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Enzyklopädie der Schlafmedizin
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Publiziert am: 01.02.2024

Verhaltensbedingte Insomnie im Kindesalter

Verfasst von: Leonie Fricke-Oerkermann
Bei der verhaltensbedingten Insomnie in der Kindheit handelt es sich um Ein- und Durchschlafstörungen, die im Kindesalter auftreten. Die Symptome des Kindes entsprechen den Kriterien für Insomnie. Im Unterschied zu Erwachsenen wird eine Einschlaflatenz bzw. nächtliche Wachliegezeit von mehr als 20 Minuten (Erwachsene mehr als 30 Minuten) gefordert. Es werden zwei Typen unterschieden: Einschlafstörung aufgrund inadäquater Einschlafassoziationen (sleep onset association disorder) und Schlafstörung aufgrund inkonsequenten Erziehungsverhaltens (limit setting sleep disorder).

Synonyme

Kindliche Insomnie

Englischer Begriff

behavioral insomnia of childhood

Definition

Bei der verhaltensbedingten Insomnie in der Kindheit handelt es sich um Ein- und Durchschlafstörungen, die im Kindesalter auftreten. Die Symptome des Kindes entsprechen den Kriterien für „Insomnie“. Im Unterschied zu Erwachsenen wird eine Einschlaflatenz bzw. nächtliche Wachliegezeit von mehr als 20 Minuten (Erwachsene mehr als 30 Minuten) gefordert. Es werden zwei Typen unterschieden:
  • Einschlafstörung aufgrund inadäquater Einschlafassoziationen (sleep onset association disorder)
  • Schlafstörung aufgrund inkonsequenten Erziehungsverhaltens (limit setting sleep disorder)
Bei der Einschlafstörung aufgrund inadäquater Einschlafassoziationen kann das Kind nur unter sehr speziellen Bedingungen einschlafen. Das Einschlafen ist ein langwieriger Prozess, und die Einschlafassoziationen sind in der Regel inadäquat. Liegen die speziellen Bedingungen für das Einschlafen am Abend nicht vor, so ist das Einschlafen bedeutsam verzögert oder der Schlaf ist in anderer Form gestört.
Bei der Schlafstörung aufgrund inkonsequenten Erziehungsverhaltens hat das Kind Ein- und/oder Durchschlafprobleme. Es versucht, das Zubettgehen hinauszuzögern, verweigert das Zubettgehen zu einer angemessenen Uhrzeit oder ins Bett zurückzugehen, nachdem es nachts erwacht ist. Die Eltern verwenden als Reaktion auf das kindliche Verhalten insuffiziente und ungeeignete Grenzsetzungen. Die Diagnose der Einschlafstörung aufgrund inadäquater Einschlafassoziationen oder der Schlafstörung aufgrund inkonsequenten Erziehungsverhaltens wird vergeben, wenn alle aufgeführten Kriterien innerhalb der letzten drei Monate erfüllt sind. Für die Diagnose des kombinierten Typs müssen die Kriterien für beide Typen zutreffen. Die Diagnose wird frühestens im Alter von sechs Monaten gestellt, da nicht davon ausgegangen wird, dass Kinder im Alter von drei bis sechs Monaten nachts regelmäßig durchschlafen. In seltenen Fällen kann die Diagnose jedoch schon in jüngerem Alter vergeben werden, wenn die Schlaflosigkeit stark ausgeprägt ist. Die Diagnose wird weiterhin nur dann gestellt, wenn die Schlafstörung nicht durch eine andere Schlafstörung besser erfasst wird und eine medizinische, neurologische und psychische Störung oder eine medikamenteninduzierte Störung als Ursache für die Schlafstörungen ausgeschlossen werden können. In der Internationalen Klassifikation der Schlafstörungen (ICSD) von 1990 wurden zwei extrinsische Schlafstörungen definiert, die den beiden eingangs genannten Typen der verhaltensbedingten Insomnie entsprachen, eine sogenannte Kindliche Einschlafstörung durch Fehlen des gewohnten Schlafrituals und eine sogenannte Kindliche Schlafstörung aufgrund mangelnder Schlafdisziplin. In der ICSD-2 von 2005 wird der Begriff Verhaltensbedingte Insomnie im Kindesalter erstmals verwendet und findet Eingang als Diagnose in der Hauptkategorie Insomnien. Im DSM-IV sowie auch im ICD-10 wird die primäre (nichtorganische) Insomnie nicht weiter in Subtypen aufgeteilt. Die „ICSD-3“ verzichtet zugunsten der umfassenden Diagnose Chronischen Insomnie ebenfalls auf die Unterteilung in Subtypen. In diesem Zusammenhang ist weiterhin zu beachten, dass die Diagnosekriterien der Insomnie für Erwachsene aufgestellt wurden und die Übertragbarkeit auf Kinder häufig schwierig ist, da sich im Kindesalter meist ein anderes Erscheinungsbild zeigt.

