Skip to main content
Orthopädie und Unfallchirurgie
Info
Publiziert am: 28.07.2023

Morbus Perthes

Verfasst von: Stefanie Adolf, Sebastian Braun und Andrea Meurer
Morbus Perthes bezeichnet die idiopathische Osteonekrose des Hüftkopfes im Wachstumsalter. Diese hat eine multifaktorielle Genese und betrifft in den meisten Fällen eine Seite, kann aber auch bilateral auftreten. Typischerweise sind Kinder im Alter von 5 bis 7 betroffen. Es handelt sich dabei um eine selbstlimitierende Erkrankung, die stadienhaft verläuft und im Allgemeinen in einem Zeitraum von 2–5 Jahren unterschiedliche Verläufe zeigt. Die Therapie des M. Perthes reicht von konservativen Maßnahmen mit Traktionsbehandlung, physiotherapeutischer Verbesserung bzw. Erhalt der Gelenkbeweglichkeit und Belastungsreduktion bis hin zur operativen Therapie mit Korrekturosteotomien des Femurs, des Beckens oder einer Kombination aus beiden zur Wiederherstellung und Verbesserung des Containments des betroffenen Hüftgelenks. In diesem Kapitel werden weiterhin relevante Untersuchungsbefunde und radiologische Klassifikationen vorgestellt, mit deren Hilfe prognostische Risikofaktoren aufgezeigt werden können und die betroffenen Kinder somit der bestmöglichen Therapie zugeführt werden können.

Einleitung

Auch über ein Jahrhundert nach seiner Erstbeschreibung wirft der Morbus Perthes weiterhin viele Fragen auf. Der M. Perthes ist nach der Hüftdysplasie die häufigste Erkrankung des Hüftgelenks im Wachstumsalter. Es handelt sich um eine aseptische Osteonekrose der Epiphyse des proximalen Femurs (Senst 2007).
Die Erkrankung ist selbstlimitierend und verläuft stadienhaft. Der Krankheitsverlauf variiert in einem Zeitraum von 2–5 Jahren und zeigt unterschiedliche Verläufe. Eine kausale Therapie ist nicht möglich, Ziel der Therapie ist das Containment wiederherzustellen, um eine präarthrotische Deformität des Hüftkopfes zu verhindern. In dieser Zeit wird von den jungen Patienten sowie deren Familien und Therapeuten Geduld und Disziplin bezüglich der individuellen Therapie gefordert.

Historie

1895 wurde durch die Entdeckung der Röntgenstrahlen erstmals das Hüftgelenk darstellbar. Die Erstbeschreibung der Pertheserkrankung erfolgte unabhängig voneinander, nahezu zeitgleich durch den Amerikaner Arthur Thornton Legg 1909, den Franzosen Jaques Calvé 1910 sowie dem Deutschen Georg Clemens Perthes innerhalb weniger Monate. Die Ursache der Erkrankung war allen 3 Beschreibern unbekannt (Legg 1909; Calvé 1910; Perthes 1910).
Obgleich in Deutschland der Name M. Perthes geläufig ist, wird die Erkrankung im angloamerikanischen Raum als Legg-Calvé-Perthes Disease bezeichnet und erkennt somit mehr als nur einen der Erstbeschreiber an.

Definition

Es handelt sich beim M. Perthes um eine aseptische Osteonekrose der Femurkopfepiphyse und hieraus resultierender Ossifikationsstörung im Kindesalter. Sie stellt somit die häufigste Knochennekroseim Wachstumsalter dar. Die Ursache der Durchblutungsstörung ist bis heute noch unbekannt, es spielen jedoch verschiedene Faktoren in der Pathogenese eine Rolle und es werden verschiedene Ursachen diskutiert (Hefti 2006).

Epidemiologie

In der weißen Bevölkerung liegt die Inzidenz des M. Perthes bei 5–10:100.000 Neuerkrankungen pro Jahr. Ebenso zeigen sich ethnische Unterschiede. In der Studie von Purry konnte aufgezeigt werden, dass der M. Perthes vor allem in der weißen Bevölkerung auftritt. In der schwarzen Bevölkerung hingegen beträgt die Inzidenz 0,45:100.000 (Purry 1982; Gray et al. 1972). Barker konnte in seiner Untersuchung Hinweise finden, dass niedrigere soziale Schichten mit einer steigenden Inzidenz der Erkrankung von 15,6:100.000 in der Region um Liverpool einhergehen (Barker und Hall 1986).
In vielen Studien wurde eine Androtropie beschrieben, Jungen scheinen 3- bis 5-mal häufiger als Mädchen vom M. Perthes betroffen zu sein. In 10–15 % der Fälle zeigt sich ein beidseitiger Befall der Hüftgelenke, wobei es keine Unterschiede in der Inzidenz zwischen der rechten und linken Hüfte gibt (Schulitz und Dunstmann 1998). Weiterhin zeigt sich ein Altersgipfel der Pertheserkrankung zwischen dem 5.–7. Lebensjahr. Ein Auftreten bei Kindern unter dem 2. Lebensjahr und über dem 10. Lebensjahr ist selten und muss differenzialdiagnostisch kritisch betrachtet werden (Senst 2007).

