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Klinische Neurologie
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Publiziert am: 22.06.2018

Epilepsien: Grundlagen und Klassifikation

Verfasst von: Anne-Elisabeth Bredel-Geissler und Barbara Tettenborn
Ein epileptischer Anfall ist durch eine episodische Funktionsstörung von Nervenzellen charakterisiert, die durch pathologische exzessive neuronale Entladungen infolge gesteigerter Erregbarkeit oder gestörter inhibitorischer Faktoren zustande kommt. Die klinischen Ausfälle hängen davon ab, welche Funktion die beteiligten Nervenzellen normalerweise besitzen. Prinzipiell unterscheidet man zwischen unprovozierten und provozierten Anfällen. Provozierte Anfälle werden durch exogene oder endogene Noxen ausgelöst und treten nicht unabhängig von diesem Auslöser auf. Das isolierte Auftreten eines epileptischen Anfalls ohne weitere richtungsweisende Befunde rechtfertigt nicht die Diagnose eines Anfallsleidens. Die Diagnose einer Epilepsie kann dann gestellt werden, wenn mindestens ein epileptischer Anfall aufgetreten ist und Befunde vorliegen, die auf die Prädisposition für weitere epileptische Anfälle hinweisen, z. B. epilepsietypische Potenziale im Elektroenzephalogramm und/oder zum Anfallsereignis passende strukturelle Läsionen in der Bildgebung. Die zuständige Task Force der Internationalen Liga gegen Epilepsie (ILAE) hat in ihrem offiziellen Bericht 2014 vorgeschlagen, Epilepsie zu definieren als jeden der folgenden Umstände: wenigstens 2 unprovozierte (oder Reflex-)Anfälle, die im Abstand von >24 h aufgetreten sind; ein unprovozierter (oder Reflex-)Anfall bei einer 10-Jahres-Wahrscheinlichkeit, die in etwa derjenigen entspricht, die nach 2 unprovozierten Anfällen besteht (≥60 %); Diagnose eines Epilepsiesyndroms. Die Rückbildung einer Epilepsie wird bei Personen angenommen, die entweder ein altersbezogenes Epilepsiesyndrom hatten und der relevanten Altersgruppe entwachsen sind oder die mehr als 10 Jahre anfallsfrei sind und seit mindestens 5 Jahren keine Antikonvulsiva mehr eingenommen haben. Es wurde somit neben einer gegenüber 2005 leicht überarbeiteten Epilepsiedefinition, in deren Zentrum die Rezidivwahrscheinlichkeit von >60 % steht, erstmals auch eine Definition für die Rückbildung der Epilepsie vorgeschlagen. Die Internationale Liga gegen Epilepsie (ILAE) hat kürzlich neue Klassifikationen für epileptische Anfälle sowie für Epilepsien und epileptische Syndrome vorgelegt. In den folgenden Abschnitten zu Epilepsien und epileptischen Anfällen wird die neue Klassifikation insofern berücksichtigt, als jetzt neue Begriffe für die Beschreibung der epileptischen Anfälle verwendet und den bisher gebräuchlichen gegenübergestellt werden. Neuerungen können auf diese Weise unkompliziert nachvollzogen werden. Die bisherigen Bezeichnungen für spezifische Epilepsiesyndrome werden in den folgenden Abschnitten beibehalten, da sie seit langer Zeit etabliert sind. Auf spezielle Empfehlungen der neuen Klassifikation wird jeweils verwiesen.