Skip to main content
AE-Manual der Endoprothetik
Info
Publiziert am: 19.05.2022

Frakturfolgezustand Typ III nach proximaler Humerusfraktur

Verfasst von: Malte Holschen und Jörn Steinbeck
Der Frakturfolgezustand Typ III beinhaltet als pathoanatomische Hauptkomponente die extrakapsuläre und dislozierte und pseudarthrotische Fehlstellung des Humeruskopfes gegenüber dem Humerusschaft auf Höhe des Collum chirurgicum humeri. Die Frakturdislokation im Collum chirurgicum beinhaltet mehrere Komponenten. Neben der Varus- oder Valgusverkippung und der anteroposterioren und mediolateralen Translation spielt vor allen Dingen auch die Rotation mit zunehmender Ante- oder Retroversion des Kopffragmentes eine Rolle. Im Gegensatz zu den übrigen Frakturfolgezuständen besteht bei intaktem Humeruskopf und intakter Rotatorenmanschette bei jüngeren Patienten die Option einer gelenkerhaltenden Osteosynthese mit Spongiosaplastik nach Pseudarthrosenresektion. Bei älteren Patienten spielt die inverse Schulterprothetik gegenüber der anatomischen Schulterprothetik eine immer bedeutendere Rolle, da sie am ehesten die Schulterfunktion wiederherzustellen vermag.

Epidemiologie und Pathogenese

Der Frakturfolgezustand Typ III beinhaltet als pathoanatomische Hauptkomponente die extrakapsuläre und dislozierte und pseudarthrotische Fehlstellung des Humeruskopfes gegenüber dem Humerusschaft auf Höhe des Collum chirurgicum humeri (Boileau et al. 2001).
Das Pseudarthroserisiko nach proximaler Humerusfraktur ist insgesamt zwar gering, es steigt jedoch bei Frakturdislokation im Collum chirurgicum um den Faktor 10 an (Court-Brown und McQueen 2008). Die Frakturdislokation im Collum chirurgicum beinhaltet mehrere Komponenten. Neben der Varus- oder Valgusverkippung und der anteroposterioren und mediolateralen Translation spielt vor allen Dingen auch die Rotation mit zunehmender Ante- oder Retroversion des Kopffragmentes eine Rolle (Abb. 1). Frauen sind siebenmal häufiger von diesem Frakturfolgezustand betroffen (Raiss et al. 2014).
Auch wenn der Frakturfolgezustand Typ III durch die Pseudarthrose des Collum chirurgicum definiert wird, tritt er nicht nur im Rahmen von Zwei-Teile-Brüchen, sondern auch in Kombination mit Fehlstellungen der Tuberkula im Rahmen von Drei- und Vier-Teile-Brüchen auf. Gerade dieser Umstand zeigt, dass die Therapie dieses Frakturfolgezustands mit Schwierigkeiten verbunden ist und die Kenntnis aufwendiger Operationsverfahren zur Rekonstruktion oder zum Ersatz des Schultergelenkes erfordert.
Im Gegensatz zu den übrigen Frakturfolgezuständen besteht bei intaktem Humeruskopf und intakter Rotatorenmanschette bei jüngeren Patienten eher die Option einer gelenkerhaltenden Osteosynthese nach Pseudarthrosenresektion (Cheung und Sperling 2008). Die Therapie mit einer anatomischen Schulterendoprothese ist aufgrund der erforderlichen Osteotomie des Tuberculum majus mit schlechten funktionellen Ergebnissen verbunden. Die inverse Schulterendoprothese kommt aufgrund besser vorhersagbarer Ergebnisse in dem älteren und meist weiblichen Patientenklientel am ehesten in Frage, um die Schulterfunktion wiederherzustellen.

Diagnostische Kriterien für die Indikationsstellung inklusive spezifischer Bildgebung

Anamnese und klinische Untersuchung

Neben der Anamnese bezüglich des Traumas, der Voroperationen und der subjektiven Beschwerden des Patienten sollten Ruhe- und Nachtschmerzen erfragt werden, da diese oft mit einer Pseudarthrose einhergehen. Weiterhin kann ein subjektives Instabilitätsgefühl bestehen.
Bei der klinischen Untersuchung werden Muskelatrophien, Fehlhaltungen und die Lage und Beschaffenheit zuvor genutzter operativer Zugangswege inspiziert. Rötungen im Narbenbereich oder im Bereich der übrigen Schulterregion können auf ein Infektionsgeschehen hinweisen. Weiterhin werden die Funktion und die Kraft der betroffenen Schulter beurteilt. Hierbei ist auf Unterschiede des aktiven und passiven Bewegungsausmaßes bei begleitender Schultersteife und auf neurologische Defizite zu achten. Passive Bewegungseinschränkungen können neben der Kapselsteife auch durch die Fehlstellung des proximalen Humerus bedingt sein.
Besteht der Verdacht auf eine Nervenschädigung, empfiehlt sich eine weitere neurologische Abklärung, um den Patienten besser über die Erfolgsaussichten des Eingriffs beraten zu können.
Nach Voroperationen sollte unbedingt ein laborchemisches Screening der Infektparameter erfolgen.