Ätiologie

Die Ursache der Pertheserkrankung ist mehr als 100 Jahre nach ihrer Entdeckung letztendlich nicht geklärt; es existieren verschiedene Theorien zu ihrer Entstehung.
Die Entwicklung des Hüftkopfes entsteht durch enchondrale Ossifikation. Dabei ist der Femurkopf zunächst knorpelig angelegt. Der knöcherne Epiphysenkern bildet sich im Laufe des ersten Lebensjahres (Strobl 2013). Die Blutversorgung zur Zeit der Geburt stammt hauptsächlich aus der A. circumflexa femoris medialis, welche ein zirkulär zum Kopf verlaufendes Gefäßgeflecht bildet. Nach Ausbildung der Epiphysenzone bilden sich die zum Femurkopf ziehenden Gefäße. Die Durchblutung des Hüftkopfes ist in diesem Alter von etwa 4–7 Jahre hauptsächlich abhängig von den intraartikulär verlaufenden Blutgefäßen, wesentlich geringer von den Arterien im Lig. capitis femoris. Dabei stellt die Epiphysenfuge eine Art Barriere der Vaskularisation des Hüftkopfes dar. Erst nach Schluss der Epiphysenfuge verbinden sich die Versorgungsgebiete der Arterien vom Schenkelhals und vom Lig. capitis femoris (Tönnis 1984). Favorisiert wird die Gefäßtheorie (de Camargo et al. 1984; Bassett et al. 1991).
Die Blutversorgung der Femurkopfepiphyse ist in dem typischen Perthesalter aufgrund der Entwicklung primär kritisch. In Untersuchungen hat sich ein geringerer Blutfluss in den erkrankten Hüftköpfen gezeigt. Ursächlich waren die den Femurkopf versorgenden, anatomisch variablen Gefäße, wie die A. obturatoria und A. circumflexa femoris medialis, häufig atrophiert oder obliteriert. Neben den lokalen Durchblutungsstörungen konnte ebenso in tierexperimentellen Untersuchungen eine intraartikuläre Druckerhöhung nachgewiesen werden (Vegter und Lubsen 1987) sowie eine Druckerhöhung im Femurkopf selbst infolge einer venösen Abflussstörung (Liu und Ho 1991). Dabei ist die intraartikuläre Druckerhöhung bei der Coxitis fugax aufgrund einer transienten Synovialitis keineswegs eine Vorstufe des M. Perthes (Royle und Galasko 1992).
Gerinnungsstörungen scheinen ebenfalls eine Rolle bei Kindern mit M. Perthes zu spielen. Es wurde gehäuft ein Mangel an Antithrombosefaktoren (Protein C oder S) bei an M. Perthes erkrankten Kindern festgestellt. Gerade bei dieser Entstehungstheorie besteht Uneinigkeit. Einige Studien konnten einen Hinweis auf ursächliche Gerinnungsstörungen (Faktor-V-Leiden Mutation, Prothrombinmutationen, erhöhte Faktor-VIII-Spiegel, Protein S-Defizienzen) zeigen (Vosmaer et al. 2010), andere wiederum keinen Zusammenhang von Gerinnungsstörungen mit der Entstehung von M. Perthes (Hresko et al. 2002; Sirvent et al. 2000).
Weiterhin spielen die Theorien des Mikrotraumas, der retardierten Skelettentwicklung sowie der genetischen Disposition eine Rolle.
Es konnte gezeigt werden, dass erstgradige Verwandte ein 35-fach erhöhtes Risiko haben, an einem M. Perthes zu erkranken (Livesey et al. 1998).
Ebenso weisen an M. Perthes erkrankte Kinder eine Skelettretardierung auf. Während bei Erstdiagnose die Kinder kleiner als der Durchschnitt sind, durchkreuzen sie dann circa mit dem 10. Lebensjahr die 50. Perzentile und zeigen ein erhöhtes Längenwachstum im Vergleich zum Durchschnitt und erreichen so eine normale Körperlänge im Erwachsenenalter (Cannon et al. 1989). Auch das Passivrauchen zeigt in einer Studie einen signifikanten Einfluss auf das Risiko, an einem M. Perthes zu erkranken, ohne aber einen Einfluss auf das Ausmaß der Nekrose oder das Ausheilungsergebnis zu zeigen (Garcia Mata et al. 2000).
Neben den genannten Theorien gibt es zahlreiche weitere pathogenetische Hinweise für die Entwicklung eines M. Perthes, so werden zusätzlich Infektionen, hormonelle Dysfunktionen und Autoimmunerkrankungen als Ursache diskutiert.
Zusammenfassend muss von einer multifaktoriellen Genese ausgegangen werden, sowohl genetische als auch ökologische Faktoren haben einen Einfluss auf die Entstehung der Erkrankung, jedoch spielt die lokale Durchblutungsstörung für die Entstehung eines M. Perthes eine entscheidende Rolle (Kim 2011).
Die Ätiologie ist weiterhin ungeklärt. Pathogenetisch entscheidend ist eine Minderdurchblutung der Epiphyse des Femurkopfes.

Pathophysiologie und Morphologie

Charakteristisch für die Pertheserkrankung ist sein stadienhafter Verlauf. Die initiale epiphysäre Durchblutungsstörung führt zu den damit verbundenen Ossifikationsstörungen des Hüftkopfes bis zum Zerfall. Anschließend werden Reparationsprozesse aktiv. Im Initialstadium ist die enchondrale Ossifikation des Femurkopfes durch die kompromittierte Durchblutung gestört. Folglich kommt es zu Reifungsstörungen des epiphysären Knochens mit Nekrosebildung. Der Femurkopf bewahrt in dieser initialen Phase seine sphärische Form, denn das trabekuläre Knochengerüst bleibt zunächst auch in diesem avitalen Zustand bestehen. Der Knorpel, der durch die Synovialflüssigkeit ernährt wird, wächst weiter. Es resultiert ein relativ überschießendes Knorpelwachstum, das zu einer Dezentrierung des Femurkopfes führt.
Infolge von Mikrofrakturierungen im Kondensationsstadium kommt es schließlich zum Einbruch des subchondralen Trabekelgerüsts des epiphysären Knochens, wodurch die mechanische Stabilität des Knochens herabgesetzt wird.
Auf zellulärer Ebene werden durch die entstehende Nekrose Osteoklasten aktiviert. Diese bauen den Knochen stückweise ab und resorbieren die Nekrose. Dabei ersetzen sie im Fragmentationsstadium den Knochen durch unreifen, biomechanisch minderwertigen Geflechtknochen.
Der Übergang zum Reparationsstadium ist fließend, in Abhängigkeit von den auf den Kopf einwirkenden Kräften kann sich dieser nun entwickeln. Die Reparations- und Remodellierungsmöglichkeiten werden wesentlich vom Alter bei Erstdiagnose bestimmt. Das Ausheilungsstadium ist der Endzustand der Erkrankung (Westhoff et al. 2014).
Die Dauer des natürlichen Verlaufs ist abhängig von der Ausdehnung der Nekrose und somit indirekt auch vom Alter bei Erstdiagnose. Mit zunehmenden Alter nimmt nämlich der Durchmesser des Hüftkopfes zu und dadurch auch das zu ersetzende Volumen der Nekrose (Niethard 2010). Deswegen variiert die Erkrankungsdauer durchschnittlich zwischen 2–5 Jahren.