Genetik, Geschlechterwendigkeit

Die Prävalenz erscheint bei Jungen leicht erhöht, ohne dass die Differenz bisher durch ein signifikantes Studienergebnis belegt wäre. Es handelt sich um eine verhaltensbedingte Schlafstörung, eine genetische Grundlage ist nicht bekannt und darüber hinaus unwahrscheinlich.

Epidemiologie und Risikofaktoren

Beide Typen der verhaltensbedingten Insomnie treten schätzungsweise bei 10–30 % der Kinder auf. Angaben für den kombinierten Typ liegen bisher nicht vor. Die unterschiedlichen Prävalenzen in den vorliegenden Studien sind im Zusammenhang mit der verwendeten Definition zu sehen und stehen auch im Zusammenhang mit dem kulturellen Hintergrund.

Pathophysiologie, Psychophysiologie

Kindliche Einschlafstörungen aufgrund inadäquater Einschlafassoziationen
Sie stehen in Zusammenhang mit dem elterlichen Verhalten, der Interaktion während der Zubettgehsituation und dem kulturellen Hintergrund (Liu et al. 2005). Aus diesem Grund sollte die Interpretation des nächtlichen Erwachens und die Forderung des Kindes nach elterlichem Kontakt immer im Kontext der Familie und der Kultur betrachtet werden. Häufig steht dieser Typ der Schlafstörung in Zusammenhang mit ausgeprägtem Temperament des Kindes oder anderen Schwierigkeiten, bei denen die Eltern gefordert sind, das Kind zu beruhigen. Die Einschlafassoziationen, die die Kinder benötigen, bestehen bei vielen Kindern in Bedingungen, die eine starke Abhängigkeit zu der Bezugsperson verdeutlichen, wie beispielsweise spezifisches Schaukeln.
Schlafstörung aufgrund inkonsequenten Erziehungsverhaltens
Hier spielen die Eltern und die Eltern-Kind-Interaktion ebenfalls eine große Rolle. Einerseits wissen manche Eltern nicht, wie wichtig es für ihre Kinder ist, Grenzen gesetzt zu bekommen. Andererseits fehlen manchen Eltern die Fähigkeiten, adäquate Grenzen im Rahmen ihres Erziehungsverhaltens umzusetzen. Diesen Eltern ist bewusst, dass Grenzen Kindern Orientierung und Sicherheit bieten, sie sind jedoch nicht in der Lage, sie zu realisieren. Aus diesem Grund zeigen die Kinder häufig nicht nur nachts, sondern auch tagsüber Verhaltensprobleme. Manche Erziehungsprobleme sind auch in Verbindung mit elterlichen psychiatrischen Störungen wie Depression, Drogenabhängigkeit, Alkoholismus und anderen körperlichen Erkrankungen und/oder einer instabilen häuslichen Situation zu sehen. Ergänzend sind andere Belastungsfaktoren wie Doppelbelastung der Mutter durch Familie und Beruf zu berücksichtigen. Das Hinauszögern des Zubettgehens vom Kind kann in Einzelfällen der Bezugsperson auch im Sinne eines Sekundärgewinns angenehm sein, wenn er/sie einer eigenen Tätigkeit nachgeht und diese nicht unterbrechen möchte. In diesem Zusammenhang ist weiterhin zu berücksichtigen, dass es für die Eltern anstrengend ist, die Realisierung konsequenter und adäquater Grenzsetzungen durchzuhalten. Bei Kindern, die gegenwärtig oder früher medizinische Probleme hatten, fällt es Eltern ebenfalls häufig schwer, auf die Einhaltung von Regeln zu achten. Dies kann darauf zurückzuführen sein, dass sie ein schlechtes Gewissen haben oder sie glauben, dass sie ihrem Kind Regeleinhaltung nicht zumuten können.
Da kindliche Schlafprobleme meist Folge eines multifaktoriellen Geschehens sind, in dem sich verschiedene Faktoren ergänzen und verstärken (Abb. 1), ist weiterhin zu berücksichtigen, inwiefern ein erhöhtes Anspannungsniveau, ein unregelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus oder schlafbezogene Ängste (Angst vor der Dunkelheit, Alpträume, Angst vor dem Alleine-Schlafen) vorliegen. Bei der kindlichen Insomnie entsteht bei beiden Subtypen eine negative und unentspannte Atmosphäre im Zusammenhang mit dem Schlafen, da aufwendige Zubettgehrituale oder langdauernde Konflikte im Rahmen des Zubettgehens für die Eltern und auch die Kinder anstrengend sind. Dies kann das Risiko für Ein- und Durchschlafprobleme zusätzlich erhöhen, ebenso wie ungünstige Umgebungsfaktoren. Teilt das Kind das Schlafzimmer mit einem Elternteil oder einem anderen Geschwisterkind oder liegen in der Familie erschwerende Wohnverhältnisse (wie eine zu kleine Wohnung) vor, kann das zur Bildung negativer Einschlafassoziationen und weniger Regelvorgaben ergänzend beitragen. Auch die elterlichen Vorstellungen zum Schlaf, z. B. zum Schlafbedürfnis, können eine Störung begünstigen, da die Eltern das Kind zu früh ins Bett bringen.