Spezifische Bildgebung

Neben der klinischen Untersuchung reicht das Nativröntgen in der axialen und der anteroposterioren Ebene (Abb. 2) häufig aus, um die Indikation zu stellen und die Therapie zu planen. Kann aufgrund von Schmerzen oder einer passiven Bewegungseinschränkung kein axiales Röntgenbild angefertigt werden, empfiehlt sich eine Y-Aufnahme (Abb. 3). Allerdings ist so das Glenoid nicht in 2 Ebenen beurteilbar. In den nativen Röntgenbildern können neben dem eventuell noch einliegenden Osteosynthesematerial die Integrität des verbliebenen Knochens, die Ausprägung und Form der Fehlstellung und die Ausdehnung der Pseudarthrose beurteilt werden (Abb. 4). Auch wenn ein Infektionsgeschehen radiologisch nicht eindeutig ausgeschlossen werden kann, können nativradiologische Bilder wertvolle Hinweise für eine Infektpseudarthrose (Sequestrierung, Osteolyse) liefern.
Anhand der nativen Röntgenbilder kann neben der Pseudarthrose vor allen Dingen die Fehlstellung in Bezug auf Angulation und Translation des proximalen Humerus gegenüber dem Humerusschaft beurteilt werden. Die Rotation ist auf nativen Röntgenbildern oftmals schwierig zu beurteilen.
Eine ergänzende Computertomografie ist, wie bei allen Frakturfolgezuständen, auch für den Frakturfolgezustand Typ III empfehlenswert. Die Ausdehnung der Pseudarthrose lässt sich aufgrund von Überlagerungen in den Nativröntgenbildern in manchen Fällen nicht adäquat beurteilen. Des Weiteren können die Position und die Integrität der Tuberkula anhand der Computertomografie eingeschätzt werden. Glenoidschäden durch perforierte Schrauben lassen sich ebenfalls nachweisen. Dreidimensionale Rekonstruktionen der Computertomografie sollten zur Planung rekonstruktiver Eingriffe unbedingt angefertigt werden, um die Fehlstellung in Bezug auf Rotation, Translation und Angulation einzustufen.
Die Magnetresonanztomografie spielt für den Frakturfolgezustand Typ III eine untergeordnete Rolle. Sie ist dann indiziert, wenn die Qualität der Rotatorenmanschette und die Vitalität der Pseudarthrose vor rekonstruktiven Eingriffen beurteilt werden muss.
Die Sonografie kann aufgrund der knöchernen Fehlstellung erschwert sein. Sie kann zur Beurteilung der Rotatorenmanschette und zur gezielten Punktion von Flüssigkeitsansammlungen bei präoperativ bestehendem Infektverdacht genutzt werden.
Auch die Szintigrafie eignet sich für den Nachweis einer Pseudarthrose und lässt Aussagen über die Stoffwechselaktivität in der Pseudarthrose zu. Die Leukozytenszintigrafie kann zum Ausschluss einer Infektpseudarthrose als ergänzendes bildgebendes Verfahren nützlich sein.