Klassifikationen

Die im Jahre 1920 erste veröffentlichte Klassifikation der Pertheserkrankung durch Waldenström beschäftigt sich rein mit den morphologischen Veränderungen des natürlichen Verlaufs ohne eine prognostische Abschätzung im Röntgenbild (Waldenström 1920) (siehe Tab. 1 sowie Abb. 1ad).
Tab. 1
Morphologische Klassifikation des Verlaufs nach Waldenström (1920)
Stadium
Merkmale
Initialstadium
Verbreiterung des Gelenkspalts/Lateralisation des Hüftkopfes
Kondensationsstadium
Verdichtung des Hüftkopfkerns/Hüftkopf abgeflacht
Fragmentationsstadium
Abbau der nekrotisierten Knochenbälkchen/schollige Auflockerung der Epiphyse
Reparationsstadium
Enchondrales Wachstum des Hüftkopfkerns/Wiederaufbau der Hüftkopfes
Ausheilungsstadium
Endzustand mit oder ohne Defekt
Dieses Waldenström-Klassifizierungssystem wurde 2003 modifiziert, indem jedes der drei Stadien, Kondensations- (I), Fragmentations- (II) und Reparationsstadium (III), in ein frühes (a) und ein spätes Unterstadium unterteilt wurden, um zu bestimmen, wann verschiedene Veränderungen am Femur und an der Hüftpfanne während der Entwicklung der Krankheit auftreten. Die Unterscheidung zwischen jeweils dem frühen und dem späten Stadium ist klinisch wichtig, da das Ausmaß der Femurkopfdeformität und der Extrusion der Epiphyse im frühen Stadium geringer und im späten Stadium größer ist und damit das Ergebnis nach einer OP besser verläuft, wenn man in einem frühen Stadium eine operative Therapie wählt (Joseph et al. 2003a).
Catterall veröffentlichte 1971 eine Klassifikation, welche das Nekroseausmaß der Femurkopfepiphyse anhand der betroffenen Quadranten beschreibt (siehe Tab. 2). Diese Klassifikation wurde von Catterall durch die „head at risk signs“ ergänzt, um durch prognostisch ungünstige Zeichen eine Einschätzung auf den Krankheitsverlauf zu stellen (Catterall 1971) (siehe Tab. 3). In Abb. 2 sind die laterale Kalzifikation, die Subluxationsstellung durch Lateralisierung des Femurkopfes und die metaphysäre Beteiligung der Osteonekrose im Röntgenbild an der linken Hüfte abgebildet.
Tab. 2
Morphologische Klassifikation des Nekroseausmaßes nach Catterall
Grad
Merkmal
I
¼ des Hüftkopfes betroffen – anterolateraler Quadrant
II
vorderes Drittel bis zur Hälfte des Hüftkopfes
III
¾ des Hüftkopfes betroffen, nur dorsaler Anteil intakt
IV
gesamter Hüftkopf betroffen
Tab. 3
Risikozeichen – „head at risk signs“ nach Catterall
Head at risk signs
Laterale Kalzifikation
Kalkschatten lateral des Femurkopfes
Subluxation
Lateralisierung des Femurkopfes
Metaphysäre Beteiligung
Osteonekrose der angrenzenden Metaphyse
Horizontalisierung der Wachstumsfuge
horizontale Ausrichtung der Fuge
„Gage sign“
dreiecksförmige Osteoporose am lateralen Femurkopf
Salter und Thompson publizierten 1984 ihre Klassifikation zur Ausdehnung der subchondral lokalisierten Frakturlinie im Initialstadium des M. Perthes (Salter und Thompson 1984). Hier wird anhand einer a.p.-Aufnahme und einer seitlichen Röntgenaufnahme nach Lauenstein die Ausdehnung der subchondralen Fraktur in Gruppe A und B unterteilt (siehe Tab. 4).
Tab. 4
Klassifikation nach Salter und Thompson
Ausmaß der subchondralen Frakturlinie
A
Frakturlinie misst weniger als 50 % der Epiphyse und betrifft die mediale Epiphysenhälfte
B
Frakturlinie misst mehr als 50 % der Epiphyse und betrifft die laterale Epiphysenhälfte
Herring et al. publizierte 1992 eine weitere Klassifikation zur Beurteilung der langfristigen Prognose des Krankheitsverlaufs. In dieser Einteilung wird der Femurkopf in drei Säulen eingeteilt und die laterale Säule bezüglich ihrer Höhe beurteilt (siehe Tab. 5). Prognostisch günstig ist eine intakte laterale Säule, da keine wesentlichen Deformierungen des Femurkopfes und Subluxationsphänomene zu erwarten sind (Herring et al. 1992).
Tab. 5
Klassifikation nach Herring
Gruppe
Merkmal
A
laterale Säule nicht betroffen
B
>50 % der lateralen Säule erhalten
B/C
50 % erhalten, schlechte Ossifikation der lateralen Säule
C
< 50 % der lateralen Säule erhalten
Zuletzt ergänzte Herring seine Klassifikation um den sogenannten Subtyp B/C („boarder group“) (Herring et al. 2004a).
Stulberg teilte das Ausheilungsstadium bzw. Endstadium in fünf Gruppen ein (Stulberg et al. 1981). Diese beschreiben das Ausmaß der Deformität des Hüftkopfes, welche in den fünf Gruppen zunimmt. Gleichzeitig steigt das Risiko für die Entwicklung einer Arthrose. Dabei bestimmen die Sphärizität des Hüftkopfes sowie die Kongruenz von Kopf und Pfanne die Langzeitprognose (siehe Tab. 6).
Tab. 6
Endstadium nach Stulberg (20)
Grad
Morphologie des Kopfes
I
runder Kopf/normale Hüfte (sphärische Kongruenz)
II
runder Kopf/Coxa magna (sphärische Kongruenz)
III
ovaler/pilzförmiger Kopf – Coxa magna (asphärische Kogruenz)
IV
flacher Kopf – kongruent zur Pfanne (asphärische Kongruenz)
V
flacher Kopf – inkongrunent zur Pfanne (asphärische Inkongruenz)
Hier zeigt sich in der Literatur, dass die radiologischen Kriterien nach Stulberg von manchen Autoren nach deren Prognose bzw. zukünftiger Arthroseentstehung in Gruppen zusammengefasst werden, z. B. Stuhlberg I+II (Gruppe A), Stuhlberg III (Gruppe B) und Stuhlberg IV+V (Gruppe C) (Herring et al. 2004b), oder als gutes Ergebnis (I und II) und schlechtes Ergebnis (III, IV und V) (Kim 2010; Wiig et al. 2008).

Diagnostik

Die Kinder beklagen typischerweise belastungsabhängige Schmerzen, die nicht nur in die Hüfte, sondern nicht selten ins ipsilaterale Knie ausstrahlen. Betroffene Kinder zeigen häufig ein Schonhinken und vermeiden zunehmend das Laufen. In der nachfolgenden Übersicht sind die häufigsten Differenzialdiagnosen des M. Perthes aufgeführt.
Differenzialdiagnosen des M. Perthes
  • Multiple Epiphysäre Dysplasie
    • v. a. Typ Meyer (Dysplasia epiphysealis capitis femoris)
  • Spondylepiphysäre Dysplasie
  • M. Gaucher (lysosomale Speicherkrankheit)
  • medikamentös induziert
  • Coxitis fugax
  • eitrige Coxitis

Diagnostisches Vorgehen

Klinische Untersuchung

Typischerweise bestehen belastungsabhängige Schmerzen des betroffenen Hüftgelenks, nicht selten auch des Oberschenkels oder auch des gleichseitigen Kniegelenks. Bei kindlichen Knieschmerzen sollte immer das Hüftgelenk diagnostisch miteinbezogen werden.
Häufig wird auch ein schmerzfreies Schonhinken beobachtet, welches durch Eltern oder Dritte geäußert wird. In der klinischen Untersuchung wird zunächst eine Einschränkung der Extensions-, Innenrotations- und Abspreizfähigkeit des betroffenen Hüftgelenks festgestellt.
Typische Bewegungseinschränkung der Extensions-, Innenrotations- und Abduktionsfähigkeit der betroffenen Hüfte

Sonographie

Zur Beurteilung eines intraartikulären Ergusses wird standardmäßig eine Sonographie der Hüftgelenke durchgeführt.
Durch einen erfahrenen Untersucher kann die Sonographie ergänzend zur Beurteilung der Hüftkopfform sowie der Kopf- bzw. Gelenkstellung in den Verlaufskontrollen herangezogen werden. Hier können anhand morphologischer Konfigurationen und Ausprägung von Kapseldistension, Abflachung der Femurepiphyse, Ungleichmäßigkeiten oder Fragmentierung der Epiphyse sowie Ausmaß der Knochenresorption sowie Osteoidbildung in verschiedene Stadien von I-V unterschieden werden. Damit können typische stadientypische Veränderungen beim M. Perthes dargestellt werden und im Verlauf der Erkrankung kontrolliert werden (Wirth et al. 1992, 1993).

