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Die Urologie
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Publiziert am: 25.05.2022

Hodentumoren beim Kind

Verfasst von: Norbert Graf, Rhoikos Furtwängler und Raimund Stein
Hodentumoren im Kindesalter umfassen vor allem Keimzell-, seltener die Stromatumoren und paratestikuläre Weichteilsarkome. Selten kommt es zu einer Beteiligung des Hodens im Rahmen einer Infiltration durch ein Lymphom oder als Beteiligung bei einer Leukämie. Die Basisdiagnostik umfasst die Bildgebung des Lokalbefundes, der lymphatischen Abflusswege und der Lunge. Anhand der Tumormarker kann bereits oft eine sichere Diagnose gestellt werden. Die Therapie besteht aus einer vom lokalen Ausbreitungsgrad des Tumors und der Histologie abhängigen Kombination aus operativen, chemotherapeutischen und strahlentherapeutischen Maßnahmen. Lokalisierte Keimzelltumoren können bereits mit einer vollständigen Resektion geheilt werden, während metastasierte Chorionkarzinome trotzt guten Ansprechens auf eine multimodale Primärtherapie prognostisch ungünstig sind. Das Gesamtüberleben der kindlichen Hodentumoren ist abhängig vom histologischen Subtyp und liegt bei den häufigsten Keimzelltumoren über 90 %.
Hodentumoren im Kindesalter umfassen vor allem Keimzell-, seltener die Stromatumoren und paratestikuläre Weichteilsarkome (Göbel et al. 2013; Ferrari et al. 2002). Die meisten den intratestikulären Tumoren bei präpubertären Jungen sind gutartig. Diese werden jedoch in den meisten Studien nicht erfasst, da diese sich mit den malignen Tumoren befassen. Wesentlich seltener kommt es zu einer Beteiligung des Hodens im Rahmen einer Infiltration durch ein Lymphom oder als Beteiligung bei einer Leukämie. Im Rahmen von Systemerkrankungen wie einem alveolären Rhabdomyosarkom, Neuroblastom oder Ewing-Sarkom kann es in seltenen und dann weit fortgeschrittenen Fällen auch zu einer Hodeninfiltration kommen. Die Basisdiagnostik umfasst die Bildgebung des Lokalbefundes, der lymphatischen Abflusswege und der Lunge. Anhand der Tumormarker kann bereits oft eine sichere Diagnose gestellt werden.
Die Therapie besteht aus einer vom lokalen Ausbreitungsgrad des Tumors und der Histologie abhängigen Kombination aus operativen, chemotherapeutischen und strahlentherapeutischen Maßnahmen. Lokalisierte Keimzelltumoren können bereits mit einer vollständigen Resektion geheilt werden, während metastasierte Chorionkarzinome trotzt guten Ansprechens auf eine multimodale Primärtherapie prognostisch ungünstig sind. Das Gesamtüberleben der kindlichen Hodentumoren ist abhängig vom histologischen Subtyp und liegt bei den häufigsten Keimzelltumoren deutlich über 90 %.

Hodentumoren: Allgemeines

Klinik

Das Leitsymptom eines Hodentumors ist die schmerzlose Schwellung eines Hodens, die sich derb tastet als lokalisierte Verhärtung am Hoden. Differenzialdiagnostisch sind eine Hydrozele und die schmerzhafte Hodentorsion oder Entzündung abzugrenzen. Bei weit fortgeschrittener Erkrankung können auch Symptome der Metastasen, wie Hämoptoe bei Lungenmetastasen, eine palpable abdominelle Raumforderung oder Krampfanfälle bei Hirnmetastasen auftreten.

