Kategorien
Im Rahmen des Auswertungsprozesses wurden zu allen a priori gebildeten Hauptkategorien (Ursache, Verlauf, Identität, Kontrollierbarkeit, Konsequenzen, Kohärenz, Emotionale Repräsentationen) induktiv Subkategorien sowie teilweise Subsubkategorien gebildet.
Da die Wahrnehmung von Einflussfaktoren auf die Entstehung und den Verlauf des Handekzems eine wesentliche Grundlage dafür bildet, welche Präventions- und Therapiemaßnahmen aus Sicht der Hauterkrankten als adäquat erachtet werden [
9,
18], stellt sich die Hauptkategorie Ursache als eine basale Dimension dar. Vor dem Hintergrund der besonderen Relevanz werden daher insbesondere zentrale Ergebnisse der Analyse dieser Kategorie berichtet. Es werden zudem Auffälligkeiten dahingehend dargestellt, wie die Befragten ihre Vorstellungen berichten (z. B. konkrete vs. abstrakte Ursachen). Die Verstehbarkeit der Hauterkrankung wurde in bisherigen qualitativen Studien noch nicht untersucht [
30]. Daher werden im Anschluss Besonderheiten der Kategorie Kohärenz berichtet.
Der Fokus dieses Artikels liegt ferner auf der Analyse von Besonderheiten in Bezug auf Alters- und Berufsgruppen. Vor diesem Hintergrund werden diese im weiteren Verlauf im Rahmen von Gruppenvergleichen berichtet. Ergebnisse der Gruppenvergleiche folgender Kategorien werden dargestellt: Ursache, Kontrollierbarkeit, Konsequenzen, Emotionale Repräsentation.
Ursache
Die Subkategorie äußere Faktoren der Ursachen zeigte sich mit einer Anzahl von 118 kodierten Textstellen am weitaus häufigsten. Die Einschätzung der Interviewten, dass äußere Einflüsse ursächlich für die Entstehung des eigenen Handekzems sind bzw. einen Einfluss auf den Erkrankungsverlauf haben, ließ sich zudem – mit Ausnahme von zwei Teilnehmenden – in den Transkripten aller Interviewten finden. Die zwei Interviewten, die keine äußeren Ursachen benannten (Gesundheits- und Krankenpflegerinnen), führten jeweils sowohl genetische als auch psychosoziale Faktoren als ursächlich für die Entstehung ihres Handekzems bzw. als Einflussfaktor auf. Ferner wurde innerhalb der einzelnen Interviews die Kategorie äußere Faktoren überwiegend mehrfach kodiert, da die Befragten häufig verschiedene äußere Einflussfaktoren nannten. Nur wenige Teilnehmende beschrieben lediglich einzelne vermutete äußere Ursachen.
Die Befragten benannten die wahrgenommenen äußeren Ursachen überwiegend konkret. So wurden bspw. relevante Arbeitsstoffe, wie Kühlschmiermittel (KSS), Desinfektionsmittel oder aber Feuchtigkeit mit der Entstehung oder Verschlimmerung des Handekzems in Verbindung gebracht. Vereinzelt wurde der Arbeitsplatz lediglich abstrakt als Ursache im Sinne eines auslösenden Faktors benannt, ohne Nennung konkreter Arbeitsstoffe bzw. Belastungen: „Meine Auslöser waren, weil ich arbeiten gegangen bin.“ (B24, Zerspanungsmechaniker, 35 Jahre) oder in der Form, dass die Ursache in der Tätigkeit bzw. dem Arbeitsplatz vermutet wird, es aber vage bleibt, welche Faktoren ursächlich für die Entstehung des Handekzems sind: „Wer weiß, was in den letzten Jahren auf diesen Zechen passiert ist. Das lässt sich ja nicht mehr nachvollziehen. Müsste man, wenn dann Bodenproben nehmen, aber ich weiß nicht, ja.“ (B1, 51 Jahre, Reifenmonteur/Vulkaniseur).
