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Andrologie
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Publiziert am: 07.06.2022

Vasektomie

Verfasst von: Udo Engelmann und Simon Engelmann
Die Sterilisationsvasektomie ist eine sichere, standardisierte, einfach durchzuführende Verhütungsmethode mit geringen, harmlosen Akutkomplikationen und keinen ernsthaften Langzeitkomplikationen. Sie kann durch Refertilisierungseingriffe mit hoher Erfolgsrate und vergleichsweise günstigen Kosten rückgängig gemacht werden.

Geschichte der Sterilisationsvasektomie

Die ersten Vasektomien verlieren sich im Dunkel der Medizingeschichte. Sie wurden Ende des 19. Jahrhunderts durchwegs nicht aus Sterilisationsgründen, sondern unter anderen medizinischen Indikationen durchgeführt. Bei diesen frühen bekannt gewordenen Vasektomien herrschte die Ansicht vor, es könnten mittels der Durchtrennung der Samenleiter Prostataerkrankungen gebessert, Impotenz geheilt oder eine Lebensverlängerung erzielt werden. Die Vasektomie wurde regelrecht im Sinne eines „Jungbrunnens“ propagiert (Isnardi 1896; Wolfers und Wolfers 1974).
Auch Aspekte der Eugenik und der sozialen Kontrolle, propagiert vor allem von Ochsner (1899) und Sharp (1902), spielten als Indikationen eine wesentliche Rolle. In den zwanziger und dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts hatten eine Reihe von Staaten Gesetze, die eine Sterilisation aus eugenischen Gründen rechtfertigten. Die eugenischen Zwangssterilisationen im Dritten Reich führten dazu, dass überwiegend die gesetzliche Verankerung der eugenischen Sterilisation abgeschafft wurde. Aber einige Staaten behielten jene Gesetze bei und manche versuchten später, sie wieder anzuwenden. Drake et al. (1999) haben eine Übersicht zur wechselvollen Geschichte der Vasektomie gegeben und die unterschiedlichen Indikationen im Wandel der Zeiten herausgestellt.
Die Vasektomie aus Gründen der Kontrazeption wurde in den sechziger Jahren zunächst in den USA, danach in Europa und in Ländern der Dritten Welt populär. Staaten mit besonders hohem Bevölkerungszuwachs wie z. B. Indien und Thailand (Nirapathpongporn et al. 1990) richteten regelrechte Vasektomiecamps ein und die Sterilisation allgemein war nach Angabe von Smith et al. (1985) in den USA die am häufigsten gewählte Fertilitätskontrolle bei verheirateten Paaren unter 30 Jahren. In Deutschland ließ sich die Frequenz auf etwa 50.000 Sterilisationsvasektomien pro Jahr hochrechnen (Deindl 1990). Eine Represäntativbefragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ergab, dass 2 % der Männer die Vasektomie als Verhütungmethode verwenden.(Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 2018).

Soziale und bevölkerungspolitische Relevanz

Die Sterilisationsvasektomie ist nicht in allen Ländern populär, in einigen spielt sie überhaupt keine Rolle. Indien, China und – in geringerem Maße – auch Korea, Sri Lanka und Bangladesh haben Vasektomien in großem Rahmen durchgeführt (Ross und Huber 1983). Generell steht die Sterilisation beim Mann immer in Konkurrenz zu entsprechenden Eingriffen bei der Frau, die ironischerweise durch Vereinfachung der Techniken immer populärer wurden, obwohl doch die Vasektomie von je her technisch einfach war (Ross und Huber 1983). Immerhin hat die Einführung von minimalinvasiven „noscalpel“ Techniken die Akzeptanz der Vasektomie deutlich gesteigert (Xiaozhang und Shungiang 1993; Reynolds 1994; Ozvaris et al. 1998). Sie beruhen auf perkutaner Elektrokoagulation bzw. chemischer Denaturierung des Vas oder es kommen besondere Punktionsinstrumente zum Einsatz, die das chirurgische Trauma minimieren.
Auf die besonderen ethischen Gesichtspunkte bei der Sterilisation des Mannes in den Entwicklungsländern haben Rizvi et al. (1995) hingewiesen und die damals bestehende Präferenz der weiblichen Sterilisation mit einer Rate von 3:1 unter anderem damit erklärt, dass die Sterilisationsvasektomie als schlecht reversibel angesehen wird und damit unpopulär ist. Technologien wie Kryokonservierung von Spermien ständen nur reichen Ländern zur Verfügung.
In den USA ist nach einer Untersuchung mit Hilfe des „BehavioralRiskFactorSurveillance System“ der Prozensatz der Paare, die Verhütungsmaßnahmen benutzen, hoch und liegt zwischen 67 und 88 %. Frauen nehmen am häufigsten die Pille, Männer verlassen sich am häufigsten auf die Vasektomie (Bensyl et al. 2002). Nach einer anderen Untersuchung verlassen sich ca. 25 % der in Frage kommenden Paare auf die Sterilisation zur Empfängnisverhütung, mit deutlichen Unterschieden zwischen Weißen und Schwarzen: Bei den weißen Paaren waren Vasektomie und Tubenligatur etwa gleich vertreten, bei den Schwarzen überwog ganz eindeutig die Tubenligatur (Forste et al. 1995). In den USA haben Männer, die sich vasektomieren lassen, im allgemeinen ein überdurchschnittliches Bildungsniveau, ihre Familienplanung ist abgeschlossen und sie haben durch Beiträge in Zeitungen oder Zeitschriften von der Methode der Vasektomie erfahren (Kohli 1973). 30 Jahre später fanden sich keine wesentlichen Änderungen: Männer, die sich in den USA vasektomieren lassen, sind typischerweise gut gebildete, verheiratete, privat versicherte Weiße (Barone et al. 2004). In England ergeben sich hinsichtlich der Vasektomieakzeptanz für die einzelnen sozialen Klassen nur minimale Unterschiede (Wright et al. 1977). Die Akzeptanz der Vasektomie gegenüber der Tubenligatur stieg in England an (Rowlands und Hannaford 2003), ähnlich in Kanada: der Gebrauch der Pille und die Anwendung der Tubenligatur nahmen ab, die Rate der Vasektomie stieg an (Martin und Wu 2000). Mit dem Älterwerden der Bevölkerung ist die Vasektomie nicht mehr nur ein Thema junger Männer. Ältere Männer sind weiterhin sexuell aktiv und verlassen sich zur Antikonzeption auf die Vasektomie: In einer australischen Untersuchung von Männern mittleren Alters und älteren Männern waren 25,1 % vasektomiert, 5,6 % der vasektomierten Männer hatten keine Kinder und 37 % der Männer über 70 Jahre waren weiterhin sexuell aktiv (Holden et al. 2005).
Es konnte gezeigt werden, dass gerade vasektomie-willige Männer in partnerschaftsbetonten Beziehungen leben. Wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, ist sowohl eine günstige Verarbeitung als auch eine positive Beziehungsentwicklung zu erwarten (Goebel et al. 1987). Dies bedingt eine Selektion, die vor allem von den beratenden und operierenden Ärzten vorgenommen wird. In Deutschland werden ganz überwiegend Männer vasektomiert, die in stabilen Beziehungen leben. Die Vasektomieraten schwanken in den deutschsprachigen Ländern: in Deutschland 422 Sterilisations-vasektomien/Million Einwohner/Jahr, in Österreich nur 81 (Engelmann et al. 1990).