Möglichkeiten der konservativen Therapie

Die konservative Therapie stellt auch für den Frakturfolgezustand Typ III grundsätzlich eine Behandlungsalternative dar, da so aufwendige und potenziell komplikationsträchtige Revisionseingriffe vermieden werden können. Allerdings sind die Möglichkeiten der konservativen Therapie begrenzt, da sie das ursächliche Problem – die Pseudarthrose und die Fehlstellung des Collum chirurgicum – nicht beheben kann.
Gerade bei multimorbiden Patienten kann die Physiotherapie in Kombination mit systemischen Analgetika zu einer erträglichen Beschwerdesymptomatik führen, auch wenn funktionelle Einbußen bestehen bleiben.
Gerade für jüngere und aktive Patienten ist die konservative Behandlung kaum indiziert, da in diesen Fällen eine Wiederherstellung der Schulterfunktion angestrebt werden sollte, um sozioökonomische Folgen zu minimieren. Gerade für diese Patientenklientel bietet sich bei tolerabler Fehlstellung und dem Vorliegen einer Pseudarthrose die Therapie mittels fokussierter extrakorporaler Stoßwellentherapie an. Das Wirkprinzip hochenergetischer fokussierter Stoßwellen bei knöchernen Heilungsstörungen besteht aus einer Vermehrung von Knochenwachstumshormonen, einer Mechanotransduktion von Knochenmarkstammzellen und einer Mehrdurchblutung durch Neovaskularisation (Everding et al. 2016). Erfahrungsgemäß setzt eine Schmerzreduktion früher als die radiologisch feststellbare knöcherne Konsolidierung ein. Diese Behandlung wird allerdings nur in wenigen Zentren durchgeführt und die Kosten werden nicht von allen Kassen übernommen.

Gelenkerhaltende operative Therapieoptionen

Gelenkerhaltende Therapieoptionen sind bei jüngeren Patienten mit hohen funktionellen Ansprüchen indiziert. Das Ziel der Therapie besteht dann darin einerseits die Knochenheilung zu stimulieren und andererseits mögliche Fehlstellungen zu beheben.
Die eigentliche Behandlung der Pseudarthrose fußt dabei auf dem altbewährten Therapiekonzept der Pseudarthrosenresektion, der Anfrischung des gesunden Knochens und der autologen Spongiosaplastik aus dem Beckenkamm. Liegen größere Defektareale vor, so können diese mit Beckenkammspänen kompensiert werden. Bei Pseudarthrose des Collum chirurgicum ohne wesentliche Fehlstellung kann über einen minimalinvasiven Eingriff lediglich eine lokale Kürretage mit nachfolgender Spongiosaplastik und Plattenosteosynthese erfolgen.
Für die Planung einer gelenkerhaltenden Therapie ist eine fundierte präoperative Planung erforderlich, um Risikofaktoren für das Scheitern der Therapie rechtzeitig zu identifizieren. Neben konventionellen Röntgenbildern empfiehlt sich eine computertomografische Darstellung, um die Ausdehnung der Pseudarthrose einzustufen. Anhand dieser Planung wird erkenntlich wie ausgedehnt die Resektion der Pseudarthrose erfolgen muss und wie groß das gesunde Fragment des proximalen Humerus ist. Je kleiner dieses Fragment ist, desto größer ist nach einem erneuten Eingriff mit Pseudarthrosenresektion und fakultativer Osteotomie auf Höhe des Collum chirurgicum das Risiko für Nekrosen der Kalotte und die erneute Entstehung einer Pseudarthrose. Die Durchblutungssituation des proximalen Humerus lässt sich auch angiografisch oder szintigrafisch schwer abschätzen, sodass die Beurteilung der Knochenqualität und des Knochendefektes für die Planung bedeutender ist.
Präoperativ lässt sich eine Infektpseudarthrose oft kaum ausschließen. Allerdings muss gerade nach Voroperationen ein mögliches Infektgeschehen in Hinblick auf einen Revisionseingriff bedacht werden.