Symptomatik

Beschwerden und Symptome

Die Beschwerden bestehen in Ein- und/oder Durchschlafschwierigkeiten des Kindes und sind in Zusammenhang mit einer erfahrungsabhängigen Ätiologie zu sehen. Die Schlafprobleme resultieren aus ungeeigneten Schlafassoziationen oder inadäquaten bzw. nicht realisierten Regeln für die Schlafsituation.
Die Einschlafstörung aufgrund inadäquater Einschlafassoziationen besteht darin, dass das Kind nur dann einschlafen kann, wenn bestimmte Bedingungen vorliegen. Dies können spezifische Stimulation durch Schaukeln, Fernsehen oder Autofahren, Objekte wie Fläschchen oder Settings wie ein erleuchteter Raum oder das Elternbett sein. Bei Abwesenheit dieser Bedingungen ist das Einschlafen nach dem Zubettgehen und auch beim Wiedereinschlafen nachts verzögert. Gewöhnlich wachen diese Kinder häufiger nachts auf und fordern bei jedem Erwachen, dass die benötigten Beruhigungsprozeduren erneut von den Eltern eingesetzt werden. In diesem Fall können die Kinder rasch einschlafen. Da jüngere Kinder häufig spezifische Bedingungen für das Einschlafen benötigen, ist die Definition der Schlafstörung aufgrund inadäquater Einschlafassoziationen so gewählt, dass die Einschlafassoziationen des Kindes problematisch in der Umsetzung sind, wie beispielsweise beim Autofahren, und sehr fordernd sein müssen, sodass in der Regel die Intervention der Bezugsperson erforderlich ist, um beim Einschlafen oder Wiedereinschlafen zu helfen. Ältere Kinder und Erwachsene sind unabhängiger in der Auswahl und in der Kontrolle ihrer Einschlafassoziationen, sodass dieses Problem in diesen Altersgruppen seltener auftritt.
Die Schlafstörung aufgrund inkonsequenten Erziehungsverhaltens ist charakterisiert durch eine verzögerte Zubettgehzeit oder verweigerndes Verhalten des Kindes, wenn es ins Bett gehen soll. Das verzögernde Verhalten des Kindes besteht zum Beispiel darin, die Routine des Zubettgehens oder das Lichtlöschen hinauszuzögern. Zum verweigernden Verhalten zählen unter anderem folgende Verhaltensweisen:
  • Das Kind weigert sich, sich bettfertig zu machen.
  • Das Kind weigert sich, im Bett/Schlafzimmer zu bleiben.
  • Das Kind folgt den Eltern/einem Elternteil aus dem Schlafzimmer.