Diagnostik

Die gründliche klinische Untersuchung sollte insbesondere die Tannerstadien und gründliche Palpation der Lymphknoten umfassen und gezielt nach Zeichen eines Syndroms als Grunderkrankung fahnden. Der Hodentumor ist als derbe Konsistenz tastbar. Der hochauflösenden Sonografie kommt hier eine herausragende Bedeutung zu, da sie die Methode der Wahl zur Darstellung intra- und paratestikulärer Raumforderungen ist. Eine oligosymptomatische Epidydimitis kann sonografisch tumorös erscheinen, zeigt aber in der Regel eine für einen Tumor zu ausgeprägte Vaskularisation in der farbkodierten Duplexsonografie.
Es ist sinnvoll bereits bei Verdacht auf eine potenziell maligne Raumforderung des Hodens die weitere Diagnostik im interdisziplinären Team gemeinsam mit der Kinderonkologie zu planen und die zügige, aber elektive Histologiegewinnung unter Schnellschnittbedingungen anzustreben.
Neben der initialen Sonografie des Hodens und – des Abdomen mit Darstellung der links renalen und paraaortocavalen Lymphknotenstationen – ist bei V. a einen Hodentumor die Bestimmung der Tumormarker Beta-Humanes Chorion Gonadotropin (beta-HCG) und Alpha-Fetoprotein (AFP) obligat. Hierüber kann bereits differenzialdiagnostisch der Verdacht auf einen bestimmten Hodentumor gestellt werden. So weist der Dottersacktumor hohe AFP-Werte auf, während das Chorionkarzinom mit hohen ß-HCG Werten einhergeht. Bei der Bestimmung des AFP ist zu beachten, dass dieses im Neugeborenenalter physiologisch erhöht ist und daher altersadaptierte Normwerttabellen zu nutzen sind. Differenzialdiagnostisch können das Steißbeinteratom und das Hepatoblastom im Neugeborenen- und Kleinkindesalter mit exzessiv erhöhtem AFP einhergehen.
Das Ziel der bildgebenden Diagnostik ist einerseits die Dokumentation der Lokalausdehnung und andererseits der Ausschluss bzw. die Darstellung einer lymphogenen und/oder hämatogenen Metastasierung entlang des Retroperitoneums und in die Lunge nach Sicherung der histologischen Diagnose. Sie umfasst in der Regel:
  • MRT (Becken und Abdomen/Retroperitoneum)
  • CT-Thorax
  • Kraniale MRT (bei Chorionkarzinom oder hohem beta-HCG)

Biopsie und primäre Operation

In Abhängigkeit der Ausbreitung des Primarius sollte das weitere operative Vorgehen entschieden werden. Zur Gewinnung der Histologie stellt die Orchiektomie oder bei kleinen Tumoren das organerhaltende Entfernen des Tumors unter Bedingungen des Schnellschnittes die erste therapeutische Maßnahme dar. Nur so kann eine Übertherapie (Semikastratio) bei den meist gutartigen Tumoren bei präpubertären Jungen vermieden werden. Die Wundheilung ist nach einer Woche abgeschlossen, sodass nach Komplementierung der Diagnostik keine wesentliche Verzögerung besteht die weitere Therapie einzuleiten. Nur bei eindeutigem Hodentumor mit ausgedehnter Tumorerkrankung und entsprechender Symptomatik (z. B. Dyspnoe oder neurologischen Symptomen) sowie eindeutig erhöhten Tumormarkern (AFP, beta-HCG) kann auch ein neoadjuvantes Vorgehen ohne histologische Sicherung erwogen werden, da Keimzelltumoren sensibel auf Chemotherapie sind. Die primäre Therapie sollte immer im interdisziplinären onkologischen Team unter Einbindung der Kinderonkologen geplant werden.
Im Falle eines auf den Hoden bzw. das Skrotalfach beschränkten Tumors ist eine primäre, hohe inguinale Hodenfreilegung der nächste Schritt. Eine reine Biopsie ist bei einem lokalisierten Tumor nicht indiziert. Wenn eine komplette Tumorresektion (R0) bei noch genügend funktionierendem Hodengewebe möglich ist, so ist dies bei unklarer Histologie die Therapie der Wahl, da sonst ein Hoden bei gutartigen Tumoren unnötigerweise entfernt wird (Stein et al. 2020). Insbesondere bei Stromatumoren sollte eine radikale Orchiektomie vermieden werden. Nur bei ausgedehnten Keimzelltumoren und Weichteilsarkomen sollte die Orchiektomie erfolgen. Ein transskrotales Vorgehen muss vermieden werden, da hierbei das Risiko eines Lokalrezidivs signifikant erhöht wird. Die Möglichkeit des intraoperativen Schnellschnittes und des intraoperativen hochauflösenden Ultraschalls zum Ausschluss weiterer Läsionen muss gegeben sein.
Eine radikale Lymphknotendissektion des Retroperitoneums bei MRT-morphologisch unauffälligem Befund ist im Kindesalter obsolet. Selbst bei auffälligem Befund erfolgt zunächst eine Chemotherapie und nur bei Resttumor die sekundäre nervenschonende ejakulationserhaltende retroperitoneale Lymphadenektomie (RPLA).
Bei Verdacht auf ein Lymphom, das nur im Ausnahmefall isoliert am Hoden auftritt, sollte zunächst ein onkologisches Staging erfolgen und dann die operativ einfachste und mit den geringsten Folgen zugängliche Stelle gewählt werden, da Lymphome in der Regel mit systemischer Therapie in eine komplette Remission gebracht werden können. In der Regel benötigen diese Patienten auch keine Bestrahlung, weswegen für den Erhalt der Fertilität eine gute Chance besteht. Bei Verdacht auf ein Weichteilsarkom muss für die weitere genetische Differenzierung immer auch frisches Tumormaterial eingefroren werden.