Pseudarthrosenresektion, Spongiosaplastik und Osteosynthese

Gerade bei Patienten unter 60 Jahren mit einem Frakturfolgezustand Typ III sollte grundsätzlich ein gelenkerhaltendes Therapieverfahren mit Korrektur der Fehlstellung, Resektion der Pseudarthrose und Osteosynthese inklusive autologer Spongioplastik angestrebt werden. Diese Eingriffe sind einerseits zeitlich aufwendig und mit dem Risiko des Therapieversagens durch erneute Pseudarthrose, Knochennekrose und sekundäre Dislokation verbunden. Daher ist auch eine gute Compliance der betroffenen Patienten für die Nachbehandlung wichtig.
Liegt eine tolerable Fehlstellung des proximalen Humerus gegenüber dem Humerusschaft mit Angulation, aber ohne Translation oder Rotation vor, so ist das Vorgehen relativ simpel: Über einen deltopektoralen Standardzugang wird unter Bildwandlerkontrolle die Pseudarthrose identifiziert und mittels Meißel, scharfem Löffel und Luer-Zange entfernt. Das Pseudarthrosenmaterial sollte histologisch und mikrobiologisch aufgearbeitet werden, um ein Infektgeschehen auszuschließen. Die Defektzone wird anschließend mit einem Bohrer angefrischt und mit der zuvor aus dem ipsilateralen Beckenkamm entnommenen Spongiosa aufgefüllt und mit einem Stößel impaktiert. Nach vollständiger Defektauffüllung folgt dann die winkelstabile Plattenosteosynthese des proximalen Humerus. Hierbei ist darauf zu achten, dass das Implantat ausreichend lang gewählt und auf Höhe der Pseudarthrose nicht zu rigide verankert wird, um eine gewisse Schwingung zu gewährleisten.
Bei höhergradiger Fehlstellung mit Rotations- und Translationskomponente wird zunächst über den deltopektoralen Standardzugang die Pseudarthrose radikal exzidiert. Wichtig für die Pseudarthrosenresektion sind das sparsame Deperiostieren und die größtmögliche Schonung der umgebenden Blutgefäße. Auf eine elektrothermische Präparation ist zu verzichten.
Durch die Resektion der Pseudarthrose wird automatisch eine instabile Fraktur erzeugt, was Grundvoraussetzung für eine anatomische Reposition ist. Anhand der präoperativen Planung und anhand der intraoperativen Durchleuchtung kann dann die anatomische Reposition erreicht und diese zunächst mit Kirschner-Drähten gesichert werden. Anschließend erfolgt eine winkelstabile Plattenosteosynthese in Kombination mit Anlagerung autologer Spongiosa.
Die wichtigsten anatomischen Landmarken für die anatomische Reposition sind der Calcar humeri und der Sulcus bicipitalis. Für die Inklination des Kopfes gegenüber dem Schaft kann die gesunde Gegenseite zum Vergleich herangezogen werden.
Ist nach der Resektion der Pseudarthrose eine anatomische Reposition nicht möglich, so liegt dieser Umstand in der Inkongruenz der beiden Hauptfragmente des Schaftes und des proximalen Humerus begründet. In diesen Fällen kann durch eine sparsame Osteotomie der beiden Fragmentenden die Kongruenz wiederhergestellt werden. Für diese Osteotomie muss im Voraus bedacht werden, wie sich die Angulation in der Frontal- und der Sagittalebene verändern soll, um Fehlstellungen zu korrigieren.
Liegt eine vermehrte Valgusfehlstellung vor, kann eine von lateral-distal nach medial-proximal ansteigende Osteotomie des proximalen Fragmentes zu einer Varisierung führen. Hierbei muss bedacht werden, dass die Osteotomie extrakapsulär erfolgen muss und unter keinen Umständen in die Kalotte oder das Tuberculum minus auslaufen darf. Nur so kann eine postoperative Durchblutungsstörung vermieden werden.
Bei der Varusfehlstellung kann eine von lateral-proximal nach distal-medial abfallende Osteotomie für eine Valgisierung sorgen. Hierbei ist darauf zu achten, dass die Osteotomie nicht in das Tuberculum majus ausläuft (Abb. 5a).
In der Sagittalebene muss im Rahmen der Pseudarthrosenresektion und Korrekturosteotomie auf die anteriore bzw. posteriore Angulation geachtet werden, um eine bestmögliche Kopf-Schaft-Positionierung nach der Osteotomie zu erreichen (Abb. 5b).
Aufgrund der Komplexität der Fehlstellungen bei Typ-III-Frakturfolgezuständen müssen die Patienten vor einer Reosteosynthese mit Korrekturosteotomie und Spongiosaplastik präoperativ darüber aufklären, dass eine gewisse Restfehlstellung nur schwer zu vermeiden ist (Abb. 6) und dass neben der Infektionsgefahr eine erneute Pseudarthrose oder avaskuläre Nekrosen entstehen können.
Sollte prä- oder intraoperativ der Verdacht auf eine Infektpseudarthrose bestehen, wird die weitere Therapie dadurch erschwert. In diesen Fällen ist neben dem radikalen lokalen Debridement eine langfristige Antibiotikaprophylaxe indiziert, um eine Biofilmbildung auf dem Osteosynthesematerial und ein erneutes Aufflammen des Infektgeschehens zu vermeiden. Therapeutisch kommt bei ausgedehnter Infektpseudarthrose auch ein temporärer Einsatz einer antibiotikahaltigen Zementplombe mit anschließender Osteosynthese und Spongiosaplastik in Frage.