Manche Kinder zeigen auch schlafbezogene Ängste. Hier ist zu unterscheiden, ob die kindlichen Ängste vom Kind vorgegeben werden, um das Zubettgehen zu verzögern oder ob tatsächlich schlafbezogene Ängste vorliegen, die im Kindesalter häufig vorkommen und in jedem Fall ernst genommen werden sollten. Schlafbezogene Ängste, wie Angst vor der Dunkelheit oder Angst im Raum allein zu schlafen, können die kindliche Insomnie zudem triggern. Grundsätzlich wird die Schlafstörung aufgrund inkonsequenten Erziehungsverhaltens als Resultat des nicht vorhandenen adäquaten Begrenzens des Kindes (limit setting) durch die Eltern angesehen. Beachten die Eltern die Einhaltung der Regeln, kann das Kind hingegen schnell einschlafen. Die Schlafstörungen des Kindes resultieren folglich oft aus den elterlichen Schwierigkeiten, Grenzen zu setzen und deren Einhaltung angemessen zu realisieren. Dabei ist es zusätzlich wichtig, dass die Eltern die Regeln nicht inkonsequent und für das Kind unvorhersehbar umsetzen, da die Eltern hierdurch das Problemverhalten intermittierend verstärken. Da sich die Forderungen des Kindes an dem elterlichen Verhalten orientieren, kann das Kind schnell lernen, wie es bestimmte Reaktionen oder Verhaltensweisen bei den Eltern auslösen kann, beispielsweise dass die Eltern nachgeben und ihm immer wieder erlauben, dass es später ins Bett gehen darf. Solange das Kind nicht aus dem Kinderbett klettern kann oder in ein Bett umgezogen ist, fällt den Eltern das Vorgeben von Grenzen leichter, sodass diese Form der Schlafschwierigkeiten zu diesem Zeitpunkt häufig noch nicht auftritt, es sei denn, die Eltern geben dem Kind schon frühzeitig und häufig nach.
Die Schlafstörungen können begleitet sein durch Verhaltensprobleme am Tage sowie Schwierigkeiten der Eltern, am Tage angemessene Regeln zu realisieren. Auch eine verminderte Konzentrationsleistung und niedrigere Schulleistungen können als Folge der Schlafproblematik auftreten. Weiterhin führen die nächtlichen Schlafstörungen oft zu verschlechtertem Schlaf bei den Eltern und damit assoziierten Tagesbeeinträchtigungen. Ehelicher Streit und Konflikte, die den Umgang mit den kindlichen Schlafproblemen betreffen, können sich verstärken. Insgesamt entwickeln die Eltern aufgrund der Belastung häufig negative Gefühle zum Kind, das ihren Schlaf stört und nächtliche Aufmerksamkeit fordert.

Erstmanifestation

Die Störung hat ihren Beginn meist während der späten Kleinkindzeit oder der Kindheit. Prädisponierende Faktoren sind möglicherweise entwicklungsbedingte Probleme wie die Trennungsangst und altersbedingte Entwicklungsschritte. Schlafstörungen aufgrund inkonsequenten Erziehungsverhaltens sind zum Beispiel häufiger, wenn das Kind alt genug ist, aus dem Kinderbettchen zu klettern oder in ein Bett umgezogen ist und wenn es erhöhte verbale Fähigkeiten besitzt und sich größere Unabhängigkeit wünscht.

