Initialbehandlung
Bei Diagnosestellung steht die Verminderung des Stresses auf die Aortenwand durch Herzfrequenzkontrolle und Blutdrucksenkung im Vordergrund. Der Blutdruck sollte möglichst auf Werte von systolisch <120 mmHg durch kontinuierliche intravenöse Zufuhr von Antihypertonika (Beta-Blocker, Ca-Antagonisten, α1-Adrenozeptor-Antagonist) gesenkt werden. Bei seitendifferenten Blutdruckwerten muss sich die Therapie nach dem jeweils höheren gemessenen Blutdruckwert richten. In der Regel ist eine großzügige Analgosedierung mit zentral wirksamen
Analgetika (Morphine) und zusätzlicher Sedierung erforderlich. Großlumige peripher-venöse Zugänge und eine genaue Vorabinformation der Zielklinik sind selbstverständlich.
Es ist wichtig, zu bedenken, dass die Dissektion einen dynamischen Prozess darstellt. Insbesondere in den ersten Stunden kommt es häufig noch zu einem Fortschreiten des Dissektionsprozesses mit entsprechender Fluktuation der Symptomatik und evtl. frühsekundär auftretenden zusätzlichen Durchblutungsstörungen. Ein detaillierter Primärbefund des Notarztes oder der zuweisenden Klinik, insbesondere bezüglich neurologischer Ausfälle, abdominaler Beschwerden und Zeichen einer peripheren Minderdurchblutung ist daher für die Verlaufsbeurteilung besonders wesentlich. Die sog. Malperfusion mit konsekutiver Organischämie stellt einen Risikofaktor für eine deutlich erhöhte Mortalität dar.
Obwohl eine Analgosedierung notwendig ist und durchgeführt werden sollte, wird auf eine Narkose wenn möglich verzichtet. Blutdruckspitzen bei der Intubation können eine Ruptur der Aortenwand auslösen. Es sollte keine blutverdünnende Therapie bzw. Thrombozytenaggregationshemmung durchgeführt werden, da dies bei übersehener oder sich im Verlauf entwickelnder (gedeckter) Perforation oder bei einer notwendigen Operation erheblich verkomplizieren würde. Für den interhospitalen Intensivtransport solcher Patienten ist eine invasive Blutdruckmessung an der oberen Extremität zu fordern. Bei der Anlage dieser Blutdruckmessung ist darauf zu achten, dass sie auf derjenigen Seite angebracht wird, auf welcher der höhere Blutdruck zu messen ist. Für den Transport sind systolische Blutdruckwerte <120 mmHg anzustreben.
Ein begleitender
Perikarderguss liegt bei Typ-A-Dissektionen relativ häufig vor (30–40 %). Eine Entlastung durch eine Perikardpunktion sollte vor Ort aber nach Möglichkeit vermieden werden, um nicht aus der gedeckten Ruptur eine freie werden zu lassen. Lediglich bei vitaler Indikation (mangelnde Auswurfleistung, Gefahr der Herzbeuteltamponade) kann eine Perikardentlastung durch Legen eines Pigtailkatheters unter Echokardiografiekontrolle im Einzelfall indiziert sein.
Das Zeitintervall zwischen erster Symptomatik und operativer Versorgung ist bei der Typ-A-Dissektion für die weitere Prognose entscheidend. Ein möglichst effizienter Arbeitsablauf und schnellstmögliche Verlegung in ein Herz- und Gefäßzentrum ist in diesem Fall besonders wichtig. Insbesondere die detaillierte Vorabinformation der Zielklinik kann das weitere Vorgehen erheblich beschleunigen.
Chirurgische Therapie
Ziel der chirurgischen Behandlung der akuten Typ-A-Dissektion ist die Verhinderung der Ruptur, eine Wiederherstellung der Perfusion der ischämischen Regionen sowie ggf. die Korrektur einer Aorteninsuffizienz (Kouchoukos und Dougenis
1997).
Bei dem chirurgischen Eingriff wird die Einrissstelle („Entry“) in der Aorta ascendens und gegebenenfalls im Aortenbogen durch Resektion des betroffenen Aortenabschnitts entfernt und durch eine Gefäßprothese ersetzt. Die Gefäßprothese besteht aus gewebtem Polyester, und ist zur primären Blutdichtigkeit mit einer resorbierbaren Gelatinebeschichtung imprägniert. Für die proximale und distale Anastomose werden die disseziierten Aortenwandschichten unter Verwendung von filzarmierten Nähten und Gewebekleber readaptiert und stabilisiert.
Ist die Aortenklappe intakt und die Aortenwurzel nicht oder kaum betroffen, so kann ggf. ein suprakoronarer Ersatz der Aorta ascendens erfolgen. Besteht eine Beteiligung der Aortenwurzel mit komplexer Dissektion aller drei Sinus valsalvae, ein Aortenwurzelaneurysma mit einem Aortendurchmesser von über 4,5 cm oder ist eine Bindegewebserkrankung bekannt, sollte ein Aortenwurzelersatz durchgeführt werden.