Röntgen

Die Röntgenuntersuchung ist der Goldstandard der bildgebenden Diagnostik. Dabei sollten die beiden Standardebenen in Beckenübersicht und eine axiale Aufnahme (Lauensteinaufnahme) der betroffenen Hüfte erfolgen. Diese sind zur Diagnosestellung und für Verlaufskontrollen wichtig.
Frühe radiologische Zeichen sind vergleichsweise milde. Zunächst kann nur eine Gelenkspaltverbreiterung durch Anschwellen des Gelenkknorpels sowie durch einen intraartikulären Erguss festgestellt werden. Die ersten radiologischen Zeichen eines M. Perthes zeigen sich meist erst nach einem Zeitraum von 4–6 Wochen als leichte Abflachung sowie einer Verdichtung (Kondensation) der Epiphyse. Später ist der Verlust der Sphärizität mit Subluxationsstellung des Femurkopfes zu erkennen.
Vor operativen Maßnahmen wird eine Röntgenuntersuchung in Abduktion empfohlen.

MRT

Die Magnetresonanztomographie kann zur Früherkennung sowie zur Bestimmung des Ausmaßes der Nekrose herangezogen werden. Frühzeitig können Veränderung in der Epiphyse im MRT dargestellt werden. Ein Perfusions-MRT mit Kontrastmittel stellt ein sicheres und sehr gutes diagnostisches Mittel zur Darstellung des Nekroseareals und des Therapieverlaufs zur Prognosebeurteilung dar. Es konnte eine sehr gute Korrelation mit der Einteilung der lateralen Säule nach Herring dargestellt werden (Kim et al. 2014). Als Nachteil hier ist zu erwähnen, dass dies bei gerade bei jüngeren Patienten eventuell in leichter Sedierung oder in Kurznarkose durchgeführt werden muss (Sankar et al. 2014).
Bei anhaltenden unklaren schmerzhaften Befunden des Hüftgelenks, bei nativradiologisch unauffälligem Befund, unterstützt die kernspintomographische Diagnostik zu differenzialdiagnostischen Überlegungen.
Keinen Stellenwert in der Diagnostik des M. Perthes haben bildgebende Verfahren wie CT oder Szintigraphie aufgrund ihrer hohen Strahlenbelastung.

Arthrographie

Bei der Arthrographie wird das betroffene Hüftgelenk durch intraartikuläre Applikation von röntgendichtem Kontrastmittel genauer dargestellt. Anhand von Funktionsaufnahmen vor einer geplanten Operation zum Ausschluss eines hinge-abduction-Phänomens ist diese Bildgebung zuverlässiger als eine alleinige Abspreizaufnahme im Röntgenbild. Durch eine Arthrographie ist es möglich, die Kongruenz von Kopf und Pfanne sicherer zu beurteilen.

Labor

Eine Labordiagnostik, insbesondere die Bestimmung von Entzündungsparametern (BB, CRP und BSG), kann differenzialdiagnostisch zum Ausschluss einer Arthritis notwendig werden. Zudem ist eine differenzierte laborchemische Gerinnungsdiagnostik zu erwägen.
„Perthesspezifische“ Laborparameter sind nicht bekannt.

Therapie

Indikationsstellung

Prognose

Für die Wahl der Therapie ist der prognostische Aussagewert einzelner klinischer und radiologischer Parameter wegweisend.
Der bedeutendste prognostische Faktor ist das Alter der Patienten zum Krankheitsbeginn. Je jünger der Patient bei Diagnosestellung ist, umso günstiger ist die Prognose. So hat ein Kind unter dem 6. Lebensjahr bei der Erstdiagnose eine günstigere Prognose für den Verlauf und insbesondere das Ausheilungsergebnis aufgrund der noch größeren Remodellierungsfähigkeit (Herring 2011; Manig 2013; Nguyen et al. 2012).
Neben dem Alter zum Erkrankungsbeginn spielen auch morphologische Merkmale für die Prognose eine entscheidende Rolle. So haben Kinder im Stadium Herring B/C und C mit dem Verlust der lateralen Säule eine wesentlich ungünstigere Prognose für das Ausheilungsergebnis (Manig 2013; Herring et al. 2004b). Ebenso ist die Ausdehnung der Nekrose nach Catterall von Bedeutung. Kleine Nekroseareale (Catterall I + II) gehen mit einer nachweislich besseren Prognose hinsichtlich des Ausheilungsergebnisses einher als ausgedehntere Befunde, wie sie bei Catterall III + IV zu erwarten sind (Herring et al. 2004a, b; Ippolito et al. 1987). Einen größeren negativen prognostischen Aussagewert haben jedoch die „head at risk signs“, insbesondere die laterale Kalzifikation und die Subluxation. Diese beiden Faktoren sind die Anzeichen eines Containmentverlusts (Catterall 1971; Hefti 2006).
Die Beweglichkeit der Hüfte und das Geschlecht sind nachweislich ebenfalls für die Prognose wichtig. Eine bessere Beweglichkeit geht mit einer günstigeren Ausheilungstendenz einher. Weiterhin sind Mädchen zwar seltener betroffen, zeigen jedoch deutlich schlechtere Spätergebnisse (Herring et al. 1992; Stulberg et al. 1981). In Tab. 7 sind die prognostisch günstigen und ungünstigen Faktoren zusammengefasst.
Tab. 7
Prognostische Kriterien für das Ausheilungsergebnis des M. Perthes
Prognosefaktor
Prognostische Bedeutung
günstig
ungünstig
Alter (Skelettalter)
+++
< 6 Jahre
> 6 Jahre
Laterale Kalzifizierung
++
keine
vorhanden
Subluxation
++
keine
vorhanden
Herring-Klassifikation
++
A, B
B/C, C
Beweglichkeit
++
gut
schlecht
Geschlecht
++
männlich
weiblich
Metaphysäre Beteiligung
+
keine
vorhanden
Die Erhaltung und/oder die Wiederherstellung eines kongruenten Gelenks mit guter Kopfzentrierung ist das wichtigste Therapieziel zur Vermeidung von Folgeschäden durch eine exzentrische Gelenkbelastung. Tab. 8 stellt die therapeutischen Optionen der Behandlung des M. Perthes dar.
Tab. 8
Therapeutische Optionen bei M. Perthes
Alter (Skelettalter)
Klinik
Therapie
< 6. Lebensjahr
gute Beweglichkeit, Containment erhalten, keine Risikozeichen
Physiotherapie, Traktionsbehandlung
<6. Lebensjahr
gute Beweglichkeit, Containment erhalten, beginnende Risikozeichen
Physiotherapie, Traktionsbehandlung
bei Containmentverlust
• OP: Intertrochantäre Varisation
<6. Lebensjahr
eingeschränkte Beweglichkeit
Containmentverlust
OP: intertrochantäre Varisation, ggf. in Kombination mit Beckenosteotomie nach Salter
>6. Lebensjahr
eingeschränkte Beweglichkeit
Containmentverlust
OP: Triple-Osteotomie, ggf. in Kombination mit intertrochantäre Varisation
unabhängig
vom Alter
hinge-abduction-Phänomen
Abduction < 30°
Revalgisationsosteotomie
Wichtig
Eine kausale Therapie ist nicht möglich!
Es gilt das Prinzip des Containments zur Aufrechterhaltung und Verbesserung der Gelenkzentrierung.

