine Einengung der Aufmerksamkeit, eine offensichtliche Desorientierung, oder verbale Aggression, Verzweiflung oder Hoffnungslosigkeit, unangemessene oder sinnlose Überaktivität sowie unkontrollierbare und außergewöhnliche Trauer, die je nach den kulturellen Normen beurteilt werden soll. Es wird auch darauf hingewiesen, dass die Symptome höchstens nach 48 h beginnen nachzulassen.
Im DSM-5 (APA 2013) findet sich ein ähnliches Konstrukt im Sinne der „acute stress disorder“ (308.3) im Unterkapitel trauma- und stressbezogene Störungsbilder. Auch hier wird auf das Vorhandensein eines potenziell traumatischen Ereignisses als Grundvoraussetzung hingewiesen, wobei dieses entweder direkt selbst erlebt wurde oder aber als Zeuge erlebt wurde. Ebenso zulässig ist als Ausgangskriterium das Erfahren von bedrohlichen Ereignissen, die einem engen Familienmitglied oder engen Freund zugestoßen sind, oder aber auch das Ausgesetztsein gegenüber verschiedenen Aspekten traumatischer Ereignisse wie etwa im Bereich der Einsatzhelfer bei Unfällen. In Bezug auf Kinder wird darauf hingewiesen, dass sexuelle Traumatisierungen auch unpassende sexuelle Erfahrungen (auch ohne Verletzung oder Gewalt) inkludieren können. Zur Abgrenzung wird im DSM-5 darauf verwiesen, dass belastende Erfahrungen, die nicht den schwerwiegenden oder traumatischen Charakter haben, der im Rahmen einer Akuten Belastungsreaktion gefordert wird, im Bereich der Anpassungsstörungen kodiert werden können. Es wird hier das Vorliegen von neun oder mehr Symptomen innerhalb von fünf Unterkategorien (Intrusionen, negativer Affekt, dissoziative Symptome, Vermeidungssymptome, Arousal-Symptome) verlangt, wobei die Zeitdauer des Vorliegens der Symptome hier länger als in der ICD-10 veranschlagt ist. Hier wird darauf verwiesen, dass die Symptome mindestens drei Tage bis zu einem Monat vorhalten und auch direkt nach dem Ereignis einsetzen können. Bezogen auf das Symptombild bei jüngeren Kindern wird darauf hingewiesen, dass Re-Inszenierungen des traumatischen Geschehens auch im Spiel auftreten können und mitunter auch dissoziative Momente aufweisen können. Es finden sich hier also diagnostische Elemente des Wiedererlebens, der Vermeidung und des Hyper-Arousals, die sich auch bei der Posttraumatische Belastungsstörung beschreiben lassen, auch wenn der Zeitlauf der Symptome ein anderer sein kann.
Symptome einer Akuten Belastungsreaktion (nach APA 2013)
  • Wiedererleben, Flashbacks
  • Intrusive Erinnerungen
  • Alpträume
  • Dissoziative Zustände
  • Unfähigkeit positive Emotionen zu fühlen
  • Unfähigkeit Aspekte des Traumas zu erinnern
  • Vermeidung von Trauma-Stimuli/Trigger
  • Vermeidung über Trauma zu sprechen
  • Aggressives Verhalten bei kleinen Auslösern
  • Erhöhte Wahrnehmung potenzieller Gefahren
  • Konzentrationsschwierigkeiten
Bei Minderjährigen könne sich Symptome nach einem traumatischen Ereignis auch je nach dem Entwicklungsstand anders darstellen. So können im Kleinkindalter erhöhte Trennungsangst, aggressives Verhalten und ein verzögerter Erwerb neuer Fertigkeiten beobachtet werden, während man bei Vorschulkindern Selbstbeschuldigungen, magisches Denken und Katastrophisierungen antreffen kann und sich bei Schulkindern und Jugendlichen Ängste vor Ausgrenzung durch die Gleichaltrigengruppe, eine Beeinträchtigung der altersadäquaten Autonomiebestrebungen und Störungen des Sozialverhaltens finden lassen (DEGPT 2019).
In der ICD-11 (WHO 2020) findet sich die Akute Stressreaktion (QE84), wobei die Systematik vergleichbar mit der Betrachtungsweise im DSM-5 ist. Auch hier wird die Diagnose einer größeren Kategoriengruppe von Belastungen ausgelöst durch traumatische Ereignisse zugeordnet. Auch hier wird darauf hingewiesen, dass nach einer Situation, die von Betroffenen als extrem bedrohlich erlebt wurde, eine vorübergehende emotionale, somatische und kognitive Symptomatik zu finden ist, die sich ebenso auf der Verhaltensebene zeigt. Ebenso wird darauf verwiesen, dass das Vorhandensein der Symptomatik auf wenige Tage limitiert ist, ohne dass hier konkrete Angaben über die Zeitdauer gemacht werden. Auch hier ist die Zeugenschaft einer Bedrohung oder auch der Moment, in dem man vom unerwarteten Tod einer nahestehenden Person erfährt, als potenzieller Auslöser benannt. Als mögliche Symptome werden Verwirrung, Trauer, Angst, Wut, Verzweiflung, Überaktivität, Inaktivität, Rückzug, Amnesie, Depersonalisation, Derealisation oder Stupor genannt, sowie auch auf eine mögliche vegetative Symptomatik im Sinne einer Angstsymptomatik (Schwitzen, etc.) hingewiesen. In Bezug auf die Symptompräsentation bei Kindern wird die Möglichkeit, dass sich Symptome auf der Ebene somatischer Probleme (wie Bauch- oder Kopfschmerzen) äußern erwähnt, aber auch darauf hingewiesen, dass sich auch mitunter disruptive, oppositionellen Verhaltensweisen finden lassen, die als Hyperaktivität, Wutanfälle, Konzentrationsprobleme, Gereiztheit, Rückzug, exzessives Tagträumen, Klammern, Einnässen und Schlafstörungen imponieren können. Hinsichtlich der Symptomatik bei Jugendlichen wird darauf verwiesen, dass auch verschiedene Formen von Risikoverhalten und der Gebrauch von Substanzen zu den Symptomen zählen können.

