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Andrologie
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Publiziert am: 06.08.2022

Pubertas tarda beim Jungen

Verfasst von: Julia Rohayem, Carl-Joachim Partsch, Eberhard Nieschlag und Hermann M. Behre
„Pubertät“ bezeichnet den menschlichen Lebensabschnitt, in dem sich die Reifung vom Jungen zum Mann (bzw. vom Mädchen zur Frau) vollzieht. Die Initiation der Pubertät ist das Ergebnis komplexer Regulations-Prozesse im neuronalen Netzwerk des Hypothalamus. Unter dem Einfluss zunehmender GnRH-Pulse und infolgedessen ansteigender Gonadotropin- und Sexualhormon-Spiegel im Blut reifen die primären Geschlechtsmerkmale des bis dahin kindlichen Organismus zu den sekundären Geschlechtsmerkmalen aus. Die Reifung der Gonaden führt zur Bildung befruchtungsfähiger Spermien (bzw. Eizellen). Parallel hierzu erwacht der Sexualtrieb. Der Endzustand dieser pubertären Reifungsvorgänge ist Geschlechtsreife mit Fruchtbarkeit.
Der Beginn und das Fortschreiten der Pubertät beim Jungen wird klinisch in 5 Stadien nach Tanner unterteilt, die Hodenvolumina werden mit Hilfe eines Orchi(d)ometers (nach Prader) abgeschätzt.
Eine Pubertas tarda liegt vor, wenn eine pubertäre Vergrößerung der Hoden auf ein Volumen ≥ je 4 ml im Alter von 14 Jahren noch nicht eingetreten ist, wenn das Durchlaufen der Pubertät mehr als 5,5 Jahre dauert oder wenn eine begonnene Pubertätsentwicklung länger als 18 Monate stillsteht.
Unter den 3–10 % aller Jungen mit einer Pubertas tarda sind ca. 70 % „Spätentwickler“ mit konstitutioneller Entwicklungsverzögerung (KEV). Bei ca. 18 % liegt der Reifungsverzögerung eine funktionelle Ursache zugrunde, die bei erfolgreicher Behandlung des Grundproblems vorübergehender Natur ist. Bei ca. 12 % liegt eine dauerhafte Störung vor: 7 % dieser Jungen mit einer Pubertas tarda haben eine permanente hypogonadotrope Störung, 5 % eine permanente hypergonadotrope Störung.
Das therapeutische Vorgehen richtet sind danach, ob es sich um eine transiente oder permanente Reifungsverzögerung handelt. Diese Differentialdiagnose ist schwierig und erfordert eine umfassende klinische Exploration.