Konservative Therapie

Medikamentöse Therapie

In der initialen Phase der Pertheserkrankung kann eine medikamentöse Therapie symptomorientiert und bei Bedarf im Verlauf durch eine analgetisch-antiphlogistische Schmerztherapie, beispielsweise mit Ibuprofen, erfolgen. Eine dauerhafte Schmerztherapie ist in der Regel nicht notwendig.
Supportive medikamentöse Therapien sind derzeit kein fester Bestandteil der Therapie des M. Perthes. In experimentellen Studien konnten gewisse Vorteile für Bisphosphonate und vasoaktive Substanzen wie Prostaglandinanaloga gezeigt werden, dennoch fehlen bisher ausreichend valide Daten (Little und Kim 2011; Aigner et al. 2001).

Physiotherapie

Die Erhaltung bzw. Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit ist ein zentrales Behandlungsziel beim M. Perthes und während des gesamten Krankheitsverlaufs von großer Bedeutung.
Die Aufrechterhaltung der Beweglichkeit und Zentrierung des Hüftkopfes werden durch Übungen zur Kapseldehnung mittels physiotherapeutischer Maßnahmen wie Traktionsvorrichtungen (siehe Abb. 3) und hubfreien Übungen in der Schlinge (siehe Abb. 4) erreicht. Durch den Effekt der Dehnung und Entlastung des Gelenks ist eine belastungsfreie Flexions-, Abduktions- und Rotationsübung möglich (Hefti 2006; Manig 2013; Brech und Guarnieiro 2006).
Die Erhaltung der Beweglichkeit ist ebenso eine Grundvoraussetzung für verschiedene operative Therapien.
Für die konservative Therapie können die Eltern angelernt werden und unter Nutzung einer Traktionsvorrichtung die Kapselmobilisierung und Dehnübungen zuhause unterstützend zur ambulanten Physiotherapie durchführen. Insgesamt führt die Physiotherapie zu einer Verbesserung der Beweglichkeit und somit einer günstigeren Zentrierung des Hüftkopfes in der Pfanne.

Hilfsmittel

Die Verordnung von entlastenden Orthesen ist heute obsolet. Untersuchungen haben ihre Wirksamkeit bezüglich der Entlastung widerlegt und sogar teilweise erhöhte intraartikuläre Drücke nachgewiesen (Kohn et al. 1991).
Die Entlastung an Unterarmgehstützen ist nicht ohne Schwierigkeit, da entlastende Maßnahmen den Alltag des Kindes stark beeinflussen. Sie können als Erinnerung dienen, mechanische Belastungen wie hüpfen und springen zu vermeiden. Zeigt das Kind Überlastungssymptome, können sie zur (Teil-)Entlastung der betroffenen Extremität und Schmerzreduktion bis zum Abklingen der Symptome vorübergehend genutzt werden.
Es gilt das Prinzip: Soviel Entlastung wie nötig, soviel Alltag wie möglich.
Unnötige Gehstrecken sollten vermieden werden, die Kinder sollten „Schritte sparen“ und für lange Strecken kann die Nutzung eines Rollstuhls sinnvoll sein. Leichte sportliche, gelenkschonende Betätigungen wie Schwimmen und Radfahren sind während der Behandlungszeit erlaubt.

Operative Therapie

Die operative Therapie verfolgt ebenfalls nach dem Prinzip der Containmentverbesserung bzw. -wiederherstellung und somit der Zentrierung des Hüftgelenks. Die operative Versorgung kann am proximalen Femur durch eine varisierende Umstellungsosteotomie oder am Becken beispielsweise als korrigierende Beckenosteotomie nach Salter oder als Triple-Osteotomie erfolgen.
Für Kinder in einem Alter von >6 Jahren bei Diagnosestellung sowie einer Herring-Klassifikation B/C und C zeigt die operative Therapie signifikant bessere Ergebnisse (Herring et al. 2004b).
Bei Verlust des Containments ist eine operative Therapie zur Wiederherstellung der physiologischen Gelenkmorphologie indiziert. Die frühen Erkrankungsstadien (Kondensationsstadium bzw. Fragmentationsstadium) werden als optimaler Operationszeitpunkt gesehen, da noch ausreichend Remodellierungspotenzial vorhanden ist (Joseph et al. 2003b).
Bei starker Dezentrierung und sekundärer Pfannenbeteiligung kann die intertrochantäre Varisationsosteotomie mit einem Beckeneingriff kombiniert werden, im Sinne des „advanced containment“. Bei einem Skelettalter unter 6 Jahren ist eine alleinige Varisationsosteotomie aufgrund des noch ausreichenden Revalgisierungspotenzials möglich.
Im angloamerikanischen Raum hat die Shelf-Plastik bei der operativen Therapie des M. Perthes ihren Stellenwert, dabei wird die Pfanne entsprechend der Deformierung des Femurkopfes augmentiert (Staheli und Chew 1992). Im Vergleich zu „echten“ Beckenosteotomien hat die Shelf-Operation keine Vorteile. Ein wesentlicher Nachteil besteht darin, dass die Verbesserung der Überdachung nicht aus hyalinem Knorpel besteht.
Voraussetzung für eine operative Behandlung ist jedoch eine Abspreizfähigkeit des betroffenen Hüftgelenks von mindesten 30°, um den operativen Erfolg zu gewährleisten.

Die intertrochantäre Varisationssteotomie (IVO)

Zur Containmentverbesserung war die IVO lange Zeit die bevorzugte Methode beim M. Perthes. Dennoch weist dieses technisch einfache Operationsverfahren deutliche Nachteile, wie eine Beinverkürzung, Coxa vara, Offset-Vergrößerung sowie ein Trendelenburghinken, bedingt durch eine Glutealinsuffizienz, auf.
Jüngere Patienten zeigen eine Revalgisierung bei einem Alter < 7 Jahren und die geringste Beinlängendifferenz und die größte Revalgisierung mit einer open-wedge-Technik (Mirovsky et al. 1984).
Die IVO hat weiterhin ihren Stellenwert in der operativen Behandlung des M. Perthes, so zeigt eine multizentrische Analyse aus Norwegen signifikant bessere Ergebnisse der operativ behandelten Patienten gegenüber einer konservativen Behandlung (Wiig et al. 2008). Abb. 5 und 6 zeigen die präoperative Röntgendarstellung eines 4-jährigen Jungen mit M. Perthes und die postoperative Aufnahme nach intertrochantärer Varisationsosteotomie der linken Hüfte.
Durch die Varisationsosteotomie werden die biomechanischen Hebelverhältnisse der Abduktoren sowie das Offset ungünstig verändert.