Differenzialdiagnose

Posttraumatische Belastungsstörung

Die Symptomatik der beiden Störungsbilder kann deckungsgleich sein, sodass die Unterscheidung letztlich nur über das Zeitkriterium zu treffen ist (im DSM-5: Symptompersistenz über oder unter einem Monat), Etwa die Hälfte der an einer Posttraumatischen Belastungsstörung Erkrankten haben diese auf der Basis einer vorbestehenden Akuten Belastungsreaktion entwickelt (APA 2013).

Zwangsstörung

Auch wenn Zwangsgedanken als intrusiv erlebt werden können, so fehlt hier doch der Bezug zu einem traumatischen Geschehen und auch andere Kriterien der Akuten Belastungsreaktion finden sich ebenfalls nicht.

Panikstörung

Auch wenn spontane Panikattacken im Rahmen einer Akuten Belastungsstörung auftreten können, sollte die Diagnose einer Panikstörung vergeben werden, wenn die Panikattacken unerwartet auftreten und es auch aufgrund von Befürchtungen um zukünftige Panikattacken zu Verhaltensänderungen kommt.

Anpassungsstörung

Auch bei der Anpassungsstörung wird ein Konnex zu einem auslösenden Ereignis hergestellt, allerdings wird darauf hingewiesen, dass der Auslöser bei einer Anpassungsstörung nicht den Schwergrad eines traumatischen Ereignisses erreichen muss, wie er bei der Akuten Belastungsreaktion gefordert wird. So kann eine Anpassungsstörung etwa auch bei Krisen, lebensverändernden Umständen oder belastenden Lebensereignissen auftreten.

