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Klinische Angiologie
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Publiziert am: 19.10.2022

Lymphozele und Lymphfistel

Verfasst von: Thiha Aung, Silke Haerteis und Lukas Prantl
Bei Lymphozelen handelt es sich um eine Ansammlung von klarer Lymphflüssigkeit, in einem anatomisch dafür nicht vorgesehenen Raum. Zur Bildung von Lymphozelen kommt es beispielsweise nach Lymphknotendissektionen oder gefäßchirurgischen Eingriffen. Zur Behandlung von Lymphozelen wurden unterschiedliche Therapien beschrieben, wozu konservative Therapie, niedrig-dosierte Radiotherapie, sklerosierend wirkende Substanzen und die sehr erfolgversprechende Therapieoption der (supra-)mikrochirurgischen Resektion der Lymphozelen mit Einsatz von Indocyanin-Grün-Lymphographie zählen.

Aufbau und Auftreten von Lymphozelen/Lymphfisteln

Bei Lymphozelen handelt es sich um eine Ansammlung von klarer Lymphflüssigkeit, in einem anatomisch dafür nicht vorgesehenen Raum (Abb. 1).
Lymphozelen bilden einen geschlossenen Hohlraum, der sich aufgrund der Verletzung von Lymphgefäßen ausgebildet hat. Sobald die Lymphozele durch die Haut perforiert, entsteht ein Lymphfistelgang bzw. eine offene Lymphfistel (Abb. 2). Im Gegensatz zu Lymphzysten sind Lymphozelen innen nicht mit Lymphendothel ausgekleidet (Schuchhardt und Herpertz 2000) (Abb. 3). Im Gegensatz zu Lymphozelen lassen sich bei Seromen in der Indocyanin-Grün-Lymphographie die Lymphflüssigkeit nicht nachweisen.
Zur Bildung von Lymphozelen kann es beispielsweise innerhalb von Tagen nach Operationen (häufig nach axillären sowie nach intraabdominellen und inguinalen Lymphknotendissektionen; nach Oberschenkel- bzw. Oberarmstraffungen; nach Sarkomresektionen oder auch nach Nierentransplantationen (ca. 5 %)) oder nach Verletzungen kommen. Das postoperative Erscheinen von Lymphfisteln und Lymphozelen ist insbesondere im Bereich der Leiste eine Komplikation, die nicht zu unterschätzen ist. Lymphozelen bilden sich bei ca. 2–3 % der Patienten nach gefäßchirurgischen Eingriffen in der Leistenregion (Pittaluga und Chastanet 2012; Twine et al. 2013; Kwann et al. 1979). Auch nach Operationen im Bereich des Lymphgefäßsystems, wie beispielsweise Sentinel-Lymphknotenbiopsie, können Lymphozelen als postoperative Komplikationen auftreten (Duvernay et al. 2012). Außerdem können Lymphozelen als Komplikationen bei Kanülierungen im Rahmen der ECMO in den Leistengefäßen erscheinen.

Symptome und Diagnostik von Lymphozelen

Je nach Größe und Lokalisation bleiben Lymphozelen symptomlos.
Erfahrungsgemäß weisen symptomatische Lymphozelen einen durchschnittlichen Durchmesser von mehr als 5 cm auf.
Zu typischen Symptomen zählen die prall-elastische Schwellung, teilweise mit lokalem Druckgefühl (Abb. 1), ferner lokale und systemische Entzündungszeichen im Falle bakterieller Infektion, bis hin zu Perforation mit Austritt von Lymphflüssigkeit (offene Lymphfistel, Abb. 2). Bei Infektionen von Lymphozelen kann es zu Infektionen von Gefäßprothesen bis hin zu nekrotisierender Fasziitis (Abb. 4 und 5) kommen.
Neben der klinischen Untersuchung ist eine der klassischen Diagnostikmethoden von Lymphozelen die Ultraschalldiagnostik. Erfahrene Untersucher können in die Lymphozele drainierende Lymphgefäße darstellen. Weitere bildgebende Diagnostik kann mittels CT oder MRT durchgeführt werden. Der Goldstandard zur Differenzialdiagnostik ist die Indocyanin-Grün-Lymphographie. Damit können prä-operativ die Lymphansammlungen und intraoperativ die zuführenden Lymphgefäße in die Lymphozele dargestellt werden. Differenzialdiagnostisch sollte man auch an Serome denken, welche in der ICG-Untersuchung keine Fluoreszenz aufweisen.