Beckenosteotomien

Die Vorzüge der Beckenosteotomie gegenüber einer Varisationsosteotomie sind die Vermeidung einer Beinverkürzung und somit die Veränderung der Hebelarme der Abduktoren, es entsteht kein Hinken durch eine Glutealinsuffizienz.
Sie zeigt jedoch, v. a. bei der Salter-Osteotomie, eine intraartikuläre Druckerhöhung. Ebenso kann sie zu einer Beinverlängerung führen, da es neben der Lateralisation und Verlagerung des Pfannendachs zu einer Ventralisierung und Distalisierung der Hüftpfanne kommt. Voraussetzung für diesen Eingriff sind eine freie Beweglichkeit des Gelenks, ein sphärischer Hüftkopf sowie eine gute Gelenkkongruenz in Abspreizung. Eine Salter-Beckenosteotomie sollte, wenn sie vorgenommen wird, jedoch nur in Kombination mit einer IVO durchgeführt werden.
Die Triple-Osteotomie verspricht im Gegensatz zur femoralen Varisationsosteotomie oder Salter-Osteotomie auch bei Durchführung im Reparationsstadium gute Ergebnisse (Kumar et al. 2002). Wenger et al. zeigten in ihrer retrospektiven Studie gute Ergebnisse und sehen die Triple-Osteotomie als Therapie der Wahl bei älteren Kindern (Wenger und Pandya 2011).
Die Triple-Osteotomie ist ein anspruchsvolles OP-Verfahren und birgt somit auch größere OP-Risiken und Komplikationsraten. Wird eine Triple-Osteotomie durchgeführt, so erfolgt sie entweder in der Technik nach Steel (Steel 1973) oder Tönnis (Tonnis et al. 1981; Zahedi et al. 2013). Der Vorteil der Tönnis-Technik besteht darin, dass die Sitzbeinosteotomie durch den dorsalen Zugang näher an der Pfanne liegt. Dieses Verfahren zeigt insgesamt ein hohes Korrekturpotenzial mit guten Ergebnissen, welches auch im Kindesalter bei offener Y-Fuge durchführbar ist (siehe Abb. 7).
Kombinierte Osteotomien im Sinne eines „advanced containment“ zeigen synergistische Effekte (siehe Abb. 8).

Intra- und postoperative Komplikationen

Zu den bedeutendsten Komplikationen der Beckenosteotomien bzw. der Triple-Osteotomie zählen insbesondere die Nervenläsionen wie Läsionen des N. obturatorius, Ischiadicus-und Femoralisläsionen sowie Läsionen des N. pudendus. Weiterhin bestehen die Gefahr der Überkorrektur mit einem konsekutiven Impingement, der fehlerhaften Ausrichtung der Pfanne im Sinne einer Retroversion sowie die Ausbildung einer Pseudarthrose.
Bei Vorliegen einer instabilen Pseudarthrose der Darmbeinosteotomie oder einer Retroversion der Pfanne besteht die Indikation zur operativen Revision. Eine stabile Pseudarthrose der Schambein- sowie Sitzbeinosteotomie ist nicht revisionsbedürftig.

Komplikationen und Folgezustände

Hinge abduction

Bei einer hinge-abduction, bei der die anterolateralen Anteile des deformierten Hüftkopfes am lateralen Acetabulum anschlagen, ist der Kopf so deformiert, dass sich die o. g. OP-Verfahren nicht mehr zu einer Containment-Verbesserung eignen. Der Nachweis eines hinge-abduction-Phänomens erfolgt durch eine Arthrographie. Weiterhin kann der Vergleich einer Röntgenaufnahme der Hüfte in a.p. und in Abduktion der betroffenen Hüfte durch einen vergrößerten Abstand des Femurkopfes vom Pfannenboden in Abduktion auf ein hinge-abduction hinweisen. In einem solchen Fall ist die Valgisationsosteotomie des proximalen Femurs mit leichter Extension anzuwenden (Bankes et al. 2000; Raney et al. 2002) (siehe Abb. 9). Damit lassen sich eine Verbesserung der Beweglichkeit und eine Schmerzlinderung erzielen. Gegebenenfalls können weitere sekundäre Eingriffe zur Verbesserung der Hüftkopfüberdachung notwendig werden. Insgesamt zeigt eine hinge-abduction eine schlechte Prognose für das Ausheilungsergebnis (Manig 2013).

Coxa vara und Trochanterhochstand

Nach der Ausheilung des M. Perthes stellt die Coxa vara mit Trochanterhochstand ein häufiges Problem dar. Funktionell führt dies zu einer verringerten Hebelwirkung der Hüftabduktoren. Die hieraus entstehende Glutealinsuffizienz ist ursächlich für ein Trendelenburghinken. Zudem kann es hierdurch zu einer femoralen Verkürzung mit resultierender Beinlängendifferenz kommen.
Um diese Deformität suffizient zu beheben und die physiologische Anatomie mit Korrektur der biomechanischen Hebelverhältnisse wiederherzustellen, kann eine revalgisierende ggf. eine schenkelhalsverlängernde Osteotomie nach Morscher durchgeführt werden (siehe Abb. 10) (Hefti 1989; Hasler und Morscher 1999).
Bei erhaltenden CCD-Winkel kann auch eine alleinige Trochanterdistalisierung erfolgreich sein. Dabei wird der Schenkelhals per se nicht reell verlängert wie bei der OP nach Morscher, durch die Trochanterdistalisierung wird dennoch eine relative Schenkelhalsverlängerung erreicht (Hasler und Morscher 1999). Bei noch offener Wachstumsfuge kann ein gleiches Ergebnis durch eine Trochanterapophyseodese erzielt werden (Schneidmüller et al. 2006).
Eine gleichzeitige Dysplasie der Pfanne sollte durch eine Korrektur der Pfanne adressiert werden.
Die Indikation zur Trochanterapophyseodese großzügig stellen, sie sollte vor dem 9. Lebensjahr durchgeführt werden.

Impingement

Bei einem anterolateralen Impingement, z. B. funktionell bei einer Coxa vara et magna oder aufgrund einer asphärischen Kopfkonfiguration, kommt es zu einem Anschlagen des Kopfes an der Pfanne.
Präoperativ empfiehlt sich die Bestimmung des Alpha-Winkels (norm: <50°) im MRT oder in der Dunn-Rippstein-Aufnahme. Ein MRT zur Beurteilung des Knorpelstatus und Labrum ist ebenso notwendig.
Therapeutisch stellt die chirurgische Hüftluxation mit Trimmen des Kopfes bzw. des Kopf-Hals-Übergangs eine Therapieoption dar (Siebenrock et al. 1998; Ganz et al. 2001). Diese Technik lässt die Korrektur der eigentlichen Pathologie zu.
Alternativ stehen auch minimalinvasive arthroskopische Techniken zur Kopftrimmung und Labrumchirurgie zur Verfügung. Allerdings ist beim Impingement aufgrund einer durch M. Perthes bedingte Coxa magna et plana der Bump von Knorpel überzogen und die Bumpabtragung damit in einem gewissen Maß schädigend.