Indikation zur Sterilisationsvasektomie

Ganz im Gegensatz zu früheren, auch heute noch weitverbreiteten Ansichten meinen wir:
Die Indikation zur Sterilisationsvasektomie ist einfach zu stellen. Jeder mündige, einwilligungsfähige Mann kann sich dazu entschließen, seine Samenleiter zum Zwecke der Sterilisation durchtrennen bzw. verschließen zu lassen.
Eine besondere medizinische oder auch soziale Indikation braucht es hierzu nicht. Aber nicht wenige Ärzte, die Vasektomien durchführen, verlangen darüber hinaus das Vorliegen bestimmter Gegebenheiten, meist um die Entscheidung des Betroffenen abzusichern. In solchen Fällen wird beispielsweise eine gewisse Kinderzahl gefordert, eine stabile Beziehung mit vorliegendem Einverständnis des Partners wird gewünscht, schließlich werden die Chancen einer Refertilisation wider besseres Wissen zu niedrig angegeben. Damit werden die Betroffenen selektioniert, nur besonders fest Entschlossene sollen vasektomiert werden. Dieses Vorgehen mag einsehbar sein, es orientiert sich aber nicht am Verständnis eines mündigen Bürgers und Patienten. Er hat das Recht zu objektiver Aufklärung über Chancen und Risiken des von ihm gewünschten Eingriffs. Ihm darf durch (wohlmeinende) falsch-negative Aufklärung nicht die Möglichkeit genommen werden, sich zu einer Vasektomie zu entschließen. Das beschneidet nicht das Recht eines Operateurs, im Einzelfall die Durchführung einer Vasektomie abzulehnen.