Operative Techniken und praktische Aspekte des Gelenkersatzes

Ist aufgrund des fortgeschrittenen Alters, der schlechten Knochenqualität oder einer avaskulären Nekrose ein Gelenkersatz erforderlich, empfiehlt sich die Implantation einer inversen Schulterendoprothese. Wie durch Boileau beschrieben (Boileau et al. 2001) sind die Ergebnisse der anatomischen Endoprothese im Zusammenhang mit Frakturfolgezuständen Typ III mit unvorhersehbaren Ergebnissen verbunden, weil eine Osteotomie des Tuberculum majus erforderlich ist. Aus diesem Grund soll an dieser Stelle nicht näher auf die Versorgung mit einer anatomischen Schulterendoprothese eingegangen werden, auch wenn diese prinzipiell möglich ist.
Auch für die Implantation einer inversen Endoprothese ist eine Osteotomie der Tuberkula erforderlich. Bei sekundärer Dislokation oder avaskulärer Nekrose der Tuberkula sind die Folgen allerdings nicht so gravierend. Dennoch ist eine möglichst anatomische Rekonstruktion der Tuberkula für eine gute postoperative Funktion und die Vermeidung von typischen Komplikationen wie der Instabilität essenziell.
Das technische Vorgehen der Implantation einer inversen Schulterendoprothese im Zusammenhang mit dem Frakturfolgezustand Typ III ist in Bezug auf die Rekonstruktion der Tuberkula und die Problematik der Implantationshöhe der humeralen Komponente jenem der primären Versorgung einer proximalen Humerusfraktur mittels inverser Endoprothese nicht unähnlich. Nachfolgend werden die einzelnen Operationsschritte exemplarisch dargestellt.

Versorgung von Frakturfolgezuständen vom Typ III mit der inversen Schulterendoprothese

Um die Integrität und die Innervation des Deltamuskels nicht zu kompromittieren und um eine optimale Übersicht zu erzielen, empfiehlt sich ein deltopektoraler Zugang.
Nach Darstellung des proximalen Humerus zeigt sich ein ungewöhnliches Bild: Proximaler Humerus und Humerusschaft stehen über eine mehr oder weniger straffe Pseudarthrose in Kommunikation miteinander (Abb. 7).
Aufgrund der teils ausgeprägten Fehlstellung ist es möglich, dass der eigentliche proximale Humerus so verkippt ist, dass man ausschließlich den Humerusschaft und die Pseudarthrose identifizieren kann. Aus diesem Grund sollte man zunächst die Eingangsebene in den Schaft darstellen und von der Pseudarthrose befreien.
Im nächsten Schritt wird die lange Bizepssehne mit dem Sulcus intertubercularis identifiziert. Ausgehend vom Rotatorenintervall erfolgt dann die Arthrotomie, welche auch das gesamte Lig. transversum humeri erfasst. Durch diesen Schritt lassen sich die Tuberkula identifizieren und mit einer oszillierenden Säge oder einem breiten Osteotom osteotomieren. Bei der Osteotomie ist darauf zu achten, dass die Knochensubstanz der Tuberkula ausreichend breit ist, um eine spätere Readaptation und den Erhalt der metaphysären Knochensubstanz zu gewährleisten.
Nach der Osteotomie werden die Tuberkula mit den entsprechenden Anteilen der teils kontrakten Rotatorenmanschette mobilisiert und mit breiten, nichtresorbierbaren Fäden armiert.
Der verbliebene Humeruskopf wird durch Resektion der Pseudarthrose dargestellt und mit einer breiten Knochenfasszange extrahiert. Dieser Vorgang kann bei kontraktem Pseudarthrosengewebe erschwert sein. Das Pseudarthrosenmaterial sollte histologisch und mikrobiologisch aufgearbeitet werden, um ein Infektgeschehen auszuschließen. Bei einem klinischen Verdacht auf ein Infektionsgeschehen, kann ein zweizeitiges Vorgehen mit temporärer Implantation eines antibiotikahaltigen Zementspacers erforderlich werden.
Nach der Kopfextraktion ist der Situs klar strukturiert. Der Schaft liegt kaudal und die mit Haltefäden armierten Tuberkula können türflügelartig aufgeklappt werden, wodurch eine gute Übersicht zum Glenoid besteht.
Anschließend wird der Markraum des Schaftes entsprechenden der geplanten Schaftkomponente präpariert. Hierbei muss aufgrund der Defektsituation vorsichtig vorgegangen werden, um eine iatrogene Fraktur zu vermeiden.
Die Darstellung des Glenoids erfolgt in üblicher Weise mit entsprechenden Retraktoren. Aufgrund der guten Übersicht und der Tatsache, dass beim Frakturfolgezustand Typ III in der Regel keine wesentlichen Glenoidschädigungen bestehen, ist die Implantation der Basisplatte und der Glenosphäre vergleichsweise einfach.
Nach Implantation der Glenosphäre erfolgt die Höhenbestimmung der Schaftkomponente. Hierfür werden Probekomponenten implantiert und anschließend reponiert. Ziel ist eine adäquate Stabilität bei guter Vorspannung des Deltamuskels und der zusammengehörigen Sehnen. Aufgrund der noch nicht refixierten Tuberkula ist die Beurteilung der Stabilität zu diesem Zeitpunkt erschwert. Eine übertriebene Vorspannung der Endoprothese sollte vermieden werden, um die Refixation der Tuberkula mit der kontrakten Rotatorenmanschette nicht zu behindern.
Die Ermittlung der Endoprothesenhöhe ist bei noch intaktem Kalkar relativ einfach. Erschwert ist sie bei knöchernen Defekten der proximalen Diaphyse. In diesen Fällen sollte der Originalschaft zementiert werden. Die Endoprothesenhöhe muss von der Probekomponente exakt auf die Originalkomponente übertragen werden, um nach der Aushärtephase einem Over- oder Understuffing aus dem Wege zu gehen.
Bereits vor der Implantation des Originalschaftes werden zwei kleine Löcher durch den lateralen Schaftanteil gebohrt und mit nichtresorbierbaren Fäden armiert. Diese Fäden dienen der späteren Refixation der Tuberkula (Abb. 8).
Nach der Implantation des Originalschaftes erfolgt eine Probereposition mit dem geplanten Inlay. Sind Vorspannung der umgebenden Muskulatur und die Stabilität der Endoprothese zufriedenstellend, wird auf das Originalinlay gewechselt. Vor der endgültigen Reposition müssen die Fäden der Tuberkula um die Endoprothese herum durch die vorgesehenen Ösen vorgelegt werden, um die Tuberkularefixation vorzubereiten. Nach Reposition werden zunächst die Fäden des Tuberculum majus und anschließend jene des Tuberculum minus in neutraler Rotation verknotet. Über die beiden Fäden des Schaftes werden die Tuberkula dann noch etwas kaudalisiert. Seit-zu-Seit-Nähte der Tuberkula schließen die Refixation ab (Abb. 9). Verbliebene Defekte können mit Spongiosa aus dem Humeruskopf aufgefüllt werden.
Bei jeglichem Infektionsverdacht oder bei einem Infektionsgeschehen in der Anamnese sollte postoperativ eine langzeitige Antibiotikaprophlaxe eingesetzt werden. Diese Antibiotikaprophylaxe sollte nach vorliegendem Resistogramm interdisziplinär mit den Mikrobiologen angepasst werden.