Nur wenige der 35 Interviewten (n = 6) nannten ausschließlich äußere Faktoren als Ursache für das eigene Handekzem. Alle anderen führten zumindest Ursachen aus einer oder aber mehreren weiteren Subkategorien auf. Als Auffälligkeit zeigte sich, dass auch diejenigen, die konkrete äußere Ursachen benannten (z. B. die Verwendung von Kühlschmiermitteln, Kontakt mit Desinfektionsmitteln), Ursachen weiterer Subkategorien (z. B. psychosoziale und genetische Ursachen) angaben. Die Entstehung des Handekzems wurde demzufolge in den allermeisten Fällen im Zusammenspiel verschiedener Ursachen bzw. Einflussfaktoren vermutet. Zudem zeigte sich, dass die äußeren Einflussfaktoren in den meisten Fällen mit dem Arbeitsplatz und den dort durchgeführten Tätigkeiten konnotiert waren. Vereinzelt wurden auch explizit außerhalb der Arbeit liegende äußere Faktoren benannt (z. B. Verschmutzungen im Rahmen der Ausübung eines Hobbys oder die Verwendung eines bestimmten Hautreinigungsmittels im häuslichen Umfeld). Zudem war eine Trennung zwischen den arbeitsplatzbezogenen Faktoren und außerhalb der Arbeit liegenden Einflüssen nicht immer möglich (z. B. vermehrtes Schwitzen im Sommer oder Heizungsluft im Winter).
Neben der Nennung konkreter äußerer Ursachen weisen die Antworten z. T. auch eine Einschätzung zur Bedeutung der Häufigkeit und Dauer von Hautbelastungen auf. So wurde das kumulative Auftreten einzelner Hautbelastungen oder auch die Kombination mehrerer Belastungen als Einflussfaktor bewertet:
„Also, ich glaube, dass die Häufigkeit der Belastungen schon eine Rolle spielt.“ (B13, 58 Jahre, Gesundheits- und Krankenpflegerin)
„Ja dieses Konglomerat an viel. Ne? Handschuhe tragen, Hände desinfizieren, auch dieses ständig –. Ich schwitze sofort unter den Handschuhen.“ (B20, 40 Jahre, Gesundheits- und Krankenpflegerin)
Ursachen wurden von nahezu allen Befragten als eigene Vorstellungen bzw. Vermutungen berichtet. Häufig wurden die Äußerungen mit einem Unsicherheitsfaktor belegt und mit Äußerungen wie „ich vermute“, „vielleicht“ oder „ich nehme stark an“ begonnen. Ein Befragter gab keine eigenen Vorstellungen an, sondern berichtete lediglich über die ärztlich vermutete Ursache. Die Äußerungen des Befragten legten nahe, dass er trotz eines arbeitskongruenten Verlaufs und der Assoziation, dass die berufliche Tätigkeit im Zusammengang mit dem Handekzem steht, keinen konkreten Einflussfaktor wahrgenommen hat. Die vermutete Ursache sei erstmalig im Rahmen der ärztlich durchgeführten Diagnostik durch den Arzt ausgesprochen worden: „Und dann meinte der Arzt das liegt an Kühlwasser, also an dem Bohrwasser“ (B6, 59 Jahre, CNC-Dreher). Die passive Haltung des Befragten spiegelte sich auch an anderer Stelle des Interviews wider. Hier wurde der Arbeitgeber als Initiator beschrieben, der dafür sorgte, dass der Befragte sich krankschreiben lässt. Die Einschätzung des Handekzems durch den Vorgesetzten schien eine andere zu sein, als die des Arbeitnehmers:
„Wieder eine Woche arbeiten und dann hat der Chef irgendwann gesagt: ‚Und wie sieht es aus?‘ Ja, ich sag ‚glaub geht es schon wieder‘ ‚Ja, das hat es so keinen Zweck. Musst du nochmal zum Arzt.‘ Und hat mich dann direkt zum Arzt auch geschickt. Und ja, jetzt bin ich mal hier gelandet.“ (B6, 59 Jahre, CNC-Dreher)
Auch bei anderen von den Interviewten geäußerten Ursachen war gelegentlich erkennbar, dass diese nicht vollständig als subjektive Vorstellungen der Befragten selbst zu werten sind. So wurden bspw. ärztliche Ursachenzuschreiben als plausibel erachtet und übernommen: „Da hat der Oberarzt dann halt schon recht, dass es irgendwas Genetisches, Veranlagung ist.“ (B5, 47 Jahre, Gesundheits- und Krankenpflegerin) Ferner gab eine Befragte an (B11, Gesundheits- und Krankenpflegerin, 54 Jahre), bei der das Handekzem plötzlich aufgetreten sei, dass sie keine Vermutungen habe, wodurch die Hauterkrankung sich entwickelt habe. Als Erklärung wurde eingeschoben, dass keine Änderungen der Produkte am Arbeitsplatz erfolgt seien. Man sei jedoch „ausgestattet mit tausenden von Cremes“, was „für die Haut auch nicht das Wahre“ sei. Die Interviewte hoffte, dass eine Ursache im Sinne einer Allergie gefunden werde, da sie dann etwas „Handfestes“ hätte, das sie meiden könne. Die Aussagen eines Befragten spiegelten wider, dass eine Unsicherheit bei der Einschätzung möglicher Ursachen bestand. So gab der Befragte einerseits an, dass er keine „Idee“ habe, wodurch die Hautveränderungen hervorgerufen wurden, er aber „ja Lackierer als Beruf“ sei. An anderer Stelle äußerte der Interviewte jedoch, dass er vermute, „dass es von den Einweghandschuhen kommt“ (B15, Lackierer, 35 Jahre).