Aufklärung und Einwilligung

Wie bei anderen operativen Eingriffen auch führen wir die Aufklärung und das Einholen der Einwilligung zur Sterilisationsvasektomie an einem anderen Tag als den Eingriff selbst durch. Wir folgen dabei den allgemeingültigen Regeln zur Operationsaufklärung, ohne die Beachtung von Besonderheiten. Wir fordern nicht, dass der Mann in einer Partnerbeziehung lebt/verheiratet ist, die Einwilligung der Partnerin ist nicht Bedingung für den Eingriff. Über den fast immer ambulant durchgeführten Eingriff wird wahrheitsgetreu aufgeklärt, die Chancen einer späteren Refertilisation werden gemäß den Angaben der Literatur geschildert und mit Durchgängigkeitsraten von 70–90 % dargestellt. Die akuten Komplikationen, bestehend aus Nachblutung und meist banalen Infektionen, sind selten und werden erwähnt. Die immer wieder diskutierten möglichen Zusammenhänge zwischen Sterilisationsvasektomie und anderen Erkrankungen wie z. B. Atherosklerose oder Prostatakarzinom und die Relevanz der zugehörigen Studien werden mit dem Patienten besprochen. Im Zweifel hilft dem Patienten die Schilderung des Arztes und seine Entscheidung als möglicher Betroffener. Besonderer Wert wird auf die notwendigen postoperativen Spermiogrammkontrollen gelegt. Wie bei allen operativen Eingriffen, ist auch bei der Vasektomie ein Aufklärungsgespräch anhand eines vorgefertigten Formulares mit entsprechenden individuellen Ergänzungen zu führen und zu dokumentieren.
Besonderheiten ergeben sich bei der Sterilisation von Personen, die nicht selbst in den Eingriff einwilligen können. Die Thematik ist durch die jüngere deutsche Vergangenheit besonders sensibel. Interessengruppen und besonders die Deutsche Gesellschaft für Medizinrecht (DGMR) haben sich in Publikationen, Vorträgen und Workshops des Themas angenommen. Der Gesetzgeber hat im seit 1992 geltenden Betreuungsrecht und im § 1905 BGB sowie § 1631 BGB die Sterilisation von nicht einwilligungsfähigen Personen geregelt.
Die Sterilisation von Minderjährigen ist verboten. Weder die Eltern noch das Kind können in die Sterilisation einwilligen (Hiersche und Hiersche 1995). Für die Sterilisation von nicht einwilligungsfähigenBetreuten müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein (§ 1905 BGB):
  • Die Sterilisation darf dem Willen des Betreuten nicht widersprechen.
  • Der Betreute muss auf Dauer einwilligungsunfähig bleiben.
  • Es muss anzunehmen sein,
  • dass es ohne die Sterilisation zu einer Schwangerschaft kommen würde,
  • dass infolge dieser Schwangerschaft eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren zu erwarten wäre, die nicht auf zumutbare Weise abgewendet werden könnte und
  • dass die Schwangerschaft nicht durch andere zumutbare Mittel verhindert werden kann.
Die Einwilligung bedarf der Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes. Die Sterilisation darf erst zwei Wochen nach Wirksamkeit der Genehmigung durchgeführt werden. Es ist stets der Methode der Vorzug zu geben, die eine Refertilisierung zulässt.
Verfahrenstechnisch hat der Gesetzgeber detaillierte Regelungen erlassen: Für den Arzt, der die Sterilisation durchführen soll, ist wichtig: Es müssen die Genehmigungen des Vormundschaftsgerichtes und die Einwilligung eines unabhängigen Sterilisationsbetreuers vorliegen. Der Arzt muss – soweit ihm dies möglich ist – die gesetzlichen Voraussetzungen prüfen und vor dem Eingriff hervortretende Willensäußerungen des Betroffenen respektieren. Insgesamt ist die Sterilisation geistig Behinderter mit so vielen Regularien behaftet, dass dem Arzt, der nicht häufiger mit diesem Problem konfrontiert wird, zu raten ist, den Fall an eine entsprechende erfahrene Einrichtung abzugeben.

Operative Technik der Sterilisationsvasektomie

Die Sterilisationsvasektomie ist ein gutes Beispiel dafür, dass man auch einfache Dinge kompliziert gestalten kann. Was soll eigentlich erreicht werden? Ziel der Operation ist es, zuverlässig die Samenleiter für Spermatozooen zu verschließen, dies permanent oder mindestens solange es der Patient wünscht. Bei uns hat sich folgendes Vorgehen bewährt:
In einem ambulanten Eingriff wird eine Samenstrangblockade beidseits angelegt. Nur ausnahmsweise erfolgt der Eingriff in Allgemein- bzw. Regionalanaesthesie. Der Samenleiter wird im Skrotalbereich digital lokalisiert und falls nötig, wird die Lokalanästhesie durch örtliche Infiltration ergänzt. Nachdem man sich überzeugt hat, dass die Betäubung gut sitzt (!), wird der Samenleiter mit einer kleinen Tuchklemme durch die Haut fixiert, die Skrotalhaut auf eine Länge von 0,5 bis 1 cm inzidiert, das Vas deferens hervorluxiert und über zwei Klemmen durchtrennt (Abb. 1). Ein Stück von 1 cm Länge wird entfernt und in Formalin fixiert. Die Samenleiterenden werden ligiert, elektrokoaguliert und in verschiedene Gewebeschichten verlagert. Die Zugangswunde wird mit einer Einzelknopfnaht verschlossen (Abb. 2). Das Vorgehen auf der Gegenseite ist identisch. Die Wunden werden mit zwei kleinen Hautpflastern bedeckt. Nach einer Stunde wird der Lokalbefund nochmals kontrolliert und der Patient in häusliche Pflege entlassen.
Wichtig ist folgendes: Der Patient soll gut aufgeklärt sein und keine Angst vor dem Eingriff haben. Im Zweifel wirkt eine Prämedikation Wunder. Bei sensiblen Patienten empfiehlt sich ein intravenöser Zugang. Denn auch bei diesem kleinen Eingriff darf nicht vergessen werden, dass Notfallmaßnahmen erforderlich werden können. Die Akutkomplikationen sind selten, treten sie aber auf, so sind sie äußerst irritierend. Selbst kleinere Blutungen breiten sich in dem lockeren Gewebe aus und ein faustgroßes Skrotalhämatom kann resultieren.

Technische Modifikationen

Die oben beschriebene Technik, die sich uns seit dreissig Jahren bewährt hat, ist eine Kombination mehrerer Maßnahmen: Der Gebrauch eines speziellen Punktionsinstruments hat als „noscalpel“ Technik weltweite Verbreitung gefunden, die Elektrokoagulation der Vas-Enden bzw. die Interposition von Bindegewebe (fascialinterposition – FI) ebenso. Labrecque et al. (2004) schlossen in ihrem systematischen Überblick, dass die „noscalpel“ Vasektomie der sicherste operative Zugang zum Vasdeferens ist und dass die FI in Kombination mit Elektrokoagulation die Okklusionsergebnisse weiter optimieren kann. Zu ähnlichen Resultaten kommen auch Cook et al. (2007a, b) in zwei Cochrane-Übersichten: die „noscalpel“-Technik hat geringere Raten an Hämatomen, Infektionen und geringere postoperative Schmerzen als die herkömmliche Inzisions-Technik, FI reduzierte die Rate von Vasektomie-Versagern (Cook et al. 2014).