Epidemiologie

Das Erleben potenziell traumatischer Ereignisse während der Lebensspanne ist relativ häufig und die Prävalenz dürfte hier bei etwas über 70 % liegen. Dabei ist die Art des potenziell traumatischen Ereignisses von großer Bedeutung, Während interpersonelle Ereignisse eine Akute Belastungsreaktion in 20–50 % der Fälle auslösen dürften, ist die Rate mit 20 % bei Ereignissen, die keinen interpersonellen Charakter aufweisen, deutlich geringer (Geoffrion et al. 2022). Für den deutschsprachigen Raum wurde von Maercker et al. (2008) aufgezeigt, dass 28 % der Frauen und 21 % der Männer in ihrem Leben ein potenziell traumatisches Ereignis durchlebt hatten. In einer aktuellen Meta-Analyse wurde eine generelle Häufigkeit der Akuten Belastungsreaktion von 20 % nach potenziell traumatischen Ereignissen beschrieben, wobei die Raten von 14 % (kriegsbezogene Traumata), über 16 % (Unfälle), 21 % (lebensbedrohliche Erkrankungen), 22 % (Naturkatastrophen) zu 36 % (interpersonelle Traumata) variierten. Vor allem potenziell traumatische Ereignisse, die mit Vorsatz von anderen Menschen begangen wurden, zeigten höhere Raten an Akuten Belastungsreaktionen (Geoffrion et al. 2022). Beschäftigt man sich mit dem Verlauf der Symptomatik und der weiteren Entwicklung einer Posttraumatischen Belastungsstörung, so konnte in einer Meta-Analyse zum Verlauf der Symptomatik einer Posttraumatischen Belastungsstörung bei Minderjährigen festgehalten werden, dass im Zeitraum von einem bis zu sechs Monaten nach einem traumatischen Ereignis die Prävalenz einer Posttraumatischen Belastungsstörung um die Hälfte reduziert wird. Erst nach Erreichen der 6-Monats-Marke nach Eintritt eines traumatischen Ereignisses zeigen sich nur mehr geringe Abnahmen einer bestehenden Symptomatik (Hiller et al. 2016). Während im ersten Monat 21 % die Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung aufwiesen, waren es nach drei Monaten 15 % und nach sechs Monaten 12 %, eine Prävalenzrate, die auch ein Jahr nach dem traumatischen Ereignis mit 11 % relativ konstant blieb (Hiller et al. 2016). So kann festgehalten werden, dass es vor allem in der ersten Zeit nach einem potenziell traumatischen Ereignis zu einer deutlichen Abnahme der Symptomatik kommt, was in weiterer Folge auch bei der Intervention bei einer Akuten Belastungsreaktion Bedeutung zukommt.

Neurobiologische Grundlagen

Die zentralen Befunde im Bereich der Neurobiologie zeigen einen deutlichen Einfluss von traumatischen Ereignissen auf zentrale, stressverarbeitende Systeme im menschlichen Körper. Prinzipiell ist festzuhalten, dass die physiologische Stressreaktion des Menschen letzten Endes darauf abzielt, in Momenten erhöhter Anforderungen oder auch Bedrohungen den Körper optimal auf eine Reaktion (Angriff oder Flucht) vorzubereiten. Es kommt bei einer wahrgenommenen Bedrohung zu einer Ausschüttung von Corticotropin Releasing Factor (CRF) aus dem Hypothalamus. Dadurch wird die Hypophyse stimuliert, die ihrerseits Adrenocorticotropes Hormon (ACTH) ausschüttet. In weiterer Folge werden die Nebennierenrinden zur Ausschüttung von Glukokortikoiden stimuliert. Im Rahmen einer negativen Feedbackschleife kommt es durch das ausgeschüttete Kortisol zu einer Regulation dieser „Stressachse“ (Bailey et al. 2013; Sherin und Nemeroff 2011). Für Patientinnen und Patienten mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung konnte eine Veränderung in dieser Regulationsschleife gezeigt werden. Diese Veränderung stressverarbeitender Prozesse, die unter anderem auch mit genetischen Polymorphismen und einer damit einhergehenden erhöhten Vulnerabilität verbunden sein kann, die ebenfalls zentrale Mechanismen in der Stressachse betreffen, konnte mit der begleitenden Symptomatik etwa bei weiteren Stressbelastungen, in Verbindung gebracht werden. Versteht man diese „Stressachse“ im Zusammenhang mit neuronalen Aktivierungen, so kann festgehalten werden, dass insbesondere auch durch eine Amygdala-Aktivierung eine erhöhte Ausschüttung von CRF stattfinden kann. So findet sich auch als häufiger Befund in Studien mit funktioneller Magnetresonanztomografie eine Überaktivierung im Sinne einer Hyperresponsivität limbischer Strukturen (vor allem in der Amygdala und dem anterioren cinguläreren Kortex) (Hart und Rubia 2012). Eine ebenso häufig in Studien bei Erwachsenen gezeigte Auffälligkeit betrifft eine Volumenreduktion im Hippocampus bei Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Die Literaturlage hierzu ist bei Kinder und Jugendlichen begrenzt. Prinzipiell ist auch festzuhalten, dass eine Aktivierung dieser „Stressachse“ auch inflammatorische Parameter betrifft. So konnte gezeigt werden, dass es zu einem Anstieg von Interleukinen (vor allem IL-1 β und IL-6), vor allem nach multiplen Traumatisierungen kommt. Diverse Studien zeigen auch einen Zusammenhang zwischen einer erhöhten inflammatorischen Ausgangslage und dem Respondieren auf akute traumatische Ereignisse. Die sich stetig weiterentwickelnde Literatur zu den neurobiologischen Grundlagen der Posttraumatischen Belastungsstörung macht deutlich, dass es sich ähnlich wie bei körperlichen Reaktionen auf eine bedrohliche Situation, um eine Aktivierung eines körpereigenen „Alarmsystems“ handeln dürfte. So wurde von Weis et al. (2022) auf die Gemeinsamkeit der körperlichen Antwort bei einer akuten psychologischen Traumatisierung und bei einem Schädel-Hirn-Trauma hingewiesen. Bei beiden kommt es zu einer exzessiven Glukokortikoid-Ausschüttung, die auch eine exzessive glutamaterge Aktivität nach sich zieht. Vor allem im Zusammenspiel des präfrontalen Kortex mit subkortikalen Regionen zeigt sich in der Folge eine schlechtere kortikale Kontrolle subkortikaler Strukturen, die im Bereich der Psychiatrie auch in Zusammenhang mit den gesehenen Symptomen einer Posttraumatischen Belastungsstörung gebracht werden kann. Letzten Endes wird von Weis et al. (2022) auch darauf hingewiesen, dass aufgrund der zugrunde liegenden neurobiologischen Prozesse Fähigkeiten in der Emotionsregulation sowohl bei traumatischen Schädelverletzungen wie auch bei den Posttraumatischen Belastungsstörungen wesentliches Therapieziel sein können. Auch wenn die beschriebenen Mechanismen vor allem bei der Posttraumatischen Belastungsstörung beforscht wurden, so sind doch in Bezug auf die Akute Belastungsreaktion die Abläufe der Stressreaktion auf bedrohliche Situationen in der Außenwelt relevant und können in der Psychoedukation ihren Platz finden. Dabei ist es wichtig zu betonen, dass die gemachten Erfahrungen körperlicher Prozesse Ausdruck einer Alarmreaktion des Körpers sind, die Betroffene in die Lage versetzen potenzielle Gefahren abzuwehren und daher für sich genommen ihren Sinn haben. Durch diese Darstellung soll auch eine frühzeitige Pathologisierung dieser Reaktionen vermieden werden.