Postoperative Nachbehandlung

Die Nachbehandlung nach korrigierender Reosteosynthese sollte nicht zu aggressiv sein, um einer sekundären Dislokation vorzubeugen. Die Patienten werden postoperativ für die ersten 3 Wochen in einer Thoraxabduktionsorthese ruhiggestellt. In dieser Phase sind lediglich Übungsbehandlungen für die Hand und den Ellenbogen neben der Lymphdrainage gestattet. Von der 4. bis zur 7. Woche sind assistive Übungen aus der Orthese heraus möglich. Anschließend erfolgt eine schmerzadaptierte Verbesserung der aktiven und passiven Beweglichkeit unter physiotherapeutischer Anleitung.
Röntgenkontrollen empfehlen sich nach 3, 6 und 12 postoperativen Wochen. Eine subjektiv und objektiv wiederhergestellte Schulterfunktion kann frühestens nach 6–12 Monaten erwartet werden. Allerdings sind verbliebene Funktionseinschränkungen bei diesem Frakturfolgezustand zu erwarten.
Nach Implantation einer inversen Schulterendoprothese kann die Nachbehandlung aggressiver durchgeführt werden. Die Thoraxabduktionsorthese muss lediglich für die ersten 3 postoperativen Wochen getragen werden. Dann kann unmittelbar mit der aktiven und passiven Übungsbehandlung begonnen werden. Vorher sind lediglich Übungen für das Hand- und Ellenbogengelenk sowie Lymphdrainage gestattet. Röntgenkontrollen empfehlen sich nach 6 und 12 postoperativen Wochen. In der Regel verfügen die älteren Patienten nach Versorgung mit einer inversen Endoprothese bei Frakturfolgezustand Typ III nach 3–6 Monaten bereits über eine gute Schulterfunktion. Ein Endzustand ist nach 12 Monaten erreicht. Funktionsdefizite sind vor allen Dingen für die aktive Innenrotation zu erwarten.