Wirksamkeit und Kosteneffektivität

Die Vasektomie gehört bei richtiger Durchführung zu den sichersten kontrazeptiven Methoden. Die Vasektomie gehört mit einem Pearl-Index von 0,1 zu den sichersten Verhütungsmethoden (Trussell et al. 2018). Damit ist die Vasektomie noch effektiver als die Tubenligatur (PI = 0,2–0,3). Ein Versagen ist zurückzuführen auf eine Rekanalisation des durchtrennten Vas in bis zu 1,5 % (auch als Spätrekanalisation nach zwei negativen Ejakulatuntersuchungen noch möglich in 0,04 – 0,2 %), auf das äußerst seltene Vorliegen eines Vasduplex oder auf die inkompletteDurchtrennung eines Samenleiters. Mit mangelnder Erfahrung, schlechter Technik und bei unübersichtlichen anatomischen Verhältnissen steigen die Versagerraten an. Im Rahmen des GKV-Modernisierungsgesetzes, welches zum ersten Januar 2004 in Kraft trat, wurde entschieden, dass Sterilisationsmaßnahmen, die keiner medizinischer Begründung unterliegen, nicht von den Krankenkassen getragen werden müssen. Darunter fällt auch die Vasektomie. Diese ist seither eine sog. IGEL-Leistung, ist somit vom gesetzlich versicherten Patienten selbst zu tragen und wird in der Regel nach der Gebührenordnung für Ärzte (GoÄ) abgerechnet. Eine Vasektomie in Lokalanästhesie beläuft sich hierbei auf rund 300–500 €. (Deutscher Bundestag 2017).
Die Vasektomie ist die kosteneffektivste Verhütungsmethode (Nakhaee et al. 2002), Kosteneinsparungen im Gesundheitswesen durch die Vasektomie können beträchtlich sein (Sonnenberg et al. 2004).

Komplikationen

Es ist zu unterscheiden zwischen den akuten postoperativen Komplikationen und den Langzeitkomplikationen. Hämatome wechselnder Ausprägung, Epididymitis oder Wundinfektionen bis hin zum Abszeß kommen in 1–6 % vor (Alderman 1991; Schwingl und Guess, 2000; Adams 2009). Dies mag hoch erscheinen, es ist aber in Rechnung zu stellen, dass es sich um einen kleinen Eingriff handelt, der von einer großen Zahl von Operateuren ausgeführt wird, von denen einige nur wenig Erfahrung haben. Gerade der vermeintlich harmlose Eingriff verleitet dazu, ihn ambulant, rasch, „im Vorübergehen“ durchzuführen. Der Preis ist zwangsläufig eine ansteigende Rate an akuten Komplikationen. Diese führen durchaus zu einer kurzfristigen Arbeitsunfähigkeit von durchschnittlich 2,3 Tagen (Randall und Marcuson 1985). Ernste Komplikationen treten so gut wie nicht auf; Todesfälle, die dem Vasektomieeingriff zugeordnet werden können, sind nicht beschrieben, während immerhin in den USA etwa 14 Todesfälle/Jahr einem Sterilisationsverfahren bei der Frau zuzuschreiben sind. Auch hinsichtlich der Kosten ist die Vasektomie der Tubenligatur deutlich überlegen, die kurzfristigen Kosten der Tubenligatur sind etwa 3–4 mal höher (Smith et al. 1985; Hendrix et al. 1999).
Die operativen Langzeitkomplikationen bestehen einmal in der Rekanalisation, zum anderen in der Entwicklung von Spermagranulomen. Die Rekanalisationsraten werden mit 0–3 % beschrieben, die tatsächliche Höhe hängt mit der angewandten Technik zusammen. Resektion langer Vas-Teile, Versenkung der Stümpfe in verschiedenen Gewebeschichten, Verklebung oder Fulguration der Lumina, all diese Maßnahmen sind geeignet, das Rekanalisationsrisiko zu minimieren. Umgekehrt kann eine minimal invasive Technik, angewandt womöglich mit Blick auf eine spätere Refertilisation, die Rekanalisationsrate enorm (bis auf 50 %) steigern (Goldstein 1983). Das Auftreten von Spermagranulomen variiert ebenfalls beträchtlich und ist mit dem operativen Vorgehen korreliert. Die Angaben der Literatur schwanken zwischen 3 und 75 %. Hinsichtlich einer späteren Refertilisierungschance ist ein Spermagranulom sogar positiv zu bewerten, reduziert es doch den Druck im Nebenhodentubulus und verringert so das Risiko eines „Blow out“. Darunter wird eineTubulusruptur verstanden, die bei der Rekonstruktion eine Vasoepididymostomie erfordert, die aber je nach Rupturort technisch nicht möglich sein kann.
Wichtig ist, den Patienten über die Akutkomplikationen und besonders über die Möglichkeit des Versagens aufzuklären, er muss darauf hingewiesen werden, dass es im Einzelfall auch bei mehrfach nachgewiesener postoperativer Azoospermie im weiteren Verlauf noch zu einer Rekanalisation kommen kann. Soll dies sicher ausgeschlossen werden, so muss der Samenleiter am besten sehr lang (mehrere Zentimeter) reseziert werden und es ist eine Polyorchie oder ein Vasduplex auszuschließen. Zur Festigung der Beweislage in späteren Haftungsfragen empfiehlt es sich, die Samenleiterresektate histologisch untersuchen zu lassen, um die Resektion des vasdeferens in kompletter Wandstärke zu belegen.