Potenzielle längerfristige Folgen von traumatischen Ereignissen

Traumatische Ereignisse, die direkt im Nachgang zum erlebten Geschehen zunächst als Akute Belastungsreaktion imponieren können, können auch das Potenzial besitzen zu längerfristigen Veränderungen zu führen. Hierbei ist es wesentlich zu betonen, dass aufgrund der Akuten Belastungsreaktion noch keine Aussage über den weiteren Verlauf getroffen werden kann, da sich etwaige spätere Folgen erst über die Zeit manifestieren. Dennoch gilt es bezüglich nachfolgender Prozesse wachsam zu sein und gegebenenfalls früh zu intervenieren. Aufgrund der vorbeschriebenen Eingriffe in zentrale neurobiologische Systeme der Stressverarbeitung erklärt sich letzten Endes auch, warum man im Bereich der Posttraumatischen Belastungsstörung häufig eine Vielzahl an komorbiden psychischen Erkrankungen beschreiben kann. So werden als mögliche komorbide Störungsbilder affektive Erkrankungen, ebenso wie Störungsbilder im Zusammenhang mit externalisierenden Verhalten beschrieben, ebenso wie Substanzmissbrauch und Suizidalität. Diese kann man auch vor dem Hintergrund einer längeren Symptomdauer im Vergleich zur Akuten Belastungsreaktion sehen. Auch bei dieser können sich Veränderungen im affektiven Zustand, ebenso wie eine erhöhte Reizbarkeit oder Aggressivität als Symptome beobachten lassen, die dann im Rahmen der Posttraumatischen Belastungsstörung in einem chronifizierten Stadium im Störungsrang anzutreffen sind. Auch entsprechende große systematische Überblicksarbeiten zeigen deutlich den Zusammenhang, vor allem den Zusammenhang mit frühkindlichen Traumatisierungen und Depressionen, Angststörungen, Essstörungen, Drogenkonsum und Suizidversuchen (Normann et al. 2012). Daneben muss aber auch betont werden, dass frühe belastende Kindheitserlebnisse auch zu einem erhöhten Auftreten von körperlichen Erkrankungen führen können. Von Felitti und Kollegen (1998) wurde hier etwa ein erhöhtes Risiko für chronische Bronchitis oder Emphyseme berichtet, ebenso wie ein erhöhtes Risiko für Schlaganfälle oder andere kardiovaskuläre Erkrankungen. In einer Meta-Analyse von Wegman und Stetler (2009) zeigte sich ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, Atemwegserkrankungen und neurologische Symptome. Auch diese Befunde auf einer körperlichen Ebene können als Ausdruck des Zusammenspiels zwischen Körper und Seele im Sinne einer generellen Alarmreaktion des Menschen bei Bedrohung interpretiert werden.