Verlauf

Der Verlauf variiert und hängt von den Gründen der Schlaflosigkeit ab. Wenn die Eltern angemessene Regeln für die Schlafsituation umsetzen und die negativen und ungeeigneten Schlafassoziationen aufgelöst werden können, verbessert sich in der Regel der kindliche Schlaf. Grundsätzlich werden für das Kind mit dem Älterwerden Unabhängigkeit und Intimsphäre bedeutsamer, sodass sich die Schlafprobleme durch diesen Prozess ebenfalls reduzieren können. Komplikationen resultieren aus dem konsequenten Schlafmangel des Kindes, der zu Reizbarkeit, motorischer Unruhe, reduzierter Aufmerksamkeit und verminderter Schulleistung führen kann. Die Spannungen in der Familie werden zusätzlich auch durch den reduzierten Schlaf der Eltern erhöht.

Komorbide Erkrankungen

Schlafstörungen treten häufig komorbid zu anderen Erkrankungen auf. Vor allem die Verbindung zu psychiatrischen Störungen wurde empirisch mehrfach belegt. Die Assoziation zwischen Schlafstörungen aufgrund inkonsequenten Erziehungsverhaltens und hyperkinetischen Störungen ist in diesem Zusammenhang möglicherweise von besonderer Bedeutung (siehe auch „Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung“).

Diagnostik

Zur Diagnostik der kindlichen Schafprobleme muss zunächst eine ausführliche Anamnese mit einer differenzierten Schlafanamnese erfolgen. Grundsätzlich sollte sich die Anamnese nicht allein auf die Aussagen der Eltern stützen, sondern auch das betroffene Kind mit in die Anamneseerhebung einbezogen werden. Abgesehen von der Anamnese ist das Schlafprotokoll ein zentrales Diagnoseinstrument. Es sollte von den Eltern für zwei bis drei Wochen geführt werden. Je nach Alter des Kindes ist es sinnvoll, altersangepasste Schlafprotokolle für das Kind auszugeben, um auf diese Weise das Kind vermehrt in die Diagnostik und Behandlung einzubeziehen und die Perspektive des Kindes ebenfalls erfassen zu können. Zusätzlich sind eine organische Abklärung sowie eine psychologische oder psychiatrische Diagnostik notwendig. Wird das Kind im Schlaflabor untersucht, so ist die Polysomnographie unauffällig, wenn die Eltern präsent sind und geeignete Regeln vor Ort eingesetzt werden. Nächtliches Spontanerwachen des Kindes ist als normal einzuschätzen, es sei denn, das Kind fordert regelmäßige elterliche Interventionen als Antwort auf das nächtliche Erwachen.
Differentialdiagnostisch ist die kindliche Insomnie von den Störungen des zirkadianen Rhythmus abzugrenzen. Ein Verzögertes Schlafphasensyndrom oder zu frühe Zubettgehzeiten des Kindes können ebenso wie die Schlafstörung aufgrund inkonsequenten Erziehungsverhaltens zu Problemen beim Zubettgehen führen. In diesem Fall tritt das Einschlafproblem jedoch immer zur gleichen Uhrzeit in der Nacht auf, unabhängig von der Zubettgehzeit und dem Vermögen der Eltern, Grenzen zu setzen. Bei Vorliegen eines Unregelmäßigen Schlaf-Wach-Musters oder der inadäquaten „Schlafhygiene“ kommt es ebenfalls zu häufigem Erwachen. In diesen Fällen führt jedoch die direkte elterliche Intervention nicht zu einem schnellen Wiedereinschlafen. Weiterhin können „Angststörungen“ zu Schwierigkeiten beim Zubettgehen führen. Diese Kinder zeigen jedoch häufig auch am Tage Ängste. Verzögertes Einschlafen kann auch durch Medikamente ausgelöst werden. Organische Störungen wie „Gastroösophagealer Reflux“, „Asthma bronchiale“, Milchintoleranz und „Schmerz“ wie beispielsweise bei Otitis media können ebenfalls zu Ein- und Durchschlafproblemen führen (siehe auch „Schmerz“; „Insomnie bei Nahrungsmittelallergie“). Schlafstörungen wie die „Obstruktive Schlafapnoe“, das „Restless-Legs-Syndrom“ (RLS) und periodische Gliedmaßenbewegungen (siehe „Pperiodische Beinbewegungen“) sollten berücksichtigt werden. Wenn die Störung kürzer als drei Monate auftritt, ist an eine „Kurzzeit-Insomnie“ zu denken.
Die Diagnose der kindlichen Insomnie wird hingegen vergeben, wenn das Kind im Beisein von anderen Personen, wie beispielsweise Babysittern, zu Bett geht und ohne Probleme einschläft oder wenn es keine Schwierigkeiten hat, in anderen Situationen zu der gewünschten Zubettgehzeit einzuschlafen, beispielsweise auf der Couch im Wohnzimmer.