Vasektomie und Langzeitmorbidität

Stauungsbeschwerden, Schweregefühl des Hodensund Nebenhodens sowie ziehende Schmerzen unterschiedlicher Ausprägung werden gelegentlich von den Patienten geklagt, sind aber vorübergehender Natur. Chronische Nebenhodenschmerzen werden in der Praxis gelegentlich geklagt, sie sind in der Literatur schlecht dokumentiert. Spermienantikörper können im Serum bei bis zu 70 % der Betroffenen nachgewiesen werden (Heidenreich et al. 1994; Adams und Wald 2009). Ihr Auftreten ist häufig mit Spermagranulomen vergesellschaftet. Wird eine Refertilisation gewünscht, ziehen wir weder aus dem Vorliegen von Spermienantikörpern noch aus der Titerhöhe Konsequenzen, sondern führen die Refertilisation in jedem Fall durch.
Im Laufe der Zeit ist die Vasektomie mit verschiedenen Erkrankungen in ursächliche Verbindung gebracht worden. Beruhend auf Untersuchungen an Affen wurde 1978 vermutet, dass die Vasektomie das Auftreten arteriosklerotischer Veränderungen begünstigt. In mehreren großen Untersuchungen mit über 10.000 Männern wurde dann festgestellt, dass für Arteriosklerose, Diabetes mellitus und immunologische Erkrankungen kein erhöhtes Risiko bei Vasektomierten besteht (Nieschlag 1987; Giovanucci et al. 1992). Das Risiko cardiovaskulärer Erkrankungen ist nach Vasektomie auch im Langzeitverlauf nicht erhöht, wie die Untersuchungen von Manson et al. (1999) aus der „Physicians’ Health Study“ zeigen. Vor einigen Jahren wurde aufgrund von retrospektiven Untersuchungen auf eine möglicherweise erhöhte Inzidenz des Prostatakarzinoms bei Vasektomierten hingewiesen (Giovanucci et al. 1993). Diese Thematik wurde sodann wissenschaftlich näher beleuchtet. In einer groß angelegten Beobachtungsstudie konnte kein Zusammenhang zwischen Vasektomie und Prostatakarzinom festgestellt werden (Byrne et al. 2017). Davenport et al. stellte 2019 in einer Studie ein gering höheres Aufkommen von Prostatakarzinomdiagnosen bei Vasektomie-Patienten gegenüber nicht vasektomierten Patienten fest (hazardratio 1.05 (95 % CI, 1.01–1.11) (Davenport et al. 2019). Eine kausale Erklärung gibt es bis dato nicht. Naheliegend ist, dass sich vasektomierte Patienten aufgrund der durchgeführten Operation in urologischer Anbindung befinden und somit ein Prostatkrebsscreening und PSA-Wert Bestimmungen regelmäßiger und häufiger durchgeführt werden als bei nicht vasektomierten Patienten.
Die Sterilisationsvasektomie begünstigt das Auftreten eines Prostatakarzinoms nach derzeitiger Kenntnis nicht.

Psychosexuelle Auswirkungen

Die Geschichte der Vasektomie zeigt, dass die psychosexuellen Auswirkungen, die mit einer Vasektomie verbunden sind, durchaus nicht immer negativ sein müssen. Im Gegenteil, die Tatsache, in einer Beziehung verantwortungsvoll das Problem der Kontrazeption gelöst zu haben, wirkt sich meist positiv aus (Weidner und Weißbach 1992). Die Angst vor ungewollten Schwangerschaften wird genommen, dies kann zur Steigerung des sexuellen Erlebens führen (Vaughn 1979; Miltsch und Senn 1999; Bertero et al. 2005). Umgekehrt können jene Männer, die zur Vasektomie gedrängt wurden (Vasektomiecamps!), deren Religion die Vasektomie missbilligt oder sie sogar verbietet, deren Partnerin nicht einverstanden ist oder die nicht suffizient aufgeklärt worden sind, den Eingriff konfliktbeladen und komplikationsbehaftet erleben. Entscheidend sind also die Ausgangssituation des Betroffenen, seine Erwartungen, die er in den Eingriff setzt und wie er über die Vasektomie aufgeklärt wird. Korrekte Aufklärung, präoperative Sterilisationsberatung und postoperative Betreuung sind Schlüsselfaktoren. So können am besten Befürchtungen des Mannes, seine männliche Identität und Maskulinität würden beeinträchtigt, ausgeräumt werden. Langzeitnutzen und Effektivität der Sterilisationsvasektomie werden weiterhin kontrovers diskutiert (Jequier und Pryor 1998), bis hin zu falschen Entwicklungen, dass Kryokonservation des Samens die Refertilisation – oder noch fataler – eine regelrechte Aufklärung und Beratung vor der Sterilisationsvasektomie ersetzen könne.