Diagnostik

Da im Rahmen der Akuten Belastungsreaktion definitionsgemäß das auslösende Ereignis in relativer zeitlicher Nähe zur beobachteten Symptomatik stattgefunden hat, ist gerade hier bezüglich der Diagnostik zunächst der Sicherheitsaspekt zu betonen. Das heißt, dass zunächst daran gedacht werden muss, dass das Kind oder der Jugendliche keiner weiteren Gefährdung ausgesetzt wird. Dies gilt vor allem bei körperlicher und/oder sexueller Gewalt, der Kinder ausgesetzt waren, wobei vor allem die im häuslichen Rahmen erlebte Gewalt oft die Frage aufwirft, wie die Sicherheit gewährleistet werden kann, etwa wenn Täter:innen weiter Zugang zur Wohnung haben. Auch ist auf etwaige körperliche Verletzungen oder Intoxikationen zu achten, ebenso wie auf Selbst- oder Fremdgefährdung (DEGPT 2019). Als Risikofaktoren für einen schlechteren Verlauf konnten hier eine als hoch wahrgenommene Bedrohung, Selbstaufgabe der Betroffenen, Verletzungen, anhaltende Schmerzen, eigene Schuldzuweisungen und Scham der Betroffenen, ebenso wie frühere traumatische und psychische Belastungen in der Lebensgeschichte identifiziert werden (DEGPT 2019).
In der Frühdiagnostik können Screening-Instrumente wie Trauma-Checklisten unterstützend sein, wobei Symptomlisten in den ersten Tagen eher zurückhaltend interpretiert werden sollen. Als ein Screening-Instrument für traumatische Ereignisse, das auch im deutschen Sprachraum frei verfügbar zum Download bereitsteht, kann der Child and Adolescent Trauma Screen 2 (CATS-2) genannt werden (Sachser et al. 2022). In der klinischen Diagnostik soll auf intrusive Gedanken und Erinnerungen, Hyperarousal-Symptome, Schreckhaftigkeit, Reizbarkeit, Wutausbrüche und Aggressivität, ebenso wie auch auf Konzentrationsstörungen, Stupor, psychotisches Erleben, Derealisation und Depersonalisationsphänomene geachtet werden. Ebenso soll ein Augenmerk auf Rückzugs- und Vermeidungsverhalten, Änderungen in affektiven Reaktionen und emotionale Taubheit gelegt werden. Hinsichtlich der Symptomatik bei Minderjährigen wird darauf verwiesen, dass diese dieselben Symptome wie Erwachsene aufweisen können, jedoch auch alters- und entwicklungsabhängig der Verlust bereits erworbener Fertigkeiten auftreten kann (DEGPT 2019).
Ersteinschätzung nach potenziell traumatischen Ereignissen (nach DEGPT 2019)
  • Besteht die Fähigkeit zur Kontaktaufnahme?
  • Bestehen Störungen zentraler psychischer Funktionen (Bewusstsein, Orientierung Wahrnehmung, Psychomotorik, psychovegetative Funktionen, Affekt, Sprache)?
  • Besteht akute Eigen- oder Fremdgefährdung?
  • Besteht ein Risiko für selbstschädigendes Verhalten oder Substanzmissbrauch?
  • Lassen während des Erstkontakts oder bei Wiedervorstellung Erregung, Dissoziation und emotionale Belastung im Zeitverlauf nach und nimmt die Distanzierungsfähigkeit zum Traumageschehen zu?