Keimzelltumoren

Keimzelltumoren umfassen eine Gruppe heterogener Tumore, die sich von primordialen Keimzellen ableiten (Tab. 1). Sie treten klassischer Weise in den Gonaden auf, können aber auch in Mittellinienlokalisationen, also auch retroperitoneal, mediastinal oder hypophysär bzw. pineal im ZNS auftreten. Das Alter bei Diagnose unterscheidet sich je nach Subtyp (Vergleiche Tab. 1). Bis auf das reife Teratom handelt es sich in der Regel um Chemotherapie sensible und mäßig strahlenempfindliche Tumoren. Bei Diagnose, Verlaufsbeurteilung und Nachsorge können das alpha-Fetoprotein und beta-HCG eingesetzt werden. Im Neugeborenen und Säuglingsalter sind diese physiologisch erhöht.
Tab. 1
Keimzelltumorkomponenten Auftreten, Tumormarker und Therapieansprechen
Typ
Typisches Alter bei Auftreten
AFP
ß-HCG
Chemo-sensitivität
Radio-sensitivität
Teratom: differenziert (benigne)
Neugeborene
Kleinkinder
und jedes Alter
Nicht erhöht
Nicht erhöht
Gering
Variabel
Teratom:
undifferenziert
Jedes Alter, selten Neugeborene
Gering oder nicht erhöht
Nicht erhöht
Variabel
Variabel
Dottersack-tumor
Neugeborene
Kleinkinder
Stark erhöht
Nicht erhöht
Hoch
Mäßig
Chorion-karzinom
Jugendliche
Nicht erhöht
Stark erhöht
Hoch
Mäßig
Embryonales Karzinom
Vorwiegend Erwachsene
Nicht erhöht
Nicht erhöht
Hoch
Mäßig
Seminom, Germinom
Jugendliche und junge Erwachsene
Nicht erhöht
Nicht erhöht
Hoch
Hoch
Die neue WHO-Klassifikation der Keimzelltumoren berücksichtigt auch epigenetische und genetische Veränderungen und unterscheidet bei Adoleszenten und Erwachsenen zwischen Seminomen, Spermatozytischen Seminomen, Teratomen und Nicht-Seminomen (siehe Kap. „Hodentumor: Epidemiologie und Ätiologie“). Im Kindesalter liegen auch gemischte Formen mit Erhöhung beider Tumormarker vor. Histologisch zeigen sich Keimzelltumoren oft mit mehr als einer histologischen Komponente.
Insgesamt ist die Prognose mit 94 % Langzeitüberlebenden gut.

