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Enzyklopädie der Schlafmedizin
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Publiziert am: 04.02.2022

Schläfrigmachende Nebenwirkungen von gebräuchlichen Medikamenten zur Therapie psychiatrischer Erkrankungen

Verfasst von: Kai Spiegelhalder und Magdolna Hornyak
Viele Psychopharmaka haben sedierende Nebenwirkungen. Da zahlreiche psychische Erkrankungen mit Ein- und Durchschlafstörungen einhergehen, lassen sich diese Nebenwirkungen teilweise gezielt therapeutisch nutzen. Die sedierende Wirkung von Psychopharmaka kann jedoch auch ein schwerwiegendes Problem in der Behandlung darstellen. Tagesmüdigkeit, vermehrtes Schlafbedürfnis und daraus folgende körperliche Inaktivität können unter anderem zu verstärktem sozialen Rückzug, verstärkter depressiver Symptomatik, Gewichtszunahme, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Obstruktiver Schlafapnoe führen. In diesem Kapitel wird eine Übersicht über Psychopharmaka gegeben, die häufig zur Sedierung führen.

Englischer Begriff

sedating side-effects of drugs commonly used in the therapy of psychiatric disorders

Definition

Viele Psychopharmaka haben sedierende Nebenwirkungen. Da viele psychische Erkrankungen mit Ein- und Durchschlafstörungen einhergehen, lassen sich diese Nebenwirkungen teilweise gezielt therapeutisch nutzen. Die sedierende Wirkung von Psychopharmaka kann jedoch auch ein schwerwiegendes Problem in der Behandlung darstellen. Tagesmüdigkeit, vermehrtes Schlafbedürfnis und daraus folgende körperliche Inaktivität können unter anderem zu verstärktem sozialen Rückzug, verstärkter depressiver Symptomatik, Gewichtszunahme, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder „Obstruktive Schlafapnoe“ führen. Von der Sedierung unter Psychopharmaka gehen auch direkte Gefahren im Alltag aus, beispielsweise beim Arbeiten an Maschinen („Einschlafen am Arbeitsplatz“) oder im Straßenverkehr („Einschlafen am Steuer“). Die sedierenden Eigenschaften von Psychopharmaka sind meistens auf deren Histamin-1-antagonistische oder 5-HT2-antagonistische Wirkung zurückzuführen (siehe auch „Neurotransmitter“; „Antihistaminika“; „Hypnotika“). In diesem Kapitel wird eine Übersicht über Psychopharmaka gegeben, die häufig zur Sedierung führen (zu detaillierten Angaben siehe auch Benkert und Hippius 2014).

Grundlagen

Antidepressiva

Die sedierende Nebenwirkung von Antidepressiva wird bei der Behandlung von Patienten mit Insomnien genutzt, wobei es im Vergleich mit Benzodiazepin-Rezeptor-Agonisten vorteilhaft ist, dass unter Einnahme von Antidepressiva keine Toleranzentwicklung auftritt. Die schlafanstoßende Wirkung der sedierenden Antidepressiva ist meistens dosisabhängig und bereits zu Beginn der Behandlung vorhanden, was im Gegensatz zur antidepressiven Wirkung steht, die erst mit einer Latenz von Tagen bis Wochen eintritt.
Eine sedierende Wirkung ist bei folgenden Substanzen/Substanzgruppen häufig:
  • Trizyklische und Tetrazyklische Antidepressiva wie beispielsweise Amitryptilin, Trimipramin, Doxepin.
  • Mirtazapin, ein präsynaptischer Alpha-2- und postsynaptischer 5-HT2- und 5-HT3-Antagonist.
  • Trazodon, das nur schwache antidepressive Eigenschaften hat.

Phasenprophylaktika

In diese Substanzgruppe gehören Lithium und verschiedene Antiepileptika wie beispielsweise Carbamazepin, Valproinsäure und Lamotrigin. Überdosierung von Lithium verursacht Somnolenz. Zu sedierenden Nebenwirkungen der Antiepileptika siehe Beitrag „Schläfrigmachende Nebenwirkungen von gebräuchlichen Medikamenten zur Therapie neurologischer Krankheiten“.

Neuroleptika

Vor allem Substanzen aus der Gruppe der atypischen Neuroleptika, die nicht nur dopaminantagonistische, sondern auch serotonerge Wirkungen besitzen wie Ziprasidon und Aripiprazol, können zu Schlafstörungen führen. Andere atypische und typische Neuroleptika führen eher zu Müdigkeit und erhöhtem Schlafbedürfnis. Sowohl klassische als auch atypische Neuroleptika können sedierende Eigenschaften aufweisen. Diese können zur Behandlung von Symptomen wie innerer Unruhe, Anspannung und Agitiertheit gegeben werden. Folgende Substanzen/Substanzgruppen der klassischen „Neuroleptika“ haben ausgeprägte sedierende Eigenschaften:
  • Phenothiazine (z. B. Chlorpromazin, „Levomepromazin“, Perazin, Perphenazin, „Promazin“)
  • Thioxanthene (z. B. Chlorprothixen, Zuclopenthixol)
  • Butyrophenone (z. B. „Pipamperon“)
Folgende Substanzen/Substanzgruppen der atypischen Neuroleptika haben ausgeprägte sedierende Eigenschaften:

Anxiolytika

Beim Einsatz von Anxiolytika (in der Regel Benzodiazepine bzw. Benzodiazepin-Rezeptor-Agonisten) tritt meistens eine Sedierung auf (zur sedierenden Wirkung siehe „Benzodiazepine“).

Antidementiva

Leichte Müdigkeit als Nebenwirkung wird bei Memantine, einem NMDA-Antagonisten (NMDA = N-Methyl-D-Aspartat) beschrieben.

Medikamente zur Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen

In dieser Substanzgruppe ist vor allem Clomethiazol, eine am GABA-abhängigen Chloridionenkanal wirkende Substanz zu nennen. Clomethiazol wird im akuten Alkoholentzug verwendet. Es wirkt sedierend, hypnotisch und antikonvulsiv, besitzt jedoch Abhängigkeitspotenzial. Disulfiram hemmt die Alkoholdehydrogenase und führt beim Alkoholkonsum zum Anstieg des Alkoholabbauprodukts Acetaldehyd. Dies äußert sich in der Disulfiram-Alkohol-Reaktion, die mit Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerz und im Extremfall mit Atemdepression und Arrhythmien einhergeht. Disulfiram kann zudem leicht sedierend wirken.
Literatur
Benkert O, Hippius H (Hrsg) (2014) Kompendium der Psychiatrischen Pharmakotherapie, 10. Aufl. Springer Medizin Verlag, Heidelberg