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Kinderchirurgie
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Publiziert am: 09.10.2018

Varikozele

Verfasst von: Maximilian Stehr
Dilatierte und varizenartige Veränderungen des Plexus pampiniformis werden als Varikozele (Krampfaderbruch) bezeichnet. Vor der Pubertät ist die Varikozele selten, bei Jugendlichen in bis zu 15 % der Fälle zu sehen. Meist tritt sie linksseitig auf. In der Regel verursacht eine Varikozele keine klinischen Symptome. In wenigen Fällen geben die Patienten ein unbestimmtes Ziehen in der Leiste, mitunter auch Schmerzen an. Ausgeprägte Befunde können zur Schädigung des Hodenparenchyms sowie zur Volumenreduktion führen. Die Pathomechanismen sind dabei nicht vollständig geklärt. Bei Männern zeigt sich in diesen Fällen dann auch signifikant häufiger ein pathologisches Spermiogramm. Die Rolle der Varikozele bei Jugendlichen hinsichtlich der späteren Fertilität ist allerdings nicht eindeutig. So wird heute eine Operation nur bei einer deutlich erkennbaren Volumendifferenz beider Hoden (>20 % oder 2 ml) oder bei klinischen Beschwerden wie z. B. Schmerzen empfohlen.
Dilatierte und varizenartige Veränderungen des Plexus pampiniformis werden als Varikozele (Krampfaderbruch) bezeichnet. Vor der Pubertät ist die Varikozele selten, bei Jugendlichen in bis zu 15 % der Fälle zu sehen. Meist tritt sie linksseitig auf. In der Regel verursacht eine Varikozele keine klinischen Symptome. In wenigen Fällen geben die Patienten ein unbestimmtes Ziehen in der Leiste, mitunter auch Schmerzen an. Ausgeprägte Befunde können zur Schädigung des Hodenparenchyms sowie zur Volumenreduktion führen. Die Pathomechanismen sind dabei nicht vollständig geklärt. Bei Männern zeigt sich in diesen Fällen dann auch signifikant häufiger ein pathologisches Spermiogramm. Die Rolle der Varikozele bei Jugendlichen hinsichtlich der späteren Fertilität ist allerdings nicht eindeutig. So wird heute eine Operation nur bei einer deutlich erkennbaren Volumendifferenz beider Hoden (>20 % oder 2 ml) oder bei klinischen Beschwerden wie z. B. Schmerzen empfohlen.

Definition

Der venöse Blutabstrom des Hodens erfolgt über die V. testicularis, der des Nebenhodens über die V. ductus deferentis sowie der Hodenhüllen über die V. cremasterica. Untereinander bestehen zahlreiche Anastomosen. Dieses Venengeflecht wird als Plexus pampiniformis bezeichnet. Dilatierte und varizenartige Veränderungen des Plexus pampiniformis werden als Varikozele (Krampfaderbruch) bezeichnet (Miller et al. 2002).

Inzidenz

Bei präpubertären Knaben ist die Varikozele sehr selten (<1 % bei Knaben <10 Jahren) und wird erst mit der Pubertät häufiger. Etwa 15 % aller männlchen Adoleszenten weisen eine Varikozele auf (Alsaikhan et al. 2016). Wenn vorhanden, ist eine spontane Regression sehr unwahrscheinlich. Etwa 90 % der Varikozelen betreffen die linke Seite, etwa 2 % sind bilateral.

Ätiologie

Retrograder venöser Blutfluss in der V. testicularis bedingt die Varikozele. Hierbei spielt die unterschiedliche Anatomie zwischen rechter und linker V. testicularis möglicherweise eine Rolle und kann die Prädominanz der linken Seite erklären: Während die rechte V. testicularis spitzwinklig direkt in die V. cava inferior einmündet, mündet die linke V. testicularis eher rechtwinklig in die linke V. renalis. Außerdem liegt die Mündungsstelle der linken V. testicularis etwa 8–10 cm weiter kranial verglichen mit der Gegenseite. Möglicherweise ist so der venöse Abstrom behindert bzw. wird ein retrograder Blutfluss durch den höheren Abdominaldruck der linken venösen Abstrombahn begünstigt. Zudem werden fehlende oder inkompetente Venenklappen wie auch venovenöse Kollateralen in der Ätiologie diskutiert.
Sekundäre Varikozelen entstehen durch lokale, meist retroperitoneale Raumforderungen, die in jedem Fall im Rahmen der Diagnostik ausgeschlossen werden müssen.