Epidemiologie

Keimzelltumoren treten im Verhältnis 0,8 männlichen zu 1 weiblichen Patienten auf. Die häufigsten Lokalisationen sind die Gonaden (20–30 %), vor ZNS (ca. 20 %) und Steißbein (ca. 20 %). Andere einschließlich mediastinaler Manifestationen (ca. 4 %) sind deutlich seltener. Die höchste Inzidenz findet sich bei Säuglingen mit 17 betroffenen Kindern auf 1 Million Kinder unter 15 Jahren. Die Inzidenz fällt dann ab, um mit Beginn der Pubertät wieder anzusteigen. Die unterschiedliche Pathogenese und Histogenese kindlicher Keimzelltumoren zeigen geschlechts- und altersabhängige Muster, die klinisch relevante Risikogruppen definieren (Calaminus et al. 2020).
Urogenitalfehlbildungen und Syndrome gehen mit einer erhöhten Inzidenz von Keimzelltumoren einher. Deutlich seltener treten Keimstrang-Stromatumoren (Granulosa-Zell- und Sertoli-Leydigzelltumor) auf, die nach einer kompletten Resektion unter Organerhalt keiner weiteren Therapie bedürfen. Eine kinderurologische Nachsorge ist notwendig. Bei fehlenden Tumormarkern steht die klinische Untersuchung und Bildgebung im Vordergrund. Bei einigen Patienten mit einem Sertoli-Leydigzelltumor liegt eine Keimbahnmutation von DICER1 vor. In diesen Familien kann eine Vorgeschichte von Pulmonoblastom, Wilmstumor oder zervikalem Rhabdomyosarkom bestehen. Die gutartigen Hodentumoren bedürfen nach der organerhaltenden R0 Resektion des Tumors ebenfalls keiner weiteren Therapie.

Klinik

Die schmerzlose Schwellung, bzw. eine Verhärtung am Hoden ist das Leitsymptom der Keimzelltumoren des Hodens, die im Säuglings- und Kleinkindesalter oft von der Mutter beim Wickeln festgestellt wird. Da das Wachstumsmuster dieser Tumoren meist indolent ist kann es sich über lange Zeit hinziehen. Junge, pubertierende Jugendliche hindert oft falsche Scham frühzeitig professionelle Hilfe aufzusuchen. Auf diese Weise können die Tumoren ein enormes Ausmaß annehmen (Abb. 1).

Diagnostik

Die Basisdiagnostik ist im Abschnitt Diagnostik zu Hodentumoren dargelegt. Aufgrund der Tendenz zur hämatogenen Metastasierung, ggf. auch unter Auslassung der pulmonalen Station, ist für Tumoren mit Chorionkarzinomanteilen eine erweiterte Diagnostik vor allem des Neurokraniums indiziert. Differenzialdiagnostisch muss vor allem das Weichteilsarkom abgegrenzt werden. Dies gelingt bei AFP und beta-HCG negativen Tumoren nur histologisch, auch wenn Keimzelltumoren eher testikulär und Weichteilsarkome in der Regel paratestikulär auftreten. Maligne Hodentumoren des Kindesalters werden entsprechend der Lugano-Klassifikation, postpubertäre Patienten entsprechend UICC klassifiziert (Göbel et al. 2000).