Beinlängendifferenz

Beinlängendifferenzen durch Deformierungen der Hüfte können im späten Stadium der initialen Nekrotisierung, im Stadium der vollständigen Fragmentierung und im frühen Ausheilungsstadium auftreten. Als Folge der pathologischen Veränderungen kann es zu einer Verkürzung und Verbreiterung des Hüftkopfes und -halses (Coxa magna et brevis) kommen, was zu einer Deformierung des Hüftgelenks und einer Arthrose im frühen Erwachsenenalter führen kann. Diese Veränderungen führen nicht nur zu pathologischen Veränderungen im Hüftgelenk, sondern auch zu einer Verkürzung der betroffenen Gliedmaße. Diese Verkürzung kann Ausmaße von einigen Zentimetern annehmen.

Fazit

Da M. Perthes sehr unterschiedlich ausgeprägt sein kann, gibt es keine standardisierte Therapie für alle Kinder. Vielmehr muss die Therapie sehr individuell an den jeweiligen Patienten unter Berücksichtigung der radiologischen Klassifikation, der Risikozeichen, des Skelettalters und der Beweglichkeit der betroffenen Hüfte angepasst werden. Ziel der Therapie sollte immer eine Containment-Verbesserung mit Erhalt bzw. Erreichen einer freien Beweglichkeit des betroffenen Hüftgelenks sein. Bei milden Verlaufsformen kann eine konservative Therapie ausreichend sein.
Gute operative Ergebnisse lassen sich bei jungen Patienten mit gutem Remodellierungspotenzial erzielen. Die Therapie der älteren Kinder gestaltet sich jedoch schwieriger, denn sie zeigen ein nur noch geringes Remodellierungspotenzial, da der knorpelige Anteil der Epiphyse kleiner ist. Die Prognose dieser Hüften ist in der Summe nicht gut.
Literatur
Aigner N, Petje G, Steinboeck G, Schneider W, Krasny C, Landsiedl F (2001) Treatment of bone-marrow oedema of the talus with the prostacyclin analogue iloprost. An MRI-controlled investigation of a new method. J Bone Joint Surg Br Vol 83(6):855–858CrossRef
Bankes MJ, Catterall A, Hashemi-Nejad A (2000) Valgus extension osteotomy for ‚hinge abduction‘ in Perthes’ disease. Results at maturity and factors influencing the radiological outcome. J Bone Joint Surg Br Vol 82(4):548–554CrossRef
Barker DJ, Hall AJ (1986) The epidemiology of Perthes’ disease. Clin Orthop Relat Res 209:89–94CrossRef
Bassett GS, Apel DM, Wintersteen VG, Tolo VT (1991) Measurement of femoral head microcirculation by laser Doppler flowmetry. J Pediatr Orthop 11(3):307–313PubMedCrossRef
Brech GC, Guarnieiro R (2006) Evaluation of physiotherapy in the treatment of Legg-Calve-Perthes disease. Clinics 61(6):521–528PubMedCrossRef
Calvé J (1910) Sur une forme particulière de pseudocoxalgie greffée sur déformation caractéristiques de l’extrémité supérieure du fémur. Rev Chir 30:202–204
Cannon SR, Pozo JL, Catterall A (1989) Elevated growth velocity in children with Perthes’ disease. J Pediatr Orthop 9(3):285–292PubMedCrossRef
Catterall A (1971) The natural history of Perthes’ disease. J Bone Joint Surg Br Vol 53(1):37–53CrossRef
de Camargo FP, de Godoy RM Jr, Tovo R (1984) Angiography in Perthes’ disease. Clin Orthop Relat Res 191:216–220CrossRef
Ganz R, Gill TJ, Gautier E, Ganz K, Krugel N, Berlemann U (2001) Surgical dislocation of the adult hip a technique with full access to the femoral head and acetabulum without the risk of avascular necrosis. J Bone Joint Surg Br Vol 83(8):1119–1124CrossRef
Garcia Mata S, Ardanaz Aicua E, Hidalgo Ovejero A, Martinez Grande M (2000) Legg-Calve-Perthes disease and passive smoking. J Pediatr Orthop 20(3):326–330PubMedCrossRef
Gray IM, Lowry RB, Renwick DH (1972) Incidence and genetics of Legg-Perthes disease (osteochondritis deformans) in British Columbia: evidence of polygenic determination. J Med Genet 9(2):197–202PubMedPubMedCentralCrossRef
Hasler CC, Morscher EW (1999) Femoral neck lengthening osteotomy after growth disturbance of the proximal femur. J Pediatr Orthop B 8(4):271–275PubMed
Hefti F (2006) Kinderorthopädie in der Praxis. Springer, Berlin/Heidelberg/New York
Hefti FME (1989) Die schenkelhlsverlängernde Osteotomie. Oper Orthop Traumatol 1(3):170–178CrossRef
Herring JA (2011) Legg-Calve-Perthes disease at 100: a review of evidence-based treatment. J Pediatr Orthop 31(2 Suppl):S137–S140PubMedCrossRef
Herring JA, Neustadt JB, Williams JJ, Early JS, Browne RH (1992) The lateral pillar classification of Legg-Calve-Perthes disease. J Pediatr Orthop 12(2):143–150PubMedCrossRef
Herring JA, Kim HT, Browne R (2004a) Legg-Calve-Perthes disease. Part I: classification of radiographs with use of the modified lateral pillar and Stulberg classifications. J Bone Joint Surg Am Vol 86-A(10):2103–2120CrossRef
Herring JA, Kim HT, Browne R (2004b) Legg-Calve-Perthes disease. Part II: prospective multicenter study of the effect of treatment on outcome. J Bone Joint Surg Am Vol 86-A(10):2121–2134CrossRef
Hresko MT, McDougall PA, Gorlin JB, Vamvakas EC, Kasser JR, Neufeld EJ (2002) Prospective reevaluation of the association between thrombotic diathesis and legg-perthes disease. J Bone Joint Surg Am 84(9):1613–1618PubMedCrossRef
Ippolito E, Tudisco C, Farsetti P (1987) The long-term prognosis of unilateral Perthes’ disease. J Bone Joint Surg Br Vol 69(2):24350
Joseph B, Nair NS, Narasimha Rao K, Mulpuri K, Varghese G (2003a) Optimal timing for containment surgery for Perthes disease. J Pediatr Orthop 23(5):601–606PubMedCrossRef
Joseph B, Varghese G, Mulpuri K, Narasimha Rao K, Nair NS (2003b) Natural evolution of Perthes disease: a study of 610 children under 12 years of age at disease onset. J Pediatr Orthop 23(5):590–600PubMedCrossRef
Kim HK (2010) Legg-Calvé-Perthes disease. J Am Acad Orthop Surg 18(11):676–686PubMedCrossRef
Kim HK (2011) Legg-Calve-Perthes disease: etiology, pathogenesis, and biology. J Pediatr Orthop 31(2 Suppl):S141–S146PubMedCrossRef