Ergebnisse konservativer und operativer Therapiemaßnahmen

Grundsätzlich ist die konservative Therapie bei Pseudarthrose des Collum chirurgicum mit schlechten funktionellen Ergebnissen verbunden (Court-Brown und McQueen 2008). Diese Therapieform sollte daher für Patienten mit schweren Allgemeinerkrankungen oder geringen funktionellen Ansprüchen vorbehalten bleiben. Ein zu langes Abwarten im Rahmen der konservativen Therapie kann sich aufgrund der Degeneration und Retraktion der Rotatorenmanschette negativ auf das funktionelle Ergebnis nach einer operativen Revision auswirken.
Voroperationen stellen für die gelenkerhaltende und gelenkersetzende Versorgung vom Frakturfolgezustand Typ III einen negativen prädiktiven Faktor dar. Für die Therapie einer Pseudarthrose des chirurgischen Halses mittels Spongiosaplastik und Reosteosynthese wurden bessere Ergebnisse für nichtvoroperierte gegenüber osteosynthetisch voroperierten Patienten nachgewiesen (Duralde et al. 1996). Auch die endoprothetische Versorgung ist nach osteosynthetischen Voroperationen mit schlechteren Ergebnissen verbunden (Greiner et al. 2014).
Die Reosteosynthese mittels intramedullärem autologen Knochentransplantat und Plattenosteosynthese von Pseudarthrosen des chirurgischen Halses ist nicht nur mit einer hohen Heilungsrate (96 %) sondern auch mit guten klinischen Ergebnissen in jüngeren Patientenkollektiven verbunden (Walch et al. 1996). Eine ähnlich gute Konsolidierungsrate von Pseudarthrosen des proximalen Humerus nach Reosteosynthese mit Spongiosaplastik (93 %) wurde in einer späteren Studie festgestellt (Aytac et al. 2014). Allerdings wurden in dieser Arbeit trotz guter Heilungsrate auch klinisch schlechte Ergebnisse und ein Fall einer postoperativen Humeruskopfnekrose ermittelt.
Für die Versorgung von Frakturfolgezuständen Typ III mittels inverser Endoprothese wurden in einer Übersichtsarbeit gegenüber allen anderen Frakturfolgezuständen die funktionell schwächsten Ergebnisse mit einem mittleren Constant Score von 41 Punkten ermittelt (Mansat und Bonnevialle 2015). Geringfügig bessere Ergebnisse wurden für 28 Patienten nach einem minimalen Follow-up von 2 Jahren mit einem mittleren Constant Score von 47 Punkten ermittelt (Raiss et al. 2014). Allerdings muss in diesem Zusammenhang beachtet werden, dass sich die klinische Funktion sowohl für die aktive Flexion (von 43 Grad auf 110 Grad) und den Constant Score (von 14 Punkten auf 47 Punkte) signifikant verbesserte.

Komplikationen, Komplikationsmanagement inklusive Revisionsstrategien

Neben allgemeinen Komplikationen drohen im Rahmen der Reosteosynthese mit Spongiosaplastik eine sekundäre Dislokation, eine erneute Pseudarthrose und eine avaskuläre Knochennekrose. Die sekundäre Dislokation kann bei jungen Patienten mit dem eindeutigen Bestreben des Gelenkerhaltes mit einer Reosteosynthese behandelt werden. Diese muss unbedingt die nötige Stabilität bis zur knöchernen Konsolidierung gewährleisten. In diesem Zusammenhang empfehlen sich rigidere Osteosynthesen mit stärkerem Plattenprofil und gegebenenfalls auch Doppelplattenosteosynthesen, die zusätzlich das Tuberculum minus mit dem Humerusschaft im Sinne einer Abstützplatte verbinden. Bei stabiler Osteosynthese und ausbleibender Konsoldierung können eine extrakorporale Stoßwellentherapie oder eine erneute Spongiosaplastik in Erwägung gezogen werden. Bei einer avaskulären Nekrose nach korrigierender Reosteosynthese bleibt in den meisten Fällen nur die inverse Schulterendoprothetik als Behandlungsoption übrig.
Die Versorgung von Typ-III-Frakturfolgezuständen des proximalen Humerus mittels inverser Endoprothese ist wie alle inversen Revisionsschulterendoprothesen mit dem Risiko der Instabilität vergesellschaftet. In leichteren Fällen kann diese mit einem einfachen Inlaywechsel oder einer Spaceraugmentation therapiert werden. Auch retentive Inlays erhöhen die Stabilität. Allerdings empfiehlt sich primär immer die geschlossene Reposition, um einen Folgeeingriff mit Diskonnektion der Tuberkula zu umgehen. Bei persistierender Instabilität müssen im Rahmen der Revision Knochenfragmente oder Weichteilkontrakturen entfernt werden, die zu einem Aushebeln der Endoprothese führen könnten.
Bei rezidivierender Instabilität kann ein Wechsel auf einen großen Kopf mit Explantation der Glenosphäre erforderlich sein. Die funktionellen Ergebnisse werden durch diese Therapie verringert.
Die avaskuläre Nekrose der Tuberkula ist potenziell auch mit schlechteren funktionellen Ergebnissen assoziiert. Allerdings erfolgt die Therapie dieser Komplikation immer konservativ, da eine Verbesserung durch eine operative Revision nicht bewerkstelligt werden kann und weil das inverse Endoprothesendesign diese Komplikation zumindest teilweise kompensieren kann.