Prävention

Die Prävention kindlicher Schlafstörungen – speziell auch der Verhaltensbedingten Insomnie im Kindesalter – ist bisher in Studien nicht ausreichend untersucht. Es ist jedoch anzunehmen, dass die frühe Aufklärung der Eltern hinsichtlich der Entwicklung des kindlichen Schlafs und dem Umgang mit vorübergehenden Schlafproblemen sinnvoll ist, um länger andauernden Schlafstörungen vorzubeugen.

Therapie

Die Evaluation von Therapiemaßnahmen für kindliche Schlafprobleme ist bisher noch unzureichend.
Im Kleinkindesalter wurden vor allem behaviourale Methoden (z. B. graduelle Extinktion) untersucht (Ramchandani et al. 2000; Mindell 1999). Die untersuchten behavioralen Verfahren erwiesen sich insgesamt bei der Behandlung von Ein- und Durchschlafstörungen als wirksam. Für das Kindes- und Jugendalter wurden verschiedene Therapiekonzepte, die unterschiedliche Verfahren kombinieren, entwickelt und empirisch untersucht. Insgesamt konnte festgestellt werden, dass durch den Einsatz spezieller Programme das Schlafverhalten verbessert werden kann (Fricke et al. 2006; Moore et al. 2007; Roeser et al. 2015). Da sich die Befunde zum Teil auf kleine Stichproben stützen, unterschiedliche Ansätze untersuchen und auch die Altersgruppen variieren, sind die Ergebnisse schwer miteinander zu vergleichen. Es ist zu beachten, dass die Studien in der Regel nicht ausschließlich Kinder mit verhaltensbedingter Insomnie einbeziehen. Insgesamt fehlen randomisierte Studien im Kontrollgruppendesign an größeren Stichproben.
Neben der Schlafedukation („Kognitive Verhaltenstherapie“) und Vermittlung der Regeln der „Schlafhygiene“ sind bei der Behandlung der kindlichen Insomnie zwei Aspekte wichtig:
1.
Da die Schlafsituation meist für die ganze Familie negativ assoziiert ist, mit aufwendigen Einschlafprozeduren oder nervenaufreibenden Konflikten im Rahmen des Zubettgehens, treten positive Erlebnisse zwischen Eltern und Kind leicht in den Hintergrund. Hier ist es hilfreich, unabhängig von der Schlafsituation, die positiven Anteile der Beziehung zu stärken, um eine Basis für die Veränderung der Schlafproblematik zu bewirken.
 
2.
Neben dem Abbau der negativen Schlafassoziationen bzw. dem oppositionellem Verhalten im Rahmen der Schlafsituation ist es wichtig, ein positives Gefühl zum Schlafen beim Kind aufzubauen. Dies kann zum Beispiel durch ein abendliches Schlafritual mit Vorlesen oder Erzählen unterstützt werden. Ausreichend Körperkontakt wie abendliches Rückenkraulen helfen dem Kind, sich zu entspannen und sich leichter von den Eltern trennen zu können. Zum Abbau der ungünstigen Schlafassoziationen und des oppositionellen Verhaltens eignen sich verhaltenstherapeutische Interventionen, die auch in speziellen Fällen in Kombination mit Verstärkerplänen angewendet werden können. Vor allem bei der Schlafstörung aufgrund inkonsequenten Elternverhaltens müssen den Eltern Strategien vermittelt werden, wie sie mit Konflikten umgehen können, indem sie zum Beispiel lernen, wirkungsvolle Aufforderungen zu stellen, Regeln einzuführen und auf ihre Einhaltung zu achten.
 