Mehrere Befragte, die von konkreten äußeren Risikofaktoren/Ursachen berichteten, gaben in diesem Zusammengang auch an, welche unmittelbaren Folgen der Kontakt mit den als Hautrisiko erachteten Substanzen hatte. So sei eine Veränderung der Haut nach der Verwendung entsprechender Arbeitsstoffe (z. B. Bremsenreiniger und Waschbenzin) festgestellt worden: „Die Haut wurde sofort spröde und rissig.“ (B4, Werkzeugmacher, 59 Jahre). Im weiteren Verlauf des Interviews äußerte dieser Befragte jedoch, dass die Hautprobleme erst später entstanden seien und ergänzte, dass dies durch die geforderte Händedesinfektion in Rahmen der SARS-CoV-2-Pandemie hervorgerufen worden sei. Ein Befragter gab zudem an, dass er in der Vergangenheit, insbesondere im Winter, bereits „Probleme“ gehabt habe. Die Haut sei „dünner“ geworden. Es sei allerdings zu diesem Zeitpunkt noch kein „Ekzem“ gewesen (B16, Metallbauer, 45 Jahre).
Als weiterer Aspekt fiel zudem auf, dass Befragte z. T. äußere Einflussfaktoren nicht nur konkret benannten, sondern teilweise auch in einen zeitlichen Rahmen einordneten. Die zeitliche Dimension zeigte sich in der Form, dass Interviewte bspw. der Auffassung waren, dass die eigentliche Ursache der Erkrankung eher in früheren Hautbelastungen vermutet wurde. Frühere Hautbelastungen wurden z. B. als initialer Faktor für die Entstehung des Handekzems gedeutet:
„Ich würde fast behaupten, dass diese extremen Reinigungsmittel in meiner Fleischerlehre diese Sachen halt oder Probleme, die ich jetzt immer noch habe, vielleicht begünstigt haben, weil es gab da starke Laugen, um Rauchschränke zu reinigen, Eiweißfettlöser, aber keine Handschuhe.“ (B1, 51 Jahre, Reifenmonteur/Vulkaniseur)
„Wohl muss ich dazu sagen, wir haben schon in der Werkstatt Arbeitsstoffe, ich sage mal, wie früher hatten wir ein Waschbenzin. Oder diese Aceton oder diese so auch Bremsenreiniger, wenn man den auf die Hände bekam, dann, das war als, wie soll ich sagen, die Haut wurde sofort spröde und rissig.“ (B4, 59 Jahre, Werkzeugmacher)
Auf der anderen Seite scheint es aus Sicht mehrerer Befragter so zu sein, dass Veränderungen des Arbeitsplatzes innerhalb der vergangenen Jahre und daraus teilweise resultierende, neue Anforderungen zu einer vermehrten Hautbelastung geführt haben. Dies habe dazu beigetragen, dass das Handekzem entstanden sei bzw. zu einer Verschlimmerung geführt:
„Ich glaube, ja, ich sage mal: Die Anzahl des Handschuhtragens ist, glaube ich, mehr geworden als früher. Ja, man zieht einfach mehr an. Das lässt sich nicht vermeiden. Manchmal auch doppelt. Also, das ist eine größere Belastung für die Haut, ohne Frage, weil die Abstände zwischen dem Handschuhtragen auch immer kürzer werden.“ (B13, 58 Jahre, Gesundheits- und Krankenpflegerin)