Fazit für die Praxis

Der Frakturfolgezustand vom Typ III nach proximaler Humerusfraktur wird auch in Zukunft eine der größten Herausforderungen aller Frakturfolgezustände darstellen. Bislang existiert kein Therapieverfahren, welches die Schulterfunktion vollständig wiederherstellen kann. Allerdings sind Funktionsverbesserungen sowohl für gelenkerhaltende als auch gelenkersetzende Verfahren zu erwarten.
Die vermutlich bedeutendste Rolle wird daher der Prävention des Frakturfolgezustandes vom Typ III zuteil. Hierfür müssten Risikofaktoren für die Entstehung der Pseudarthrose des Collum chirurgicum humeri identifiziert werden. So können frühzeitige operative Revisionen eingeleitet werden, welche irreversible Schäden wie die Atrophie und die Kontraktur der Rotatorenmanschette verhindern können.
Für die Therapie der Pseudarthrose ist zukünftig auch eine gezielte biologische Therapie mittels knöcherner Wachstumsfaktoren zu erwarten.
Literatur
Aytac SD, Schnetzke M, Hudel I, Studier-Fischer S, Grutzner PA, Guhring T (2014) High bone consolidation rates after humeral head-preserving revision surgery in non-unions of the proximal humerus. Z Orthop Unfall 152:596–602CrossRef
Boileau P, Trojani C, Walch G, Krishnan SG, Romeo A, Sinnerton R (2001) Shoulder arthroplasty for the treatment of the sequelae of fractures of the proximal humerus. J Shoulder Elbow Surg 10:299–308CrossRef
Cheung EV, Sperling JW (2008) Management of proximal humeral nonunions and malunions. Orthop Clin North Am 39:475–482, viiCrossRef
Court-Brown CM, McQueen MM (2008) Nonunions of the proximal humerus: their prevalence and functional outcome. J Trauma 64:1517–1521PubMed
Duralde XA, Flatow EL, Pollock RG, Nicholson GP, Self EB, Bigliani LU (1996) Operative treatment of nonunions of the surgical neck of the humerus. J Shoulder Elbow Surg 5:169–180CrossRef
Everding J, Freistuhler M, Stolberg-Stolberg J, Raschke MJ, Garcia P (2016) Extracorporal shock wave therapy for the treatment of pseudarthrosis: new experiences with an old technology. Unfallchirurg 120:969–978
Greiner S, Uschok S, Herrmann S, Gwinner C, Perka C, Scheibel M (2014) The metaphyseal bone defect predicts outcome in reverse shoulder arthroplasty for proximal humerus fracture sequelae. Arch Orthop Trauma Surg 134:755–764CrossRef
Mansat P, Bonnevialle N (2015) Treatment of fracture sequelae of the proximal humerus: anatomical vs reverse shoulder prosthesis. Int Orthop 39:349–354CrossRef
Raiss P, Edwards TB, da Silva MR, Bruckner T, Loew M, Walch G (2014) Reverse shoulder arthroplasty for the treatment of nonunions of the surgical neck of the proximal part of the humerus (type-3 fracture sequelae). J Bone Joint Surg Am 96:2070–2076CrossRef
Walch G, Badet R, Nove-Josserand L, Levigne C (1996) Nonunions of the surgical neck of the humerus: surgical treatment with an intramedullary bone peg, internal fixation, and cancellous bone grafting. J Shoulder Elbow Surg 5:161–168CrossRef