Klinik

Eine klinische Manifestation ist abhängig vom Grad der Ausprägung der Varikozele. Die meisten Varikozelen sind niedergradig und damit klinisch asymptomatisch. Die Varikozele wird nach der WHO (1985) in verschiedene Grade eingeteilt (Tab. 1). In wenigen Fällen geben die Patienten ein unbestimmtes Ziehen bis zu Schmerzen in der Leiste oder ein Schweregefühl im Skrotum an. Oft wird dies auch im Zusammenhang mit sportlicher Aktivität berichtet.
Tab. 1
Gradeinteilung der Varikozele nach WHO
Varikozelengrad nach WHO
Befund
Subklinisch
Inspektorisch und palpatorisch kein Nachweis einer Varikozele; aber positiver dopplersonografischer Refluxnachweis
Grad I
Unter Valsalvamanöver tast-, aber nicht sichtbares Venenkonvolut
Grad II
Unter Ruhebedingungen tast-, aber nicht sichtbares Venenkonvolut
Grad III
Bereits unter Ruhebedingungen leicht tast- und sichtbares Venenkonvolut

Diagnostik

Die klinische Untersuchung sollte in liegender und stehender Position erfolgen. Hierbei tasten sich die schmerzfreien und zusammendrückbaren Venenkonvolute, die an einen „Beutel mit Würmern“ erinnern. Entscheidend ist die Beurteilung der Hodengröße und Konsistenz. Neben der Palpation und der Messung mit dem Orchidometer kommt hier der Sonografie große Bedeutung zu. Neben der exakten Bestimmung des Hodenvolumens hat unbedingt die Sonografie der Nieren zu erfolgen. Ein Nierentumor kann den venösen Abstrom der V. testicularis behindern und eine sekundäre Varikozele hervorrufen!

Pathophysiologie

Im Vordergrund steht eine mögliche Schädigung des Hodens. Morphologisch wird in bis zu 80 % eine Hypotrophie der betroffenen Seite beobachtet, die sich in gewissem Maß nach operativer Korrektur mit steigendem Hodenvolumen wieder erholt (Steeno et al. 1976). Histologische Untersuchungen zeigen tubuläre Alterationen (Miller et al. 2002) wie:
  • Reduzierte Anzahl an Spermatogonien,
  • erhöhte Aktivität der „reactive oxygen species“ (ROS),
  • Spermatogenesearrest,
  • eingeschränkte Funktion der Sertoli-Zellen,
  • Störungen der Lamina propria.
Der Zusammenhang dieser nachweisbaren Veränderungen mit der Varikozele ist derzeit nicht klar. Diskutiert werden mehrere Ursachen wie der Reflux adrenaler Metaboliten, Hypoxie (Camoglio et al. 2004) oder auch die resultierende thermische Schädigung. Die kontralaterale Seite kann hierbei mit betroffen sein. Als Zeichen einer eingeschränkten Leydig-Zellfunktion findet sich bei Patienten mit Varikozele eine mit dem Alter fortschreitende Erniedrigung der Testosteronkonzentration im peripheren Blut (Ishikawa und Fujisawa 2005).

Therapie

Insgesamt sind Varikozelen der häufigste Grund für eine reversible männliche Infertilität, dennoch sind 80 % der Varikozelenträger fertil (Miller et al. 2002). Damit ist der Sinn einer operativen Korrektur einer Varikozele zumindest fraglich. Zudem besteht keine Korrelation zwischen Hodengröße und Fertilität. Daher sollte die Indikation zur operativen Korrektur sehr zurückhaltend gestellt werden. Da andrologische Untersuchungen wie Samenanalyse im kindlichen Krankengut wegfallen, stützt sich die Indikationsstellung auf wenige Parameter, die eine operative Korrektur rechtfertigen. Dies sind:
  • Klinische Symptomatik wie Schmerzen, Ziehen in der Leiste oder z. B. Behinderung sportlicher Aktivität durch das Skrotalvolumen,
  • Hodenatrophie der betroffenen Seite von >20 % oder >2 ml,
  • ggf. nach der Pubertät reduzierte Ansprechbarkeit auf das Gonadotropin-releasing-Hormon (GnRH).
Ob durch die operative Korrektur die spätere Fertilität positiv beeinflusst wird und damit die Rate ungewollt verhinderter Vaterschaften vermindert werden kann, ist allerdings nicht sicher (Salzhauer et al. 2004).
Operationstechnisch unterscheidet man:
  • Offen chirurgische Verfahren,
  • laparoskopische Verfahren,
  • retrograde Embolisierung bzw. Sklerosierung,
  • antegrade Sklerosierung.
Allen Techniken gemein ist eine Unterbrechung des retrograden Flusses der V. testicularis mit oder ohne Schonung der A. testicularis bzw. der begleitenden Lymphgefäße. Als Hauptkomplikation muss die Ausbildung einer Rezidivvarikozele (4–37 %; Riccabona et al. 2003), einer Hydrozele (3–33 %; Miller et al. 2002) oder gar einer Hodenatrophie/-nekrose (<1 %) angegeben werden. Prinzipiell ist die Gefahr eines Rezidivs eher dann gegeben, wenn versucht wird, die A. testicularis zu schonen. Eine postoperative Hydrozele kann am ehesten durch Schonung der Lymphgefäße vermieden werden. Deshalb sollten (offen oder laparoskopisch) retroperitoneal die A. und V. testicularis durchtrennt werden (Palomo) unter möglicher Schonung der Lymphgefäße, die durch vorherige Farbstoffinjektion (1 % „isosulfan blue“) unter die Tunica dartos der betroffenen Skrotalseite sichtbar gemacht werden können (Riccabona et al. 2003; Abd Ellatif et al. 2011). Eine alternative Methode stellt die retrograde oder anterograde Embolisierung der V. testicularis dar (Tauber), bei allerdings etwas höherer Komplikationsrate. Hauptkomplikationen sind hier das Rezidiv (bis zu 25 %) und die Entwicklung einer Hydrozele (bis zu 9 %), selten eine Hodenatrophie (Miller et al. 2002).