„Und denn, ja da haben wir ein neues Mittel gekriegt. Auch Reinigungsmittel für die Motoren. Früher hatten wir ja so einen Waschboy, da haben wir die Teile alle mit gewaschen und heute kommt alles aus der Sprühdose. Mit, damit werden die Teile gewaschen. Aber die sind so, ja, wie soll ich sagen, fast ätzend.“ (B34, 63 Jahre, Servicetechniker in Kfz-Werkstatt)
Hinsichtlich der Häufigkeit wurden mit deutlichem Abstand psychosoziale Faktoren nach äußeren Faktoren am zweithäufigsten kodiert (29 Kodierungen). Von den Befragten wurde häufig „Stress“ als ursächlicher oder beeinflussender Faktor genannt. Der Begriff Stress wurde dabei von einigen Interviewten als allgemein Faktor verbalisiert, von anderen anhand konkreter Beispiele (z. B. Zeitdruck).
Kohärenz
In Bezug auf die Verstehbarkeit des Handekzems wurde deutlich, dass sowohl bei Interviewten, die ausschließlich äußere Ursachen (und damit tendenziell beeinflussbare Faktoren) für die Entstehung des Handekzems annahmen, Äußerungen gefunden wurden, die Aspekte von Schicksalshaftigkeit und Gerechtigkeit enthielten, als auch bei denjenigen, die genetische Faktoren benannten:
„Das kann ich halt gar nicht sagen, weil bei mir ist es so, ich stehe frühmorgens auf, okay, habe ich Glück oder habe ich Pech?“ (B2, Gesundheits- und Krankenpflegerin, 23 Jahre – keine äußeren Faktoren)
„Ja Herrgott, mich hat es halt getroffen. Manche trifft es nicht. Mich hat es jetzt erwischt.“ (B3, Gesundheits- und Krankenpflegerin, 60 Jahre – keine genetischen Faktoren)
„Weil man dann sieht, die anderen arbeiten den ganzen Tag ohne Handschuhe und ich selber muss mir Gedanken machen, wann creme ich meine Hände ein, welche Handschuhe ziehe ich zu der Arbeit an, wie schütze ich meine Hände am besten?“ (B32, Kfz-Mechatroniker, 22 Jahre, äußere und genetische Faktoren)
Aussagen einiger Befragter ließen zudem eine Ambivalenz zwischen einer Verstehbarkeit und einer Nicht-Verstehbarkeit der eigenen Erkrankung erkennen. So äußerte eine Befragte, die eine erbliche Veranlagung und Stress als Ursachen aufführte: „Klar, es ist Neurodermitis bedingt, aber, ich sag mal so, auch irgendwie nicht.“ (B2, Gesundheits- und Krankenpflegerin, 23 Jahre). Die Befragte begründete dies im weiteren Verlauf insofern, dass ihr die Neurodermitis bekannt sei und dadurch auch z. T. verstehbar, dass sie ein Handekzem habe. Da sich Tätigkeiten seit der Ausbildung nicht geändert hätten, sei jedoch nicht nachvollziehbar, warum das Ekzem an den Händen entstanden sei. Demgegenüber sei eine Allergie, die jedoch nicht bestehe, aus Sicht der Interviewten eine nachvollziehbare Erklärung.