Refertilisation

Geschichte der Refertilisierungsoperationen

Einzelne Mitteilungen zur Vasovasostomie nach akzidenteller Durchtrennung des Vasdeferens gibt es seit Beginn dieses Jahrhunderts. Nach dem 2. Weltkrieg wurden die eigentlichen Refertilisierungseingriffe, nämlich Vasovasostomien und Vasoepididymostomien nach absichtlicher Durchtrennung der Samenleiter häufiger und 1948 präsentierte O’Connor die erste nationale Umfrage zur Vasovasostomie. In den USA wurden solche Umfragen 1973 (Derrick et al. 1973) und 1979 (Wicklund und Alexander 1979) wiederholt. Für Deutschland, Österreich und die Schweiz ergab sich 1990 folgende Situation (Engelmann et al. 1990): Mit der Zunahme der Sterilisationsvasektomien wurde auch der Wunsch nach einer Reversion des Eingriffs häufiger. Die Gründe dafür sind zwar vielfältig, es lassen sich aber drei wesentliche herausstellen. Der häufigste Grund für eine Refertilisierung ist die Ehescheidung mit neuer Ehe oder Partnerschaft. In zweiter Linie folgen Ehepaare, die sich bei abgeschlossener Familienplanung für eine Vasektomie entschieden hatten, und die nun ihre Meinung änderten oder den unerwarteten Tod eines ihrer Kinder zu beklagen hatten. Drittens führen eine Besserung der wirtschaftlichen Situation, die nun die Realisierung eines Kinderwunsches möglich macht, zur Entscheidung für eine Refertilisation.
Die Refertilisationsvasovasostomie wird seit mehr als 40 Jahren durchgeführt; anfängliche makroskopische Techniken wurden zugunsten mikrochirurgisch-zweischichtiger Operationen, von denen vor allem Silber (1977) exzellente Operationsergebnisse mitteilte, fast völlig verlassen. Die Verbesserung der Operationsergebnisse betraf vor allem die mechanische Durchgängigkeit der Anastomose, sie muss als eigentlicher Kontrollparameter der chirurgischen Qualität angesehen werden. Eine Diskrepanz besteht zwischen der in vielen Fällen wiederhergestellten Durchgängigkeit des Vasdeferens und der daraus resultierenden Fertilitätsrate, die doch deutlich geringer ist.

Bedarf und Häufigkeit der Refertilisierung

Der potenzielle Bedarf an Refertilisierungsoperationen lässt sich aus der Zahl der durchgeführten Sterilisationsvasektomien, der Ehescheidungsrate und anderer (sekundärer) Parameter anhaltsweise hochrechnen. Er wurde in den USA mit 250.000–300.000 Eingriffen/Jahr angegeben (Cos et al. 1983). Im deutschsprachigen Europa wurden laut einer Umfrage aus dem Jahr 1990 3,5 % der Sterilisationsvasektomien refertilisiert, die angegebenen Refertilisationswünsche lagen doppelt so hoch (Engelmann et al. 1990). In Schweden betrug die Refertilisationsfrequenz 0,5 – 5,4/100.000 Einwohner (Ehn und Liljestrand 1997). in den USA betrug die Refertilisationsrate knapp 2 % (Sharma et al. 2013).

Vasovasostomie

Indikation, Aufklärung, Einwilligung und Kostenübernahme

Der typische refertilisationswillige Patient kontaktiert seinen Arzt, meist seinen Urologen, nicht selten denjenigen, der zuvor die Vasektomie durchführte. Die Indikation ergibt sich aus dem Wunsch des Patienten, dieser wiederum leitet sich von den oben genannten Gründen ab. Zur Refertilisationsoperation ist wie sonst auch wahrheitsgetreu aufzuklären. Die Invasivität des Eingriffs ist durchaus jener der Vasektomie zu vergleichen, nur ist der Eingriff technisch viel schwieriger. Allein aus diesem Grunde empfiehlt sich eine Allgemeinnarkose und der Eingriff sollte im Rahmen eines kurzen stationären Aufenthaltes durchgeführt werden. Als Faustregel geben wir die Durchgängigkeitsraten mit 80 % an, die Schwangerschaftsraten ca. 20 % niedriger. Liegt die Vasovasostomiemehr als 5 Jahre zurück, reduzieren wir die Angaben um weitere 20 %. Institutsbesonderheiten (positiv wie negativ) müssen Ewähnung finden. Auf die Möglichkeit eines „Blow out“ im Nebenhodenbereich oder sogar im Retetestis soll hingewiesen werden, dies bedingt eine Vasoepididymostomie oder kann den Eingriff aus technischen Gründen unmöglich machen.
In Deutschland werden die Kosten einer Refertilisierung in der Regel von den kostenerstattenden Stellen nicht übernommen. Ausnahmen können der Tod eines Kindes mit psychischer Belastung des Vaters oder persistierende Schmerzen bei Spermagranulomen darstellen. In solchen Fällen soll die Kostenübernahme vor dem Eingriff geklärt werden. Nach Heidenreich et al. (2000) und Schroeder-Printzen et al. (2003) betragen die Kosten pro Geburt nach Vasovasostomie nur ein Fünftel derjenigen nach MESA/TESE und ICSI.