Kim HK, Wiesman KD, Kulkarni V, Burgess J, Chen E, Brabham C (2014) Perfusion MRI in early stage of Legg-Calvé-Perthes disease to predict lateral pillar involvement: a preliminary study. J Bone Joint Surg Am 96(14):1152–1160PubMedCrossRef
Kohn D, Wirth CJ, John H (1991) The function of the Thomas splint. An experimental study. Arch Orthop Trauma Surg 111(1):26–28PubMedCrossRef
Kumar D, Bache CE, O’Hara JN (2002) Interlocking triple pelvic osteotomy in severe Legg-Calve-Perthes disease. J Pediatr Orthop 22(4):464–470PubMedCrossRef
Legg AT (1908/1909) The cause of atrophy in joint disease. Am J Orthop Surg 6:84–90
Little DG, Kim HK (2011) Potential for bisphosphonate treatment in Legg-Calve-Perthes disease. J Pediatr Orthop 31(2 Suppl):S182–S188PubMedCrossRef
Liu SL, Ho TC (1991) The role of venous hypertension in the pathogenesis of Legg-Perthes disease. A clinical and experimental study. J Bone Joint Surg Am Vol 73(2):194–200CrossRef
Livesey JP, Hay SM, Bell MJ (1998) Perthes disease affecting three female first-degree relatives. J Pediatr Orthop B 7(3):230–231PubMedCrossRef
Manig M (2013) Legg-Calve-Perthes disease (LCPD). Principles of diagnosis and treatment. Orthopade 42(10):891–902; quiz 3–4
Mirovsky Y, Axer A, Hendel D (1984) Residual shortening after osteotomy for Perthes’ disease. A comparative study. J Bone Joint Surg Br Vol 66(2):184–188CrossRef
Nguyen NA, Klein G, Dogbey G, McCourt JB, Mehlman CT (2012) Operative versus nonoperative treatments for Legg-Calve-Perthes disease: a meta-analysis. J Pediatr Orthop 32(7):697–705PubMedCrossRef
Niethard FU (2010) Kinderorthopädie. Thieme, Stuttgart/New York
Perthes G (1910) Über Arthritis deformans juvenilis. Dtsch Z Chir 42:54–84
Purry NA (1982) The incidence of Perthes’ disease in three population groups in the Eastern Cape region of South Africa. J Bone Joint Surg Br Vol 64(3):286–288CrossRef
Raney EM, Grogan DP, Hurley ME, Ogden MJ (2002) The role of proximal femoral valgus osteotomy in Legg-Calve-Perthes disease. Orthopedics 25(5):513–517PubMedCrossRef
Royle SG, Galasko CS (1992) The irritable hip. Scintigraphy in 192 children. Acta Orthop Scand 63(1):25–28PubMedCrossRef
Salter RB, Thompson GH (1984) Legg-Calvé-Perthes disease. The prognostic significance of the subchondral fracture and a two-group classification of the femoral head involvement. J Bone Joint Surg Am Vol 66(4):479–489CrossRef
Sankar WN, Thomas S, Castañeda P, Hong T, Shore BJ, Kim HK (2014) Feasibility and safety of perfusion MRI for Legg-Calvé-Perthes disease. J Pediatr Orthop 34(7):679–682PubMedCrossRef
Schneidmueller D, Carstens C, Thomsen M (2006) Surgical treatment of overgrowth of the greater trochanter in children and adolescents. J Pediatr Orthop 26(4):486–490PubMedCrossRef
Schulitz K, Dunstmann H (1998) Morbus Perthes: Ätiopathogenese, Differentialdiagnose, Therapie und Prognose; mit 37 Tabellen, 2. Aufl. Springer, BerlinCrossRef
Senst S (2007) Morbus Perthes. Orthop Unfall up2date 2(3):225–242CrossRef
Siebenrock KA, Gautier E, Ziran BH, Ganz R (1998) Trochanteric flip osteotomy for cranial extension and muscle protection in acetabular fracture fixation using a Kocher-Langenbeck approach. J Orthop Trauma 12(6):387–391PubMedCrossRef
Sirvent N, Fisher F, el Hayek T, Appert A, Giudicelli H, Griffet J (2000) Absence of congenital prethrombotic disorders in children with Legg-Perthes disease. J Pediatr Orthop B 9(1):24–27PubMedCrossRef
Staheli LT, Chew DE (1992) Slotted acetabular augmentation in childhood and adolescence. J Pediatr Orthop 12(5):569–580PubMedCrossRef
Steel HH (1973) Triple osteotomy of the innominate bone. J Bone Joint Surg Am Vol 55(2):343–350CrossRef
Strobl W (2013) Das kindliche Hüftgelenk. Paediatr Paedol 48:13–20CrossRef
Stulberg SD, Cooperman DR, Wallensten R (1981) The natural history of Legg-Calve-Perthes disease. J Bone Joint Surg Am Vol 63(7):1095–1108CrossRef
Tönnis D (1984) Entwicklung des Gefäßsystems am Hüftgelenk und seine Variationen im Hinblick auf Ischämien. In: Die angeborene Hüftdysplasie und Hüftluxation im Kindes- und Erwachsenenalter. Springer, Berlin/Heidelberg. https://​doi.​org/​10.​1007/​978-3-662-06621-8_​3CrossRef
Tonnis D, Behrens K, Tscharani F (1981) A modified technique of the triple pelvic osteotomy: early results. J Pediatr Orthop 1(3):241–249PubMedCrossRef
Vegter J, Lubsen CC (1987) Fractional necrosis of the femoral head epiphysis after transient increase in joint pressure. An experimental study in juvenile rabbits. J Bone Joint Surg Br Vol 69(4):530–535CrossRef
Vosmaer A, Pereira RR, Koenderman JS, Rosendaal FR, Cannegieter SC (2010) Coagulation abnormalities in Legg-Calvé-Perthes disease. J Bone Joint Surg Am Vol 92(1):121–128CrossRef
Waldenström H (1920) Coxa plana, Osteochondritis deformans coxae. Zentralbl Chir 47:539
Wenger DR, Pandya NK (2011) Advanced containment methods for the treatment of Perthes disease: Salter plus varus osteotomy and triple pelvic osteotomy. J Pediatr Orthop 31(2 Suppl):S198–S205PubMedCrossRef
Westhoff B, Martiny F, Krauspe R (2014) Morbus Perthes. Z Orthop Unfall 152(6):617–635PubMedCrossRef
Wiig O, Terjesen T, Svenningsen S (2008) Prognostic factors and outcome of treatment in Perthes’ disease: a prospective study of 368 patients with five-year follow-up. J Bone Joint Surg Br Vol 90(10):1364–1371CrossRef
Wirth T, LeQuesne GW, Paterson DC (1992) Ultrasonography in Legg-Calvé-Perthes disease. Pediatr Radiol 22(7):498–504PubMedCrossRef
Wirth T, LeQuesne GW, Paterson DC (1993) Ultrasonography in Perthes’ disease. Clinical relevance and influence on treatment. Int Orthop 17(5):300–304PubMedCrossRef
Zahedi AR, Kalchschmidt K, Katthagen BD (2013) Tonnis and Kalchschmidt triple pelvic osteotomy. Oper Orthop Traumatol 25(5):457–468