Auch bei Interviewten, die konkrete Ursachen für ihr Handekzem benannt haben, bestand in Einzelfällen eine Ambivalenz in Bezug auf die Verstehbarkeit/Nachvollziehbarkeit des Handekzems. Hierbei schien es z. T. so, dass nicht nachvollziehbar sei, warum bei gleichbleibender Belastung/keiner Veränderung der bestehenden Belastungen, die Hauterkrankung unvermittelt aufgetreten ist:
„‚Und da ist, Sie reagieren auf irgendwas.‘ Sage ich: ‚Ich kann doch nicht auf irgendwas reagieren, ich habe vierzig Jahre auf nichts reagiert. Plötzlich reagiere ich.‘“ (B4, Werkzeugmacher, 59 Jahre)
Betrachtung von Alters- und Berufsgruppen
Im Folgenden werden Auffälligkeiten für die Hauptkategorie Ursachen und die Subkategorien Allergie, psychosoziale Faktoren und Lebensstil sowie die Kategorien Kontrollierbarkeit, Konsequenzen und emotionale Repräsentationen berichtet, die sich im Vergleich der Alters- bzw. Berufsgruppen zeigten.
Ursache – Allergie
Bei Befragten aus allen drei Berufsgruppen waren Äußerungen zu finden, in denen eine allergische Reaktion als mögliche Ursache bzw. Teilursache für die Entstehung des Handekzems vermutet wurde. Hinsichtlich der Häufigkeit zeigte sich, dass bei Gesundheitsberufen und körpernahen Dienstleistungsberufen (n = 13) Aussagen von drei Interviewten in diese Kategorie kodiert wurden. Bei den Metallberufen und weiteren Handwerksberufen (n = 19) wurden Aussagen von fünf Befragten dieser Kategorie zugeordnet. In der Gruppe der Verkäufer*innen (n = 3) wurden Aussagen von zwei Befragten kodiert.
Es zeigte sich z. T. sowohl in Aussagen von befragten Pflegekräften als auch in der Gruppe der Befragten aus den Metallberufen und der Verkäuferinnen, dass eine Allergie zwar als (Teil)ursache in der Vergangenheit vermutet wurde, im Rahmen durchgeführter Allergietests jedoch keine Allergie festgestellt worden sei. Die Glaubhaftigkeit der Ergebnisse jeweiliger Allergietests scheint jedoch unterschiedlich ausgeprägt zu sein. Auf der einen Seite führte ein negativer Allergietest bei mehreren Befragten offenbar dazu, dass eine Allergie als Ursache ausgeschlossen oder zumindest als nicht mehr wahrscheinlich angesehen wurde:
„Habe ich erst vermutet, aber ich reagiere ja nicht auf das Desinfektionsmittel.“ (B20, 40 Jahre, Gesundheits- und Krankenpflegerin)
„Aber die habe ich ja dann auch, exakt dieses Paar von dem Tag, am Anfang des Jahres in (Name der Stadt) als Allergietest auf den Rücken geklebt gehabt und das war nichts.“ (B1, 51 Jahre, Reifenmonteur)
Auf der anderen Seite ist die Konsequenz eines negativen Allergietests nicht unweigerlich, dass Befragte eine Allergie ausschließen. So könnte ein negativer Allergietest auch das Resultat daraus sein, dass die allergieauslösenden Stoffe nicht getestet wurden und somit eine Allergie weiterhin als Ursache vermutet werde:
„Das ist ja so eine Sache, viele Sachen werden ja gar nicht getestet.“ (B16, 45 Jahre, Metallbauer)
Eine vergleichbare Einschätzung ließ sich auch bei einer befragten Verkäuferin finden. Hier scheint es bislang keine Hinweise für eine vermutete Allergie gegenüber Metallen oder Stäuben zu geben. Die Vermutung, dass die Hautveränderungen daraus resultieren, dass die Haut auf einen Arbeitsstoff „allergisch“ reagiert, besteht weiterhin:
„Gut, dann ist es wahrscheinlich auf dem Metall. Entweder bist du gegen das Metall allergisch oder auch auf den-, der Schmutz, der da drauf ist.“ (B36, 60 Jahre, Verkäuferin)
Ursache – psychosoziale Faktoren