Technik der Vasovasostomie

Der Patient wird in Rückenlage gelagert, üblicherweise wird ein skrotaler Zugang bilateral oder median in der Raphe gewählt, seltener inguinal oder suprapenil-infrapubisch. Meist sitzt der Operateur bei der Operation, die Säule des OP-Tisches soll nicht hindern, das Operationsmikroskop muss schon bei der Lagerung plaziert werden. Eine Operationsdauer von 2–3 Stunden sollte eingeplant werden, ein Dauerkatheter wird deswegen gelegentlich gelegt. Unterschiedliche Techniken wurden angegeben, zunächst rein makroskopische Verfahren mit oder ohne Splintung des Lumens, später mikrochirurgische Techniken mit Lupenbrille oder Operationsmikroskop.
Makrochirurgische Technik. Operationstechniken ohne optische Hilfsmittel oder mit geringer Vergrößerung werden wegen ihrer Einfachheit auch heute noch von einigen bevorzugt. Feber und Ruiz haben 1999 bei einer Durchgängigkeitsrate von 87 % und einer Schwangerschaftsrate von 50 % die Vorteile makroskopischer Technik vor allem in kurzer OP-Zeit, reduzierten Kosten und geringerer operativer Geschicklichkeit gesehen. Es war das Verdienst von Silber (1977), der auf die anatomischen Besonderheiten des durchtrennten Vas mit den Größenunterschieden der hodenwärtigen dilatierten und hodenabgewandten, nicht dilatierten Seite hinwies und anschaulich machte, dass sich gute Operationsergebnisse am sichersten mit einer anatomisch korrekten Adaptation der Lumina erreichen lassen.
Mikrochirurgische Technik. In unseren Augen ist eine rein makroskopische Technik bei der Refertilisation obsolet. Ist sie bei der Vas-Anastomose zwar möglich, aber hinsichtlich der Durchgängigkeit unterlegen, so wird eine durchgängige Vaso-Epididymostomie reiner Zufall, wenn nicht ganz unmöglich. Ob man sich einer Lupenbrille, meist mit 2–8 facher Vergrößerung bedienen soll oder ob man ein Operationsmikroskop mit dem Vorteil der Variabilität von Vergrößerung und Gesichtsfeld heranziehen soll, ist primär eine Sache der persönlichen Präferenz, wenn auch die noch besseren Durchgängigkeitsraten wohl mit dem Operationsmikroskop zu erzielen sind.
Liegt eine skrotale Vasektomie vor, so legen wir die Vas-Stümpfe beidseits über einen scrotal lateralen Zugang frei. Die narbig veränderten Stümpfe werden reseziert, die Durchgängigkeit in Richtung Urethra prüfen wir nach Insertion einer dünnen flexiblen Teflon-Kanüle und vorsichtige Injektion von physiologischer Kochsalzlösung. Die Flüssigkeit, die aus dem distalen Vas-Ende austritt, wird im Operationssaal unter dem Operationsmikroskop beurteilt. Nötigenfalls wird der Nebenhoden vorsichtig digital ausgemolken. Tritt gar keine Flüssigkeit aus, muss ein „Blow out“ vermutet werden und der Nebenhoden wird inspiziert, falls erforderlich verfahren wir im Sinne einer Vaso-Epididymostomie weiter. Im typischen Fall tritt aber weißliches oder gelblich gefärbtes Sekret aus, welches lebende oder tote Spermatozooen enthält. Dann wird der Eingriff als Vasovasostomie fortgeführt.
Die beste anatomisch korrekte Adaptation der Lumina erzielt man mit einer zweischichtigen Technik, bei der zunächst die Schleimhaut mit 9-0 oder 10-0 Nahtmaterial in 6 Einzelknopfnähten adaptiert wird. Spezielle Vasovasostomie-Nadeln, die doppelt armiert sind und deren Krümmungsradius auf das Vas abgestimmt sind, haben sich bewährt. Die Vas-Stümpfe können mit einem speziellen Halter, der klappbar ist, gehalten werden, das erleichtert die Plazierung der Nähte. Diese erste Nahtreihe sollte nur die Mucosa fassen und sollte bereits zu einem spermatozooendichtenVerschluß der Anastomose führen. Möglichst exaktes Plazieren der Nähte ergibt optimale Durchgängigkeitsraten, Goldstein et al. (1998) konnten mit ihrer „Microdot-Markierungstechnik“ und 8 Mucosa-Nähten Durchgängigkeitsraten von 99,5 % erzielen. Die mechanische Festigkeit erhält die Anastomose durch die zweite muskuläre Nahtreihe, ebenfalls mit 9-0 Nahtmaterial, nun aber mit einem einfach armierten Faden und spatulierter, schneidender Nadel. Die wenige Zentimeter langen Zugangswunden werden zweischichtig verschlossen. Ein gut sitzender Verband, der das Scrotum stützt, ist den meisten Patienten angenehm und wird für einige Tage angelegt (Abb. 3456789 und 10).
Robotisch assistierte Technik. Mit dem Wandel der operativen Techniken hin zu robotisch assistierten Eingriffen, findet sich auch bei der Vasovasostomie die Entwicklung von Operationsmethoden mit Zuhilfenahme von Operationsrobotern. Als Vorteile werden bessere Übersicht, Abwesenheit von Tremor und geringere Erschöpfung des Operateurs beschrieben. Marshall et al beschrieben eine ähnliche Durchgängigkeitsrate (88 %) wie bei herkömmlichen mikroskopischen Methoden, allerdings mit längere Operationszeiten und Kosten (Marshall et al. 2017; Gözen et al. 2020)

Ergebnisse der Vasovasostomie

Die Ergebnisse der Vasovasostomie sind recht unterschiedlich, je nachdem, ob man Mitteilungen einzelner Autoren oder Resultate von Umfragen betrachtet, ob man Durchgängigkeitsraten, die den chirurgischen Erfolg beschreiben, oder Schwangerschaftsraten heranzieht, die den Patienten interessieren. Von einzelnen Autoren werden Durchgängigkeitsraten bis 100 % und Schwangerschaftsraten, die nur wenig darunter liegen, mitgeteilt. Nationenweite Umfragen spiegeln das durchschnittliche Ergebnis besser wider: O’Connor hatte 1948 eine kumulative Erfolgsrate von 38–40 %, Derrick et al. errechneten 1973 eine Durchgängigkeitsrate von 38 % und eine Schwangerschaftsrate von 11–26 %. Deindl fand 1990 im deutschsprachigen Europa eine kumulative Durchgängigkeitsrate von 73 % und eine Schwangerschaftsrate von 47 %. Einrichtungen mit hoher Operationsfrequenz, subtiler Technik und feinem Nahtmaterial erzielten bessere Ergebnisse. Die Zeitdauer von der Sterilisationsvasektomie bis zur Refertilisation spielt eine Rolle: Wenn auch die gesetzten Grenzen willkürlich sind, so dürfen in den ersten zwei Jahren besonders gute Ergebnisse erwartet werden, etwa 10 Jahre nach dem Eingriff nehmen die Chancen einer Refertilisation deutlich ab (Belker et al. 1991).