Prognose

Die Bedeutung der Varikozele hinsichtlich der Fertilität ist bis heute nicht klar. Männer, die sich in einer Fertilitätssprechstunde wegen unerfüllten Kinderwunschs vorstellen, haben zu 20–40 % eine Varikozele (WHO 1992). Anders herum betrachtet sind aber 80 % der Männer, bei denen in der Adoleszenz eine Varikozele diagnostiziert wurde, fertil, und zwar ohne Unterschied zwischen denjenigen nach Korrektur der Varikozele und denjenigen ohne eine Korrektur (Bogaert et al. 2013). Hochgradige Varikozelen wirken sich wahrscheinlich negativ auf die Spermiogenese aus. Die Pathogenese ist hierbei unklar, Einflussfaktoren wie Hyperthermie, Hypoxie, aber auch Hyperperfusion des betreffenden Hodens und Reflux adrenerger Metabolite werden derzeit diskutiert. Bei hochgradigen Varikozelen kann ein Volumenverlust des betroffenen Hodens im Vergleich zu Gegenseite beobachtet werden. Bei einem Volumenunterschied von mindestens 10 % ist das Spermiogramm signifikant häufiger pathologisch. Häufig sind aber auch diese Patienten klinisch beschwerdefrei, auch spiegeln diese Beobachtungen keine verminderten Vaterschaften wider. Derzeit ist es nicht klar, ob durch eine frühzeitigere operative Korrektur auch asymptomatischer Patienten diesen ein therapeutischer Nutzen hinsichtlich der Spermiogenese zukommt (Mehta und Goldstein 2012). Letztlich fehlen bislang randomisiert kontrollierte Studien mit späterer Vaterschaftsrate als Endpunkt, um Subgruppen von Patienten identifizieren zu können, die hiervon profitieren würden (Bryan et al. 2017).
Literatur
Abd Ellatif ME, El Nakeeb A, Shoma AM, Abbas AE, Askar W, Noman N (2011) Dye assisted lymphatic sparing subinguinal varicocelectomy. A prospective randomized study. Int J Surg 9(8):626–631CrossRef
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Bogaert G, Orye C, DeWin G (2013) Pubertal screening and treatment for varicocele do not improve chance of paternity as adult. J Urol 189(6):2298–2303CrossRef
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Camoglio FS, Zampieri N, Corroppolo M, Chironi C, Dipaola G, Giacomello L, Ottolenghi A (2004) Varicocele and retrograde adrenal metabolites flow. An experimental study on rats. Urol Int 73(4):337–342CrossRef
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Mehta A, Goldstein M (2012) Varicocele repair for nonobstructive azoospermia. Curr Opin Urol 22(6):507–512CrossRef
Miller J, Pfeiffer D, Schumacher S, Tauber R, Müller SC, Weidner W (2002) Die Varicocele testis im Kindes- und Jugendalter. Urologe A 41(1):68–75CrossRef
Riccabona M, Oswald J, Koen M, Lusuardi L, Radmayr C, Bartsch G (2003) Optimizing the operative treatment of boys with varicocele: sequential comparison of 4 techniques. J Urol 169(2):666–668CrossRef
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Steeno O, Knops J, Declerck L, Adimoelja A, van de Voorde H (1976) Prevention of fertility disorders by detection and treatment of varicocele at school and college age. Andrologia 8(1):47–53CrossRef
World Health Organization (1985) Comparison among different methods for the diagnosis of varicocele. Fertil Steril 43:575CrossRef
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