Risikostratifizierung und Therapie

Die Stratifizierung der Patienten erfolgt in Anlehnung an die Malignen Hodentumorstudie (MAHO) der GPOH entsprechend nach:
  • Histologie
  • Stadium
  • Resektionsstatus
Hieraus ergibt sich die risikoadaptierte Therapie (Tab. 2). Die unilaterale inguinale Freilegung mit kompletter Tumorresektion (R0-Resktion bei gutartigen/potenziell gutartigen Tumoren bzw. die hohe inguinale Orchiektomie bei den hoch-malignen Hodentumoren) sollte unter Schnellschnittbedingungen und der Option des intraoperativen Ultraschalls von erfahrenen Chirurgen erfolgen. Sie ist zunächst die alleinige Maßnahme („watch and wait“-Strategie) bei den Stromatumoren, Epidermoidzysten, dem differenziertem Teratom oder auch bei einem Dottersacktumor (Orchiektomie) im Stadium IA und IC bei Kindern unter 10 Jahren. In allen anderen Situationen ist eine Chemotherapie indiziert. Zeigt sich nach der initialen Chemotherapie noch Tumorgewebe in der Bildgebung so sollte dies, ähnlich wie bei den Erwachsenen (Siehe Kap. „Hodentumor: Therapie des Primärtumors“), im Rahmen einer Postchemo-Retroperitonealen Lymphadenektomie (RPLA) wenn möglich unter Erhalt der Nerven, reseziert werden. Eine primäre Resektion des Tumorgewebes ist nicht indiziert.
Tab. 2
Risiko- und Therapiestratifizierung bei Keimzelltumoren des Hodens im Alter unter 10 Jahren in Anlehnung an MAHO. (Stadium IA: Tumor auf Hoden beschränkt, Stadium IB: Tumor mit Infiltration des Samenstranges oder im kryptorchischen Hoden, Stadium IC: Tumor infiltriert Skrotalhaut oder transskrotal operiert)
Histologie
Stadium
Therapie
Teratom
lokalisiert
Watch & Wait
Dottersacktumor
IA
IC
Watch & Wait, bei nicht zeitgerechter Normalisierung des AFP ist eine Chemotherapie indiziert (ca. 5 % der Patienten)
Dottersacktumor
IB
> I
Chemotherapie; aber nur kleine Fallzahl, daher internationale Studien erforderlich
Mischtumoren
alle
Chemotherapie; aber nur kleine Fallzahl, daher internationale Studien erforderlich
Die Chemotherapie basiert auf einer Platin- (Cis- oder Carboplatin) und Etoposid-Blocktherapie, bei fortgeschrittenen Tumoren wird zusätzlich Ifosfamid gegeben. Ifosfamid und Etoposid können in ihrer Dosis bei Patienten mit ungenügendem Ansprechen eskaliert werden. Im metastasierten Stadium mit erzielter Remission kann auch eine Tandem-Hochdosistherapie mit autologem Stammzellrescue diskutiert werden. Die Strahlentherapie spielt in der Primärtherapie bei Kindern keine Rolle.

Prognose

Das Gesamtüberleben der Patienten mit einem Keimzelltumor im Kindesalter ist für die niedrigen Risikogruppen 100 % (Göbel et al. 2013). In dieser Gruppe kommt es in seltenen Fällen zu einem Rezidiv, das in der Regel durch eine Zweitbehandlung in eine anhaltende 2. Remission gebracht wird. Auch die höheren Risikogruppen haben ein Gesamtüberleben von über 70 %. Metachrone Erkrankungen treten bei 3–5 % der Patienten auf.
Selbst Patienten im Rezidiv haben noch eine Heilungsrate von mehr als 50 % (Göbel et al. 2000). Wegen der im Rezidiv diffusen Infiltration der Umgebung sollte nach Sicherung der Diagnose mit einer neoadjuvanten Therapie begonnen werden. Hier können erneut Platin, Etoposid und Ifosfamid Kombinationen zum Einsatz kommen. Die Chemosensibilität der Tumoren kann durch Tiefenhyperthermie noch weiter erhöht werden (Hyper-PEI). Bei unvollständigem Ansprechen auf die Therapie mit Hyper-PEI kann ein residualer Befund auch bestrahlt werden (45 Gy).