Interventionen bei akuter Traumatisierung

In der Akutphase nach einem potenziell traumatischen Ereignis sollen Betroffene das Angebot für psychosoziale Unterstützung ebenso wie Psychoedukation über typische posttraumatische Reaktionen erhalten, die auch dazu dienen sollen die Symptomatik zu entpathologisieren. Die Erstintervention soll dabei Beruhigen und Entlasten, die Selbstwirksamkeit ebenso wie soziale Anbindung und Kontaktaufnahme fördern (DEGPT 2019). Daran anschließend soll eine Validierung des erlittenen Leids, sowie die Arbeit an verzerret Kognitionen, wie z. B. Schuld, begonnen werden und Stressbewältigungs- ebenso wie Problemlösestrategien vermittelt werden (DEGPT 2019) (Abb. 1).
Als wichtige Grundzüge der Akutintervention im Kindes- und Jugendalter können ein unverzüglicher Beginn, eine Kontakt- und Beziehungsaufnahme, die Vermittlung von Sicherheit, Orientierung und Information, die Vermittlung weitergehender Hilfsangebote und der Schutz der Persönlichkeitsrechte vor Medien gesehen werden (DEGPT 2019).
Für den Umgang mit Kindern im Rahmen von Großschadenslagen wurde von Karutz et al. (2018) darauf hingewiesen, dass es prinzipiell darum geht bei Ereignissen, in denen Erwachsene und Kinder gleichermaßen betroffen sind (z. B. Naturkatastrophen) die Kinder im Gesamtgeschehen nicht zu übersehen, während bei Ereignissen, in denen vorrangig Minderjährige betroffen sind (z. B. „school shootings“), die Kinder von vornherein im Zentrum stehen. In Bezug auf die Situation von Minderjährigen nach Großschadensereignissen wurden dabei die folgenden Bedürfnisse identifiziert.
Bedürfnisse von Minderjährigen in Notfalllagen (nach Karutz et al. 2018)
  • Nähe zu Bezugspersonen (körperlich oder zumindest telefonisch)
  • Sicherheit und Geborgenheit
  • Abschirmung vom Notfallgeschehen
  • Verständnis dessen, was passiert ist und nun weiter geschieht
  • Wiederfinden verloren gegangener Gegenstände
  • Sich selbst an der Hilfeleistung beteiligen können
  • Der Wunsch nach Ordnung und Struktur
In Großschadenslagen empfiehlt es sich daher, in einem ersten Schritt die Kinder zu sammeln, wobei Kinder nicht von Bezugspersonen getrennt werden sollen, sofern diese vorhanden sind. Auch können Minderjährige (wenn sie nur weniger schwer betroffen sind) in kleinem Umfang in Hilfeleistungen eingebunden werden, indem man sie zu kleinen Aufgaben einteilt (etwa Getränke verteilen). Auch Minderjährigen sollten Informationen über das Geschehene vermittelt werden und die Prozeduren und Abläufe der Rettungsaktionen erläutert werden. Ebenso sind Kinder von Medienvertreter:innen abzuschirmen und sollen sofern Ressourcen vorhanden sind und ein sicherer Aufenthaltsort geschaffen werden kann auch weg vom Einsatzort gebracht werden. Am Ankunftsort sollen dann Kinderbetreuungsstellen eingerichtet werden, in denen die Kinder beaufsichtigt werden und deren Zutritt auch kontrolliert wird. Dort soll die Wartezeit überbrückt werden, bis möglichst bald ein Kontakt zu Bezugspersonen des Kindes hergestellt werden kann (wenn dies nicht umgehen persönlich erfolgen kann, so soll zumindest ein telefonischer Kontakt hergestellt werden) (Karutz et al. 2018).