Von den Interviewten wurden psychosoziale Einflussfaktoren überwiegend unter dem Begriff „Stress“ verbalisiert. Es stach hervor, dass die Teilnehmenden aus den Gesundheitsberufen und körpernahen Dienstleistungsberufen beruflichen Stress überwiegend konkret mit der Entstehung bzw. der Verschlechterung des Handekzems in Verbindung brachten:
„Also, bei mir persönlich jetzt, ist das schon so, dass ich viel, sage ich mal, ich würde sagen, schon teilweise auch psychisch bedingt ist. Also, durch Stress einfach, dass ich, dass das auf meiner Haut auch ausbricht.“ (B2, Gesundheits- und Krankenpflegerin, 23 Jahre)
„(…) und Stress, ich gehe sogar fest dahin, dass das mehr so der Stress war.“ (B10, Friseur, 45 Jahre)
Die Befragten, die in Metallberufen und weiteren handwerklichen Berufen tätig waren, verwendeten ebenso den Begriff ‚Stress‘, um die vermuteten psychosozialen Ursachen zu benennen. Im Vergleich zu anderen Berufsgruppen waren die Aussagen hier jedoch überwiegend vage und eher im Sinne einer Vermutung:
„Ich weiß nicht, ich meine, stressig waren meine letzten Lebensjahre sowieso, sehr. Ich weiß nicht, ob der Stress vielleicht mit reingespielt hat.“ (B14, Modellbauerin, 51 Jahre)
„Also keine Ahnung, ob da vielleicht irgendwie Stress noch zustande kam.“ (B33, Industriemechanikerin, 33 Jahre)
Ursache – Lebensstil
In wenigen Interviews wurden Äußerungen gefunden, die darauf hindeuteten, dass der Lebensstil als mögliche (Teil)ursache für die Entstehung des Handekzems oder den Verlauf angenommen wurde. Im Vergleich der Berufsgruppen zeigte sich die Besonderheit, dass entsprechende Äußerungen lediglich in den Interviews von drei Befragten aus den Metallberufen und anderen handwerklichen Berufen gefunden wurden. Dabei wurde in allen drei Fällen Ernährung als Einflussfaktor genannt. Es habe aus Sicht der Befragten entweder das Essen von „etwas Falschem“ oder die Ernährung allgemein zum Handekzem beigetragen. Ein weiterer Befragter vermutete, dass das Weglassen bestimmter Lebensmittel zu einer Verbesserung des Handekzem geführt haben könnte.
Kontrollierbarkeit
Tendenziell wurden bei der jüngsten Altersgruppe (18–35 Jahre) weniger Äußerungen zur Kategorie erfolgreiche Kontrolle kodiert, aber im Vergleich zu den beiden anderen Altersgruppen (36–50, 51–65 Jahre) auch weniger Äußerungen zur fehlenden Kontrolle. Inhaltlich zeigte sich, dass in allen Altersgruppen verschiedene Aspekte zu einer erlebten Kontrolle des Handekzems geführt haben. Hierbei wurden sowohl eigenes Verhalten (Ablenkung durch andere Dinge), als auch veränderte Ernährungsgewohnheiten (Weglassen von Südfrüchten) sowie die ärztliche Versorgung und Gabe von Medikamenten genannt (z. B. Verwendung von Cortison).
Im Vergleich der Berufsgruppen ließ sich erkennen, dass Aussagen, die auf eine Selbstwirksamkeitsüberzeugung in Bezug auf den Einfluss auf die Entwicklung des Handekzems hindeuten, lediglich bei einem der Befragten aus den Metall- und Handwerksberufen tendenziell und bei keiner der Verkäufer*innen gefunden wurden. Bei den Gesundheitsberufen und körpernahen Dienstleistungsberufen wurden Aussagen von 6 Interviewten in dieser Kategorie kodiert:
„Und je länger das war, umso besser konnte man einschätzen, jetzt fängt es an, jetzt wird es intensiv. Jetzt kann ich es noch tolerieren. Ich kann noch selber was machen. Oder ich muss aktiv beim Arzt werden.“ (B3, Gesundheits- und Krankenpflegerin, 60 Jahre)