Komplikationen der Vasovasostomie

Die Rate der Akutkomplikationen ist jener der Vasektomie bzw. der beidseitigen Hodenexploration aus anderen Gründen vergleichbar. Die spezifischen Langzeitkomplikationen bestehen in einem Wiederverschluß des Vasdeferens nach anfänglicher Durchgängigkeit. Mit einem solchen narbigen Verschluß muss in etwa 3 % gerechnet werden. Bleiben die Patienten nach einer Refertilisationazoosperm, handelt es sich um ein chirurgisches Versagen oder um einen „Blow out“ weiter distal, der zum Zeitpunkt des Eingriffs nicht verifiziert wurde. In solchen Fällen ist eine Reoperation indiziert. Oligozoospermien können auf einer nur partiellen Durchgängigkeit – in solchen Fällen kann eine Reoperation erfolgreich sein – oder auf einer Einschränkung der testikulären Produktion beruhen. Liegt die Vasektomie länger als 5 Jahre zurück, klären wir den Patienten über die Möglichkeit der Kombination von Refertilisierung und TESE/Kryokonservierung in einem Eingriff auf.

Vasoepididymostomie

Ist der Nebenhodentubulus durch einen „Blow out“ beschädigt, muss eine Tubulovasostomie angelegt werden. Aus technischen Gründen ist dies nur im Bereich des Nebenhodenschwanzes und Nebenkörpers erfolgreich. Im Nebenhodenkopf ist der Tubulusdurchmesser zu klein, um regelrecht durchgängige Anastomosen zuzulassen. Tubulovasostomien erfordern zwingend Techniken der Mikrochirurgie, am besten unter Einsatz des Operationsmikroskopes. Bei uns hat sich am besten eine End-zu-Seit-Technik bewährt, andere anastomosieren Seit-zu-Seit. Der Nebenhoden wird ovalär gefenstert, ein samenführender Tubulusabschnitt wird selektiert und längs eröffnet, die Anastomose der Tubuluswand mit der Mucosa des Vasdeferens erfolgt mit 4 Einzelknopfnähten und 11-0 Nahtmaterial. Die Nebenhodenhülle wird mit der Muscularis des Vas mit weiteren Einzelknopfnähten vereinigt (Abb. 9 und 10).
Demgegenüber ist eine terminoterminale Anastomose schwieriger. Die Durchgängigkeitsraten der mikrochirurgischen Tubulovasostomie liegen zwischen 39 und 100 % wenn man Einzelmiteilungen heranzieht. Die durchschnittlichen Durchgängigkeitsraten liegen bei 45 % und die Schwangerschaftsraten bei 18 % (Deindl 1990).

Zukünftige Entwicklungen der operativen Refertilisation

Refertilisationsoperationen werden genauso wie Sterilisationsvasektomien zunehmen. Die guten Ergebnisse haben sich stabilisiert und sind in den letzten 10 Jahren nicht weiter verbessert worden. Die mikrochirurgische Ausbildung der Operateure muss weiter etabliert werden.
Die intraoperative Gewinnungvon Spermatozoen die – kryokonserviert – im Falle einer nicht durchgängigen Anastomose (besonders bei Vasoepididymostomien) zur späteren ICSI zur Verfügung stehen (Djerassi und Leibo 1994), soll mit dem Patienten bereits beim Aufklärungsgespräch diskutiert werden. Unverändert ist beim Kinderwunsch nach Vasektomie die Refertilisationsoperation hinsichtlich Erfolgsaussichten und Kosten die erste Wahl.
Wir halten es für falsch, auf Refertilisationsoperationen primär zu verzichten, zuerst Spermatozoen testikulär oder – noch schlechter – epididymal zu gewinnen und zur ICSI zu verwenden. Weder die damit erzielbaren Schwangerschaftsraten, noch die Kosten und der Aufwand und erst recht nicht die Komplikationsraten lassen sich mit denen der „konventionellen“ Refertilisationseingriffe vergleichen.

Zukünftige Entwicklung der Vasektomie

Sowohl aus globalpolitischen Gesichtspunkten wie auch aus der Sicht des Einzelnen, der eine kontrazeptive Methode auszuwählen hat, stellt die Sterilisationsvasektomie eine sehr sichere, wenig belastende, rasch durchzuführende und kostengünstige Option dar. Sie ist ohne Zweifel dem entsprechenden Eingriff bei der Frau überlegen. Durch Wandel im Rollenverhältnis des Mannes und bessere Aufklärung ist der Vasektomie eine weitere Verbreitung als bisher zu wünschen, zumal der Eingriff nicht mehr als endgültig anzusehen ist, sondern eine Refertilisation mit hohen Chancen erzielt werden kann.
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