Paratestikuläre Weichteilsarkome

Paratestikuläre Weichteilsarkome machen rund 7 % aller Weichteilsarkome aus. In über 80 % der Fälle handelt es sich um embryonale Rhabdomyosarkome, die eine ausgezeichnete Prognose haben. Sehr viel seltener treten alveoläre Rhabdomyosarkome auf, die histologisch und molekulargenetisch (t(2;13)(q35;q14)) unterschieden werden können (Ferrari et al. 2002, 2004). Ihre Prognose ist mit 89 % Gesamtüberleben ungewöhnlich gut, weswegen die paratestikuläre Lokalisation in der Therapiestratifizierung der Kooperativen Weichteil Sarkom Studie (CWS) zu den prognostisch günstigen Tumoren gehört. In Ausnahmefällen treten auch andere Weichteilsarkome testikulär auf. Diese können histologisch differenziert werden. Eine molekulargenetische Untersuchung kann differentialdiagnostisch hilfreich sein, weswegen die Asservierung von tiefgefrorenem nativem Tumormaterial immer indiziert ist.
Die primäre Operation besteht in der Semikastration mit hohem Absetzen des Samenstrangs am inneren Leistenring von einem Leistenschnitt aus. Bei Infiltration des Skrotums muss eine Hemiskrotektomie erfolgen. Auf eine operative Revision der ersten Lymphknotenstation wird zunächst verzichtet. Alle Patienten werden chemotherapeutisch behandelt. Die wichtigsten Medikamente sind Vincristin, Actinomycin-D und Ifosfamid. Bei Verdacht auf einen Lymphknotenbefall in der Bildgebung (Größe > 2 cm und Kontrastmittelaufnahme) wird erst bei fehlendem Ansprechen auf die Chemotherapie eine Lokaltherapie notwendig. Die Operation erfolgt dann als rechts- oder linksseitige RPLA unter Erhaltung der Nerven (Siehe auch Kap. „Hodentumor: Therapie des Primärtumors“). Aufgrund der guten Ergebnisse der Weichteilsarkomstudien kann die operative Radikalität bei der Lymphknotenrevision begrenzt werden, wenn eine Bestrahlung des Lymphabflusses erfolgt. Indikation und Strahlendosis richten sich dabei nach Histologie, Stadium und Tumorresponse auf die Chemotherapie. Bei Jungen mit Befall des Skrotums muss das gesamte Skrotum im Strahlenfeld liegen. Eine wirksame Schonung des kontralateralen Hodens ist bei kindlichem Genital kaum möglich. Es resultiert dann eine Infertilität und oft auch ab der Pubertät ein Androgenmangel, der substituiert werden muss.

Lymphome

Primäre testikuläre Lymphome sind eine Rarität. Eine Beteiligung im Rahmen eines Non-Hodgkin-Lymphoms kann vorkommen (Dalle et al. 2001). Häufiger ist der Hoden im Rahmen einer akuten Leukämie beteiligt und fließt dann in die Therapieplanung ein. In der Regel kann durch die Polychemotherapie eine komplette Remission erzielt werden, so dass eine Bestrahlung des Hodens nur äußerst selten benötigt wird. Eine operative Entfernung des befallenen Hodens stellt bei Persistenz der Infiltration unter Therapie eine therapeutische Option dar. Die Prognose der jeweiligen Erkrankung wird durch einen Hodenbefall wenig beeinflusst.

Zusammenfassung

  • Hodentumoren: Keimzell-, seltener die Stromatumoren und paratestikuläre Weichteilsarkome;
  • Klinik: schmerzlose Schwellung des Hodens
  • Diagnostik: Bildgebung und Tumormarker (AFP, ß-HCG); Staging Untersuchungen zum Ausschluss von Metastasen
  • Therapie: unilaterale inguinale Freilegung mit kompletter Tumorresektion (R0-Resktion bei gutartigen/potenziell gutartigen Tumoren bzw. die hohe inguinale Orchiektomie bei den hoch-malignen Hodentumoren) unter Schnellschnittbedingungen und der Option des intraoperativen Ultraschalls von erfahrenen Chirurgen; adjuvante Therapie von ‚watch and wait‘ bis zu Kombination Chemo- und Strahlentherapie risikoadaptiert nach Histologie, Stadium, Resektionsstatus
  • Prognose: gut, ca. 90 % Heilrate, abhängig von Histologie und Stadium
Literatur
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Göbel U, Haas R, Calaminus G, Botorek P, Schmidt P, Teske C, Schönberger S, Schneider DT, Harms D (2013) Testicular Germ Cell Tumors in Boys < 10 Years: Results of the Protocol MAHO 98 in Respect to Surgery and Watch & Wait Strategy. Klin Padiatr 225:296–302
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