Psychotherapie

Aufgrund der häufig rückläufigen Symptomatik nach potenziell traumatischen Ereignissen scheint im ersten Monat nach dem Trauma gerade bei geringer ausgeprägter Symptomatik ein aktives Monitoring („watchful waiting“) vertretbar (NICE 2018). Dabei wird aber dennoch Kontakt gehalten und die Symptomatik regelmäßig re-evaluiert. Bei schwerer Symptomatik sollten allerdings bei Minderjährigen schon innerhalb des ersten Monats aktivere Maßnahme im Sinne einer spezifischen kognitiven Verhaltenstherapie angeboten werden (NICE 2018).
Bei traumatischen Ereignissen, die mehrere Individuen betreffen, (z. B. Großschadensereignisse), wird die Anwendung einer Gruppentherapie im Sinne einer Traumafokussierten Kognitiven Verhaltenstherapie (Tf-KVT) für 7- bis 17-Jährige empfohlen (NICE 2018). Dabei sollte die Gruppenintervention auf einem validierten Manual beruhen, zwischen fünf und 15 Sitzungen haben und nur von ausgebildeten Therapeut:innen unter fortlaufender Supervision durchgeführt werden. Es sollten neben einer allgemeinen Psychoedukation zu Reaktionen nach einem traumatischen Ereignis Strategien zum Umgang mit Übererregung und Flashbacks ebenso wie eine Sicherheitsplanung vermittelt werden. Ebenso sollen Besprechung und Prozessierung von traumatischen Erinnerungen und eine Restrukturierung Trauma-assozziierter kognitiver Verzerrungen erfolgen, ebenso wie Hilfestellungen, um Vermeidungsverhalten zu überwinden (NICE 2018).
Als spezifische Frühintervention, die sich im Bereich akuter Traumatisierung auch im Einzelsetting wirksam erwiesen hat, kann die Tf-KVT empfohlen werden (DEGPT 2019). Auch in einer aktuellen Meta-Analyse wurde die Tf-KVT über alle Altersstufen als Methode der Wahl zur Prävention einer Posttraumatischen Belastungsstörung identifiziert (Bisson und Olff 2021). Auch Hinweise auf die Wirksamkeit schon einer einmaligen Sitzung mit Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR) im Akutkontakt konnten zumindest bei Erwachsenen beschrieben werden, auch wenn hierfür die Evidenz deutlich schwächer scheint (Bisson und Olff 2021). In der Betrachtung der Literatur muss aber darauf hingewiesen werden, dass die Effektivität des Einsatzes von traumatherapeutischen Interventionen wächst, wenn sie nur bei jenen Betroffenen zur Anwendung kommen, die tatsächlich die Symptomatik einer Akuten Belastungsreaktion oder einer Posttraumatischen Belastungsstörung zeigen. So konnte in einer Meta-Analyse über alle Altersgruppen gezeigt werden, dass hier Tf-KVT, EMDR und auch psychotherapeutische Ansätze ohne Exposition wirksam waren, wobei die höchste Wirksamkeit erneut für die Tf-KVT beschrieben wurde (Roberts et al. 2019).
Klassisches Debriefing, im Sinne einer einmaligen Intervention mit Durcharbeiten des Traumas in der Gruppe, sollte unterlassen werden, da dafür Wirksamkeitsbelege trotz häufiger Anwendung in der Vergangenheit weitgehend ausstehen (NICE 2018; DEGPT 2019), In einer Meta-Analyse zur Wirksamkeit von Akutinterventionen bei Kindern und Jugendlichen konnte gezeigt werden, dass Tf-KVT, EMDR und Narrative Expositionstherapie für Kinder (KID-NET) auch bei akuter Anwendung nach einem Massenereignis (teilweise auch in Gruppenansätzen) gute Ergebnisse im Kinder- und Jugendalter erzielen konnten (Brown et al. 2017).
Insgesamt kann also festgehalten werden, dass eine traumatherapeutische Intervention mit traumaspezifischen Therapieverfahren vor allem bei eindeutigen Symptomen einer Akuten Belastungsreaktion im Einzelsetting oder (etwa bei Großschadensereignissen) in der Gruppe angezeigt erscheint, wobei die beste Evidenz für die Anwendung einer Tf-KVT besteht. Sollte die Symptomatik weniger ausgeprägt sein, so kann auch im ersten Monat ein „watchful waiting“ unter wiederkehrender Symptomenkontrolle angezeigt erscheinen.