Auf der anderen Seite wurden bei den Teilnehmenden aus den Metall- und Handwerksberufen keine Aussagen gefunden, die auf eine fehlende Selbstwirksamkeit hindeuten. Bei einer Gesundheits- und Krankenpflegerin sowie bei einem Befragten aus einem körpernahen Dienstleistungsberuf wurden Aussagen zu fehlender Selbstwirksamkeit kodiert. Eine gewisse Ambivalenz (sowohl Selbstwirksamkeit als auch fehlende Selbstwirksamkeit) ist bei der genannten Gesundheit- und Krankenpflegerin zu erkennen. Beim Vergleich der dazugehörigen Aussagen lässt sich jedoch erkennen, dass die Selbstwirksamkeit dort vorhanden ist, wo durch eigenes Verhalten eine Einflussmöglichkeit gesehen wird – in diesem Fall bei der Vermeidung des Kratzens trotz bestehendem Juckreiz. Fehlende Selbstwirksamkeit wird dann erlebt, wenn die Einflussmöglichkeiten durch vorgegebene und erforderliche Arbeitsabläufe eingeschränkt sind:
„Gerade die Pflege der Hände geht so ein bisschen bei unserer Arbeit unter. Weil, wenn es schnell gehen muss, kann ich nicht erst sagen ‚Oh Moment, ich muss jetzt noch 15 min warten.‘“ (B5, Gesundheits- und Krankenpflegerin, 47 Jahre)
Psychische Konsequenzen
Über alle Altersgruppen hinweg waren psychische Konsequenzen der Erkrankung im sozialen Kontext der Interviewten zu erkennen. So zeigten sich im familiären Umfeld, im Freundeskreis, aber auch im beruflichen Kontext und in Alltagssituationen, wie dem Bezahlen im Supermarkt, Situationen, die zu psychischen Konsequenzen bei den Betroffenen geführt haben. Bei zwei Interviewten aus der jüngsten Altersgruppe (18–35 Jahre) ließen sich Aussagen finden, in denen die Berührung des Partners bzw. des eigenen Kindes mit der ekzematösen Haut der Hände als unangenehm beschrieben wurde:
„(…) dann möchte ich auch nicht meinen Partner irgendwie anfassen oder so, weil mir das halt dann auch sehr unangenehm ist.“ (B25, Altenpflegerin, 26 Jahre)
Finanzielle Konsequenzen
Von Befragten aus den Gesundheitsberufen wurden keine finanziellen Konsequenzen genannt. Bei den Interviewten, die in Metallberufen und weiteren handwerklichen Berufen tätig waren, führten drei Personen mögliche finanzielle Folgen ihres Handekzems auf. Die drei männlichen Interviewten deckten alle drei Altersgruppen ab. In den Aussagen schienen potenzielle Mehrkosten durch dauerhafte Behandlung und die finanzielle Absicherung der Familie wichtige Aspekte zu sein:
„Wie sieht denn das nachher aus, wenn ich in Rente gehe? Ist die BG dann auch noch für mich da, und zahlt mir eventuell meine Pflegemittel? Oder muss ich dann in meine eigne Hosentasche greifen?“ (B9, Montagearbeiter, 62 Jahre)
„Ich bin der, der das Geld, sage ich mal, nach Hause bringt.“ (B24, Zerspanungsmechaniker, 35 Jahre)
Berufliche Konsequenzen
In den beiden Berufsgruppen „Verkäufer*innen“ sowie „Gesundheitsberufe und körpernahe Dienstleistungsberufe“ sind Aussagen der Befragten zu finden, die zeigen, dass die aus Emotionen wie „Scham“ hervorgehende psychische Konsequenz „Verstecken der Hände“ oder die Sorge darüber, was Mitmenschen am Arbeitsplatz (z. B. Kund*innen und Patient*innen) denken, auch eine berufliche Konsequenz des Handekzems sein kann:
„(…) wenn ich mit Kunden dann gesprochen habe, beraten habe. Ich habe dann halt es anders anders handhabt so, wenn die ganz schlimm waren, dass ich dann auch gar nicht mehr viel Sachen gezeigt habe, sondern aus der weiten Entfernung quasi nur darauf gezeigt habe (…).“ (B35, Verkäuferin, 36 Jahre)
„Da habe ich halt auch manchmal auf Arbeit immer so ein bisschen Bedenken gehabt, wenn die Eltern das sehen, gerade wenn man mit Frühchen arbeitet und kleinen Kindern und Säuglingen.“ (B3, Gesundheits- und Krankenpflegerin, 60 Jahre)