Kindliche Schlafprobleme sind häufig beseitigt, wenn das Kind bei den Eltern schläft bzw. die Eltern beim Kind schlafen. Es ist jedoch erst dann von der Behebung der Schlafproblematik auszugehen, wenn das Kind konstant allein zu schlafen vermag.
Die medikamentöse Therapie kindlicher Schlafprobleme spielt eine untergeordnete Rolle und sollte zurückhaltend eingesetzt werden. Bei der Verhaltensbedingten Insomnie im Kindesalter ist sie nicht indiziert, da die Veränderung der Eltern-Kind-Interaktion im Rahmen der Schlafsituation die Ursache der Schlafstörungen darstellt.

Rehabilitation

Rehabilitationsmaßnahmen spielen in diesem Zusammenhang keine Rolle, da eine ambulante Intervention in der Regel ausreicht.

Nachsorge

Da nach Behandlung und Behebung der kindlichen Schlafprobleme alte Verhaltensmuster mit der Zeit leicht wieder entstehen können und dies zu einer erneuten Verstärkung der Problematik führen kann, wäre ein zeitlich versetzter Termin nach ein paar Wochen, einem halben oder einem Jahr für manche Familien sinnvoll.

Psychosoziale Bedeutung

Bisher liegen keine ausreichend gesicherten Ergebnisse zu Langzeitfolgen von kindlichen Schlafproblemen vor. Es gibt Hinweise darauf, dass Schlafprobleme bei Kleinkindern die Entwicklung von emotionalen und Verhaltensproblemen begünstigen (Sivertsen et al. 2015).

Prognose

Die kindliche Insomnie ist in der Regel bei der Anwendung geeigneter Therapiemaßnahmen gut zu behandeln (Stores 2001). Der Behandlungserfolg ist zu einem großen Teil von einer tragfähigen Eltern-Kind-Beziehung und der Motivation in der Familie abhängig. Bei einem Teil der betroffenen Kinder reduzieren sich die Schlafprobleme im Verlauf der Entwicklung ohne Intervention.

Zusammenfassung, Bewertung

Die Entwicklung und Evaluation von Therapiekonzepten für Kinder ist vor dem Hintergrund der Häufigkeit des Störungsbildes von großer Bedeutung. Da sich bei vielen betroffenen Kindern die Schlafprobleme nicht „auswachsen“ (Fricke-Oerkermann et al. 2007), ist eine möglichst frühzeitige Intervention sinnvoll, um auf diese Weise chronischen Schlafstörungen und anderen damit zusammenhängenden Verhaltensproblemen vorbeugen zu können.
Literatur
Fricke L, Lehmkuhl G (2006) Schlafstörungen im Kindes- und Jugendalter – Ein Therapiemanual für die Praxis. Hogrefe, Göttingen
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Mindell JA (1999) Empirically supported treatments in pediatric psychology: bedtime refusal and night wakings in young children. J Pediatr Psychol 24(6):465–481CrossRefPubMed
Moore BA, Friman PC, Fruzzetti AE, MacAleese K (2007) Brief report: evaluating the Bedtime Pass Program for child resistance to bedtime – a randomized, controlled trial. J Pediatr Psychol 32:283–287CrossRefPubMed
Ramchandani P, Wiggs L, Webb V, Stores G (2000) A systematic review of treatments for settling problems and night waking in young children. Br Med J 320:209–213CrossRef
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Sivertsen B, Harvey AG, Reichborn-Kjennerud T, Torgersen L, Ystrom E, Hysing M (2015) Later emotional and behavioral problems associated with sleep problems in toddlers. JAMA Pediatr 169(6):575–582
Stores G (2001) A clinical guide to sleep disorders in children and adolescents. Cambridge University Press, CambridgeCrossRef