Psychopharmakologische Interventionen

Auch wenn im Bereich der Akuttraumatisierung auf die fehlende Evidenz für die Wirksamkeit psychopharmakologischer Interventionen hinzuweisen ist (DEGPT 2019), so gibt es doch in der neueren Forschungsliteratur auch vielfach die Idee einer pharmakologischen „Prävention“ der Posttraumatischen Belastungsstörung nach stattgehabtem traumatischen Erleben. Diese im Sinne einer sekundären Prävention zu betrachtenden Maßnahmen beziehen sich vor allem darauf das Moment der Übererregung im Zusammenhang mit dem traumatischen Erlebnis zu begrenzen, sodass es zu keiner Konsolidierung im Sinne von traumatisch erlebten Gedächtnisinhalten kommt. In diesem Zusammenhang wurden vor allem Studien mit Propanolol, Hydrokortison, und Dexamethason durchgeführt (Bisson und Olff 2021; Astill Wright et al. 2019). Ebenso zeigte sich im Erwachsenenalter eine Reduktion von PTBS-Symptomen bei Einsatz von Hydrokortison im präventiven Kontext (Kothgassner et al. 2021; Bisson und Olff 2021; Astill Wright et al. 2019). Auch wenn es sich hier um ein schwer zu beforschendes Gebiet der Psychopharmakotherapie (Akutintervention bei Patientinnen und Patienten nach einer akuten Belastung) handelt, so sind diese Ansätze angesichts des starken neurobiologischen Einflusses im Bereich der Posttraumatischen Belastungsstörung ein interessanter Anknüpfungspunkt für weitere zukünftige Forschungsbestrebungen. Dennoch muss darauf hingewiesen werden, dass keine Evidenz für die Anwendung dieser Substanzen bei Minderjährigen vorliegt und sich die Studienlage zum größten Teil auf Erwachsene bezieht. Ebenso sei darauf hingewiesen, dass vom Einsatz von Benzodiazepinen in der Akutsituation nach einem potenziell traumatischen Ereignis abgeraten wird (DEGPT 2019).
„Beipiel“, Fallgeschichte
Die 16-jährige N. stellt sich nach einem Verkehrsunfall bei einem Kinder- und Jugendpsychiater, den sie bereits aus einer vorherigen Behandlungsepisode aufgrund einer depressiven Erkrankung kennt, vor. Aktueller Anlass der Vorstellung sei ein vor zwei Wochen stattgehabter Verkehrsunfall. Ihr Freund sei dabei mit dem Auto von der Straße abgekommen, sie habe auf dem Beifahrersitz gesessen. Das Auto habe sich überschlagen und einen Totalschaden erlitten, die Patientin und ihr Freund haben das Ereignis ohne nennenswerte körperliche Schädigungen überstanden. Kurz danach sei der Patientin aufgefallen, dass sie Schwierigkeiten habe in ein Auto zu steigen, sie habe das seitdem auch nicht mehr gemacht. Sie nehme bei sich ein Herzrasen sowie Schweißausbrüche wahr. Auch wenn das Lied, das im Autoradio lief, als das Auto von der Straße abgekommen war, plötzlich im Radio zu hören ist, bekomme sie panikartige Zustände. Die Patientin berichtet des Weiteren über deutliche Schlafstörungen, die seit dem Ereignis bestünden, neben der Vermeidung von Autofahrten und dem Anhören des genannten Liedes, berichtet sie auch bei sich eine erhöhte Schreckhaftigkeit bemerkt zu haben, sie sei dauernd „auf dem Sprung“.
Mit der Patientin, zu der bereits aus der Vorbehandlung eine vertrauensvolle therapeutische Beziehungsbasis besteht, wird zunächst eine Psychoedukation zu Posttraumatischer Stresssymptomatik durchgeführt, die zu einer ersten Entlastung führt. Im Anschluss daran werden in einer weiteren Therapiestunde Stabilisierungstechniken erlernt mit einem besonderen Fokus auf Atemtechniken, die auch als therapeutische Hausaufgabe von der Patientin durchgeführt werden sollen. Mit Zustimmung der Patientin und nach Aufklärung über potenzielle negative Therapieauswirkungen wird eine kurzfristige EMDR-Behandlung vereinbart. Dabei wird das Erlebnis des Autounfalls prozessiert, während die Patientin eine bilaterale Stimulation mittels Augenbewegungen durchführt. Bereits nach der ersten Sitzung zeigt sich die Patientin wesentlich erleichtert. Nach der dritten Sitzung berichtet sie bereits wieder als Beifahrerin im Auto mitgefahren zu sein und dies ausgehalten zu haben. In der vierten Sitzung wird die Exposition mit dem im Radio gehörten Lied in vivo durchgeführt. In der fünften Sitzung kann die Behandlung erfolgreich beendet werden.

Fazit

Während potenziell traumatische Ereignisse in der Lebensspanne insgesamt betrachtet kein seltenes Ereignis sind, so zeigt sich doch häufig im Verlauf der ersten Wochen bei vielen Betroffenen eine Verminderung der Belastungssymptomatik im Spontanverlauf. Vor diesem Hintergrund kann ein kontrolliertes Zuwarten im Sinn eines „watchful waitings“ angezeigt sein, vor allem dann, wenn die Symptome einer Akuten Belastungsreaktion nicht besonders stark ausgeprägt sind. Für den Fall einer stärkeren Symptomausprägung oder bei längerer Symptompersistenz empfiehlt sich die Implementierung weiterer Interventionen, wobei es hier seitens der Pharmakotherapie keine Evidenz für die Wirksamkeit spezifischer Substanzen auf die Symptomatik einer Akuten Belastungsreaktion bei Minderjährigen gibt. Bezogen auf die Psychotherapie konnte hier die Effektivität verschiedener traumaspezifischer Verfahren gezeigt werden, wobei die beste Evidenz für die Tf-KVT besteht. Insgesamt ist die Forschungslage auch aufgrund der mitunter schwierigen Möglichkeit im Umfeld akuter Traumatisierung Forschungsprojekte umzusetzen begrenzt, vor allem im Bereich der Erforschung der Effektivität von Akutintervention bei Minderjährigen.
Literatur
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