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Hecht-Syndrom

Verfasst von: Heike Kaltofen, Uta Emmig, Dierk A. Vagts und Peter Biro
Hecht-Syndrom
Synonyme
Trismus-Pseudokamptodaktylie-Sy (TPS); Dutch-Kentucky-Sy; distale Arthrogryposis Typ 7
Oberbegriffe
Kraniomandibulofaziale Missbildung, Kieferbogen-Ss, Arthrogryposis-Sy.
Organe/Organsysteme
Gesichtsschädel, Mandibula, M. masseter, übrige Kaumuskulatur und Bandapparat, Bindegewebe.
Ätiologie
Kongenital und hereditär mit autosomal-dominantem Erbgang. Mutation des die schweren Myosinketten kodierenden Gens (MYH8). Störung des kontraktilen Apparates des Muskels vor allem an den Extremitäten und im Gesicht.
Verwandte Formen, Differenzialdiagnosen
Andere Syndrome, bei denen eine Kiefersperre oder reduzierte Mundöffnung vorliegt: Freeman-Sheldon-Sy (distale Arthrogryposis 2A), Sheldon-Hall-Sy (distale Arthrogryposis 2B), Crisponi-Sy mit anfallsartig auftretendem Trismus.
Verschiedene Prozesse, die zu reduzierter Mundöffnung (Kiefersperre) führen: Submandibularabszess, Mundbodenabszess bzw. -phlegmone, Tonsillarabszess, Kiefergelenkluxation; succinylcholininduzierter Trismus (als eigenständiges Phänomen oder auch im Zusammenhang mit maligner Hyperthermie), Myotonien, andere Varianten der Arthrogrypose, Guérin-Stern-Sy, Arthrogrypose.

Symptome

Eingeschränkte Beweglichkeit der Mandibula bis zum Vollbild des sog. Trismus, einem zur Kiefersperre führenden tonischen Krampf der Kiefermuskulatur. Vergrößerung des Processus coronoideus der Mandibula. Häufig Versteifung von Gelenken in Beugestellung, sog. Arthrogryposis.
Vergesellschaftet mit
Wirbelsäulendeformität (Skoliose), Spina bifida (occulta), gelegentlich verformte Ohrmuscheln, verzögerte Sprachentwicklung, Klumpfuß, Herzfehler. Die klinische Ausprägung des Syndroms kann sehr variabel sein.
Therapie
Korrekturoperationen der Extremitäten, Resektion des Mandibulafortsatzes (Koronoidektomie).

Anästhesierelevanz

Im Vordergrund stehen die zu erwartenden Intubationsschwierigkeiten. Die meist durch den vergrößerten Mandibulafortsatz und Kontraktur des Kiefergelenks erheblich reduzierte Mundöffnung verhindert eine konventionelle Laryngoskopie. Auch die Gabe eines Relaxans verbessert die Intubationsbedingungen nur unwesentlich.
Es scheint keine Kontraindikationen gegen die Anwendung von depolarisierenden Muskelrelaxanzien (Succinylcholin) zu geben. Da diese bei den differenzialdiagnostisch in Frage kommenden Erkrankungen (Myotonien, MH-Prädisposition) kontraindiziert sind, sollten sie auch hier nicht verwendet werden. Eine MH-Disposition ist sehr wahrscheinlich nicht assoziiert.
Spezielle präoperative Abklärung
Klärung der Ursache für die reduzierte Mundöffnung (Ausschluss von Abszessen und kieferorthopädischen Befunden), Ausschluss einer Myopathie (CK-Bestimmung, EMG), Familienanamnese erheben (MH?).
Wichtiges Monitoring
Pulsoxymetrie, Kapnographie, kontinuierliche Temperaturkontrolle.
Vorgehen
Wenn möglich sollten periphere oder zentrale Regionalanästhesietechniken bevorzugt werden.
Instrumentarium für die Sicherung des schwierigen Atemwegs bis zur Koniotomiebereitschaft ist vorzuhalten. Ist eine Allgemeinanästhesie indiziert, kann man Verfahren mit erhaltener Spontanatmung oder manuell assistierte Maskennarkosen einsetzen. Die Maskenbeatmung wird in den wenigen Fallberichten als durchführbar beschrieben. Bei Nüchternheit kann die Larynxmaske verwendet werden, falls die Mundöffnung dies zulässt. Bei kooperativen und adäquat prämedizierten Patienten ist die elektive fiberoptische transnasale Intubation Goldstandard. Vor der Einleitung kann 0,3-molares Natrium citricum (20–30 ml p.o.) oder ein Magensäureblocker gegeben werden.
Cave
Aspiration, depolarisierende Muskelrelaxanzien (Succinylcholin).
Weiterführende Literatur
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