Metformin rückt in den Hintergrund

Es hat sich über Jahrzehnte klinisch bewährt. Doch wo harte Endpunkte zählen, ist Metformin als alleinige Erstlinientherapie nicht mehr zeitgemäß. Es reicht ein Blick in internationale Leitlinien: Bei Typ-2-Diabetikern mit hohem bis sehr hohen kardiovaskulären und renalen Risiko haben moderne Inhibitoren des Natrium-abhängigen Glukosetransporters 2 (SGLT2i) und Glucagon-like-Peptide-1-Rezeptoragonisten (GLP1RA) dem Metformin den Rang abgelaufen. Als Erstlinientherapie taugt es nur noch, wenn es allein um Gewichtsreduktion und die Kontrolle des HbA1c geht. In einem waren sich Prof. Dr. med. Monika Kellerer, Marienhospital, Stuttgart, und Prof. Dr. med. Nikolaus Marx, RWTH Aachen, in ihrer Diskussion des Für und Wider einer Metformin-Erstlinientherapie einig: Wichtig ist eine differenzierte Therapie. Marx plädierte für die Orientierung an harten Endpunkten. Die liegt auch der von ihm federführend mitverfassten aktuellen Leitlinie der European Society of Cardiology (ESC) zugrunde [1]. Demnach sind blutzuckersenkende Wirkstoffe mit nachgewiesenem kardiovaskulärem Nutzen zu priorisieren. An zweiter Stelle kommen Substanzen mit nachgewiesener kardiovaskulärer Sicherheit. Eine Primärtherapie mit Metformin allein sieht die ESC nur bei Patienten vor, die weder eine atherosklerotische kardiovaskuläre Erkrankung noch schwere Endorganschäden haben. Ihr 10-Jahresrisiko nach dem SCORE2-Diabetes muss unter 10 % liegen. Nur Klasse-II-Empfehlung Kommen Folgeerkrankungen ins Spiel, treten die Gliflozine und Inkretinmimetika in den Vordergrund. Dafür gibt es eine Klasse I-Empfehlung. Metformin kann bedarfsweise zur besseren Blutzucker-Kontrolle hinzugefügt werden. Während sich Kellerer noch auf das 10-Jahres Follow-up der Ende der 1990er Jahre wegweisenden United Kingdom Prospective Diabetes Study (UKPDS) berief, aus der Metformin weiterhin als einzige der damals getesteten Substanzen mit einer signifikanten Reduktion der Morbidität einherging [2], hob Marx auf die lediglich 342 nachbeobachteten Teilnehmenden unter Metformin ab und betonte, dass die Erfolge für neu diagnostizierte Typ-2-Diabetiker mit Übergewicht und ohne kardiovaskuläre Erkrankungen galten. Eine Cochrane Analyse [3] erbrachte dagegen keine klare Evidenz für den Nutzen von Metformin. Entsprechend enthalten die Leitlinien dazu nur Klasse-II-Empfehlungen. Zu SGLT2i und GLP1RA gibt es Metaanalysen an weit über 100.000 Personen, mit laut Marx robuster Evidenz hinsichtlich einer wirksamen Senkung der Morbidität und Mortalität unabhängig von einer Basistherapie mit Metformin. Die erhielten immerhin rund 80 %, betonte Kellerer. Der Kardiologe konterte, dass Metformin den Therapieerfolg anderer Antidiabetika teilweise sogar mindere. So war in einer Empagliflozin-Studie der renale Benefit bei zusätzlicher Metformineinnahme aufgehoben [4]. In einer Studie mit Canagliflozin gab es unter der Komedikation mehr Schlaganfälle [5]. Ein Vorteil ist Metformin nicht abzusprechen – Kellerer: „Die Tagestherapiekosten sind unschlagbar niedrig.“ Empfehlung der Redaktion DGIM 2024 Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin 2024 13. – 16. April 2024 | Wiesbaden "Präzisionsmedizin – Wünsche und Wirklichkeiten" – unter diesem Motto fand der 130. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) 2024 in Wiesbaden statt. Weitere Schwerpunktethemen waren u.a. die Krisen in der Inneren Medizin sowie die Folgen des Klimawandels. Wir waren vor Ort und unsere Berichterstattung finden Sie im Kongressdossier. basierend auf: "Metformin First-Line Pro/Contra – Session: Diskussion in der Endokrinologie und Diabetologie" – 130. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, Wiesbaden, 13.-16. April 2024

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