Wenn die Aortenklappe aufgrund von deutlicher Degeneration oder anderen pathologischen Veränderungen nicht erhalten werden kann, wird sie durch einen kombinierten Ersatz der Aortenwurzel und der Aortenklappe mittels einer biologischen oder mechanischen klappentragenden Conduitprothese (sog. Bentall-Operation
) ersetzt. Die Herzkranzgefäße werden anschließend in die Conduitprothese reimplantiert. Ist die Aortenklappe intakt, kann alternativ ein klappenerhaltendes Operationsverfahren im Rahmen der akuten Typ-A-Dissektion eingesetzt werden (Miller
2003). Hier werden unter Erhalt der nativen Aortenklappe sämtliche dissezierten klappennahen Aortenabschnitte entfernt und anschließend die körpereigene Aortenklappe in die Gefäßprothese reimplantiert (sog. klappenerhaltender Aortenwurzelersatz nach David
oder Yacoub
; David und Feindel
1992; Yacoub et al.
1998). Anschließend müssen ebenfalls die Herzkranzgefäße in die Gefäßprothese implantiert werden (Kap. „Aneurysmen der Aorta ascendens“, Abschn. Aortenaneursyma, Operative Therapie). Die Freiheit von einer Reoperation an der Aortenklappe liegt bei der Reimplantationstechnik bei 94,8 % und die Freiheit von mittel- bis hochgradiger Aorteninsuffizienz bei 78,0 % nach 18 Jahren (David et al.
2014). Da bei den klappenerhaltenden Verfahren keine Blutgerinnungshemmung mit Marcumar notwendig ist, bieten sich die klappenerhaltenden Verfahren insbesondere bei jüngeren Patienten mit einer Bindegewebserkrankung (
Marfan-Syndrom) und für junge Frauen mit
Kinderwunsch an (Miller
2003; Kari et al.
2016).
Bei komplexer Dissektion des Aortenbogens und der Aorta descendens und bei jungen Patienten sollte aus prognostischer Sicht ein kombinierter Ersatz der Aorta ascendens, des Aortenbogens und der proximalen Aorta descendens mittels einer Hybridstentgraftprothese in Frozen-Elephant-Trunk-Technik (FET-Technik) erwogen werden (Ma et al.
2017).
Ziel der FET-Technik bei der
Aortendissektion ist es, durch Expansion des wahren Lumens die distale Perfusion zu verbessern und durch Verschluss der Intimaeinrisse in der Aorta descendens eine Okklusion des falschen Lumens zu erreichen (Jakob et al.
2011). Hierdurch kommt es zur Thrombosierung des falschen Lumens der deszendierenden Aorta, wodurch eine Obliteration des falschen Lumens mit konsekutivem Remodelling bis zu den mittleren Abschnitten der deszendierenden Aorta bei komplexen
Dissektionen erreicht werden kann (Dohle et al.
2016; Weiss et al.
2016). Studien haben gezeigt, dass dieses Vorgehen zu einem signifikant besseren Langzeitüberleben der Patienten führt (Uchida et al.
2009; Martens et al.
2016).
Der herzchirurgische Notfalleingriff erfolgt mit Hilfe der Herz-Lungen-Maschine im kardioplegischen Herzstillstand über eine mediane Sternotomie. Das Standardverfahren zur zerebralen Protektion bei der Versorgung einer akuten Typ-A-Dissektion stellt der hypotherme Kreislaufstillstand dar. Waren früher noch Eingriffe in tiefer
Hypothermie (18–20 °C) üblich, so haben sich, durch zusätzliche hirnprotektive Maßnahmen mittels selektiver antegrader Hirnperfusion und Neuromonitoring, Eingriffe in moderater Hypothermie (24–30 °C) während des Kreislaufstillstandes zunehmend etabliert (Misfeld et al.
2013; De Paulis et al.
2015). Dabei wird zum Schutz des Gehirns während des Kreislaufstillstandes Blut mit der Herz-Lungen-Maschine über spezielle Perfusionskatheter in den Kopf geleitet, wodurch eine kontinuierliche Durchblutung des Gehirns gewährleistet ist (Kap. „Aneurysmen des Aortenbogens: Klinik und konventionelle Therapie“). Einige Studien konnten durch den Einsatz der selektiven antegraden Hirnperfusion während des Kreislaufstillstandes eine Reduktion zerebraler Komplikationen wie
Schlaganfall nachweisen (Haldenwang et al.
2012; Kazui
2013).
Die operative 30-Tage-Mortalitätsrate bei einer akuten Typ-A-Dissektion liegt zwischen 17 und 26 % (Berretta et al.
2016). Anhand von Registerdaten des „International Registry of Acute Aortic Dissection“(IRAD) konnte gezeigt werden, dass durch kontinuierliche Verbesserung der chirurgischen Therapie und zusätzlicher hirnprotektiver Maßnahmen die operative Mortalitätsrate bei Patienten mit akuter Typ-A-Dissektion signifikant von 25 % auf 18 % über einen Zeitraum von 17 Jahren gesenkt werden konnte (Pape et al.
2015). Studien aus dem „German Registry for Acute Aortic Dissection Type A“ (GERAADA) von 56 Zentren in Deutschland, Österreich und der Schweiz zeigen ähnliche Ergebnisse. Die 30-Tage-Sterblichkeit nach chirurgischer Versorgung einer Typ-A-Dissektion betrug 16,9 % und die Rate neuer postoperativer neurologischer Dysfunktionen 9,5 % in einem Zeitraum von 2006 bis 2010 (Conzelmann et al.
2016; Boening et al.
2017).