Behandlungsmöglichkeiten von Lymphozelen

Zur Behandlung von Lymphozelen wurden unterschiedliche Therapien beschrieben:
Eine konservative Therapie direkt nach der Operation kann in manchen Fällen (bei Lymphozelen bis zu einer Größe von ca. 5 cm) sinnvoll sein, um die Notwendigkeit von weiteren operativen Eingriffen zu reduzieren (Nowak et al. 2013).
Diese Behandlungen sind häufig nicht erfolgreich; die Anwendung von Kompressionsbandagen für mehrere Monate erhöht in manchen Fällen sogar das Risiko von Infektionen).
Eine standardisierte chirurgische Therapie, die aus einem akkuraten Verschluss der Wunde und einer 3-wöchigen Drainage besteht, führte bei ca. 80 % der Patienten, die post-operative Lymphozelen im Bereich der Haut nach Gefäßeingriffen im Bereich der Leiste aufwiesen, zur Abheilung der Lymphfisteln ohne weitere Infektionen oder Lymphozelenbildung nach einem Jahr Follow-up (Van den Brande et al. 2012). Im Gegensatz dazu beschrieb eine Meta-Analyse, dass aus einer Wund-Drainage nach einer Revaskularisierung der unteren Extremitäten kein Benefit resultiert (Karthikesalingam et al. 2008).
Teruel et al. hat den ersten erfolgreichen Fall zur Behandlung von Lymphozelen beschrieben, in dem er Povidon-Iod als sklerosierend wirkende Substanz eingesetzt hat (Teruel et al. 1983). Seitdem wurden mehrere sklerosierend wirkende Substanzen, wie z. B. Picibanil, Bleomycin, Polidocanol, eingesetzt (Fernandes et al. 2014; Clemens et al. 2012; Klode et al. 2010). Diese Therapie mit sklerosierend wirkenden Substanzen hat den Vorteil, dass sie leicht zu applizieren ist; andererseits können diese Substanzen bei wiederholter Gabe auch zu starken Entzündungen der Wand der Lymphozele und der lymphatischen Gefäße führen, was wiederum zu Fibrose und zu weiteren Komplikationen führen kann, insb. chronischen Lymphödemen an den betroffenen Extremitäten (Ten Hove et al. 2021).
Eine weitere Behandlungsoption besteht in der Anwendung von niedrig-dosierter Radiotherapie. Diese Therapie kann zur Reduktion des Volumens der Lymphozele führen, wenn konservative Therapien keinen Erfolg gezeigt haben (Jereczek-Fossa et al. 2015). Die Radiotherapie sollte bei Lymphfisteln und bei Lymphozelen mit einer Größe von mehr als 5 cm nicht angewendet werden.
Eine sehr erfolgversprechende Therapieoption ist die (supra-)mikrochirurgische Resektion der Lymphozelen.
Diese stellt einen wichtigen Bestandteil des integrierten therapeutischen Konzepts in der Lymphologie dar und sollte den Patienten angeboten werden, bei denen konservative Behandlungsmethoden nicht erfolgreich waren. Dabei hat sich die Anwendung der ICG (Indocyanin-Grün)-Lymphografie als besonders effektiv herausgestellt, die prä-/intraoperativ als diagnostisches und therapeutisches „Tool“ eingesetzt wird, um die Lymphozelen im Bereich der Leiste mittels Lymphografie und mikrochirurgischen Maßnahmen zu behandeln (Aung et al. 2012; Boccardo et al. 2014; Scaglioni et al. 2020; Todokoro et al. 2013). Damit kann eine Markierung der Lymphgefäße, welche in die Lymphozele einmünden, erfolgen. Nach Eröffnung des Lumens der Lymphozele werden die afferenten ICG-markierten Lymphgefäße präpariert/ligiert (Abb. 6). Abschließend erfolgt die Resektion der Lymphozele. Um ein Lymphödem zu vermeiden, werden nach der Resektion der Lymphozele die afferenten Lymphgefäße in die Vene umgeleitet und eine sog. lympho-venöse Anastomose gebildet (Abb. 1) (Boccardo et al. 2014; Scaglioni et al. 2020). phozelen
Lympho-venöse Anastomosen sind in der Behandlung von Lymphödemen der Extremitäten sehr gut etabliert.
Insbesondere bei pelvinen und inguinalen Lymphozelen ist eine Resektion der Lymphozele oder Resektion der Lymphozele in Kombination mit lympho-venöser Anastomose eine vielversprechende Therapieoption (Kempa et al. 2020). Die Erfolgsraten mittel-/langfristig sind vielversprechend, ohne Rezidive in der Nachbeobachtung der eigenen Fälle der Autoren. Eine weitere mögliche Behandlung v. a. bei größeren Lymphozelen stellt die Resektion von Lymphozelen zusammen mit einer Defektdeckung mittels einer Lappenplastik und einer lympho-venösen Anastomose dar.
Literatur
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Kempa S, Ried K, Zucal I, Brébant V, Aung T, Prantl L, Ortmann O, Inwald EC (2020) Supermicrosurgical LVA in abdominal lymphocele after gynecologic cancer treatment: a case report. Clin Surg 5:3012
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