Bei einem Teilnehmenden aus einem Metallberuf führten hingegen nicht die eigenen Gedanken oder Schamgefühl zu einem Verstecken der Hände, sondern Kommentare der Arbeitskollegen:
„Dann fingen die anderen auch an, die Arbeitskollegen. Und die sitzen in einem Frühstücksraum und denn war auch nicht schön. Da sagten sie: ‚Setz dich woanders hin. Das sieht nicht schön aus.‘ Ich sage: ‚Ich kann aber auch nichts daran machen. Es ist eben so.‘ Dann haben die gesagt: ‚Dann zieh irgendwas über.‘“ (B34, Servicetechniker in Kfz-Werkstatt, 63 Jahre)
Ferner waren berufliche Konsequenzen in den verschiedenen Berufsgruppen zu finden, die ausgehend vom Tätigkeitsfeld divergierten. So war insbesondere bei Befragten aus den Pflegeberufen eine unmittelbare Konsequenz die Sorge vor Hygieneproblemen, infolge der mangelnden Desinfizierbarkeit der Hände sowie die Vermeidung des direkten Hautkontaktes mit Patient*innen:
„Das ist so ein Gewissenskonflikt Schmerz oder Hygiene. Was ja, schwierig ist.“ (B3, Gesundheits- und Krankenpflegerin, 60 Jahre)
Eine mehrfach auftretende berufliche Konsequenz des Handekzems bei Interviewten aus den Metall- und Handwerksberufen war eine Einschränkung bei der Ausführung der Tätigkeit, z. B. durch Schmerzen oder fehlende Motorik:
„Oh, Scheiße, es tut jetzt so weh, dass ich nichts mehr anfassen kann.“ (B6, 59 Jahre, CNC-Dreher)
„Manchmal sind bei mir Materialstücke, beziehungs- Werkzeuge einfach so von Hand gefallen, weil ich die einfach nicht normal greifen konnten.“ (B24, Zerspanungsmechaniker, 35 Jahre)
Die Sorge, durch Arbeitskolleg*innen und/oder Vorgesetzte als unzuverlässig wahrgenommen zu werden, zeigte sich in Aussagen von Befragten aus den Gesundheitsberufen und köpernahen Dienstleistungsberufen ebenso wie bei Interviewten aus den Metall- und Handwerksberufen. Über alle Berufsgruppen hinweg berichteten die Befragten über Arbeitsunfähigkeitszeiten und zudem über Sorgen und Unsicherheiten hinsichtlich der beruflichen Zukunft:
„Die hat das schon als grenzwertig eingestuft und hat mich dann auch gefragt, ob ich vielleicht schon mal dran gedacht hätte, meinen Beruf zu wechseln. Habe ich aber nicht.“ (B13, Gesundheits- und Krankenpflegerin, 58 Jahre).
„Und so, ich kann mir das gar nicht vorstellen, im Büro zu sitzen oder ja, das ist eigentlich nicht mein Ding. Aber wenn das jetzt hier besser ist und ich dann wirklich keine Probleme habe, dann weiß ich halt auch nicht, wenn das in zwanzig Jahren nochmal kommt, dann ist das nochmal was Anderes, in einen neuen Beruf einzusteigen oder so.“ (B32, Kfz-Mechatroniker, 22 Jahre)
Emotionale Repräsentation
Hinsichtlich der Emotionen berichteten wenige Befragte, dies jedoch über alle Altersgruppen hinweg, über Traurigkeit im Zusammenhang mit dem Handekzem. In allen drei Altersgruppen wurde Angst als Begrifflichkeit im Zusammenhang mit dem Handekzem genannt. In der Altersgruppe der 18–35 Jahre alten Befragten tauchte dieser Begriff jedoch lediglich einmal auf und wurde vor dem Hintergrund genannt, dass Angst davor bestehe, dass aufgrund von Arbeitsunfähigkeit die Zuverlässigkeit durch den Arbeitgeber in Frage gestellt werde. Bei der ältesten Altersgruppe wurde Angst von mehreren Befragten – teils mehrfach – genannt. Hier war eine Tendenz in Richtung einer Zukunftsangst und einer Angst vor einem Arbeitsplatzverlust erkennbar.
„Weil ich bin in nem gewissen Alter, wo man natürlich auch ein bisschen Angst hat, dass man Arbeitsplatz verliert.“ (B6, CNC-Dreher, 59 Jahre)