Das Pflanzenmikrobiom
Die Zusammensetzung des Pflanzenmikrobioms (Gesamtheit aller mit Pflanzen assoziierten Mikroorganismen) hängt von der Pflanzenart, vom Wachstumsstadium, vom Mikrohabitat (Blatt, Stängel, Wurzel, endophytisch oder epiphytisch), dem Substrat, dem landwirtschaftlichen Management (organische Dünger, Bewässerung) und der Witterung ab. Von besonderer Bedeutung ist das Mikrobiom von roh verzehrten Pflanzen, wie Blattsalaten, Lauch und Wurzelgemüsen, da ihr Verzehr eine direkte Beeinflussung des menschlichen Darmmikrobioms ermöglicht [
35]. Grundsätzlich dominieren bei den Bakterien die Proteobakterien und bei den Pilzen Basidiomyceten im Pflanzenmikrobiom [
36]. Gerade Proteobakterien sind als genetischer Ursprung für eine Vielzahl mobiler Resistenzgene identifiziert worden, die eine klinische Relevanz aufweisen [
37]. Der Einfluss des Bodentyps auf das Mikrobiom der Pflanzen wurde in verschiedenen Studien nachgewiesen [
38]. Neben der Diversität werden auch das Vorkommen und die Persistenz von antibiotikaresistenten Bakterien durch die Beschaffenheit des Bodens beeinflusst [
38,
39].
Epiphytische und auch die endophytischen Bakterien haben eine sehr heterogene Verteilung mit lokal sehr hohen Zelldichten (sogenannte Mikroaggregate, Biofilme), die die heterogene Verteilung und Verfügbarkeit von Nährstoffen für Mikroorganismen widerspiegelt. Die Phyllosphäre besiedelnde Bakterien haben häufig sehr effiziente Effluxpumpen, sie bilden Auxine, Antibiotika, Pigmente, Biosurfactants (Detergenzien), N‑Acyl-Homoserinlactone oder extrapolymere Substanzen, um sich an das Leben in der Phyllosphäre anzupassen [
40,
41]. Dabei dienen die mikrobiell gebildeten Antibiotika als hochaktive Signalmoleküle. Es ist deshalb nicht überraschend, dass ein großer Anteil der pflanzenassoziierten Bakterien Mehrfachresistenzen gegen klinisch relevante Antibiotika besitzt. Die Kenntnisse zur Gesamtheit der natürlich vorhandenen Resistenzgene im Pflanzenmikrobiom (intrinsisches Resistom) wurden durch Metagenomstudien wesentlich verbessert [
41‐
43].
Viele der typischen pflanzenbesiedelnden Gattungen (Acinetobacter, Burkholderia, Enterobacter, Pantoea, Klebsiella, Pseudomonas, Stenotrophomonas oder Serratia) spielen auch im Krankenhaus als Erreger nosokomialer Infektionen eine große Rolle. Der Erfolg von Isolaten dieser Gattungen im Habitat Krankenhaus erklärt sich durch effiziente Effluxpumpen und die Fähigkeit, Biofilme zu bilden. Dadurch sind sie bestens geeignet trotz des starken Selektionsdrucks im Krankenhaus (hoher Einsatz von antimikrobiellen Substanzen und Bioziden) aufgrund fehlender Konkurrenz zu kolonisieren.
Es ist wichtig festzuhalten, dass das natürliche Pflanzenmikrobiom nicht nur von großer Bedeutung für die Gesundheit und das Wachstum der Pflanzen ist, sondern auch für die Gesundheit des Menschen. Die Produktion von möglichst keimarmem Gemüse ist daher nicht sinnvoll. Vielmehr trägt eine hohe Diversität des Pflanzenmikrobioms dazu bei, dass eingebrachte Mikroorganismen, z. B. Keime aus dem Bewässerungswasser, sich nicht auf Pflanzen etablieren können. Pro Gramm Blattmaterial im Freiland gewachsenem Salat können typischerweise 10
6–10
7 koloniebildende Einheiten (KbE) nach einer Plattierung auf nichtselektiven Nährmedien nachgewiesen werden [
44]. Diese Zahl wird nur in geringem Maße durch Waschen reduziert [
45‐
47]. Man geht heute davon aus, dass das Samenmikrobiom und der Boden die Zusammensetzung des oberirdischen Pflanzenmikrobioms wesentlich beeinflussen [
48]. Allerdings tragen auch eine Reihe von externen Faktoren wie Regen- und Bewässerungswasser, Staub- oder Boden-assoziierte Mikroorganismen zum Blatt-Mikrobiom bei.
Einfluss der Bewässerung auf Mikrobiom und Resistom
Trotz der Belastung von aufbereitetem Abwasser mit antibiotikaresistenten Bakterien hat ihr begrenzter Nachweis im Boden zu der Einschätzung geführt, dass Boden wie ein Puffer wirkt, d. h. biotische und abiotische Bodenfaktoren den Effekt limitieren [
49].
Bei der vergleichenden Nutzung von Oberflächen- und Trinkwasser oder aufbereitetem Abwasser zur Bewässerung zeigte sich in einer Metagenomstudie keine Beeinflussung des Bodenmikrobioms und -resistoms [
50]. Wurde der Boden aber bei 37 °C in flüssigem Nährmedium (Lysogeny Broth) angereichert, zeigten sich deutliche Unterschiede. So wurden aus Böden, die mit aufbereitetem Abwasser beregnet worden waren, vor allem
Moraxellaceae und
Enterobacteriaceae angereichert, während aus Leitungswasser-beregneten Böden vor allem
Bacillaceae angereichert wurden. Auch unterschieden sich 50 % der analysierten Resistenzgene signifikant. In dem Boden, der mit aufbereitetem Abwasser beregnet worden war, waren nach Anreicherung mehr als 61 % Multidrug-Resistance-Effluxpumpen (Membrantransporter, die antimikrobielle Stoffe aus Bakterien ausschleusen können) nachweisbar, im Leitungswasser-beregneten lediglich 8 %. In der Risikobeurteilung sollte berücksichtigt werden, dass bei Persistenz einer geringen Anzahl von Bakterien im aufbereiteten Abwasser unter geeigneten Bedingungen wieder eine Vermehrung stattfinden kann.
Aus Bewässerungswasser stammende Keime mit Mehrfachresistenz-Plasmiden können Pflanzen kolonisieren und auch Plasmide übertragen [
51,
52]. Die Kombination aus Keimen mit übertragbaren, plasmidlokalisierten Antibiotikaresistenzen und Schadstoffen wie Antibiotika und Bioziden kann Effekte haben, die über die Einzeleffekte der mikrobiellen Kontamination und der Arzneimittelrückstände hinausgehen, und ist deshalb gesondert zu berücksichtigen. Auch wenn die Keimbelastung in aufbereitetem Abwasser im Vergleich zum ungereinigten geringer ist und z. B.
E.-coli-Keimzahlen unter den zugelassenen Grenzwerten liegen, können sich solche Keime auf Pflanzen etablieren, insbesondere wenn sie Plasmide enthalten. Für einige typischerweise in Enterobakterien vorkommende Plasmide, wie die der IncF-Gruppe, konnte gezeigt werden, dass sie zur Ausbildung von Biofilmen beitragen können. Die im aufbereiteten Abwasser enthaltenen und von Pflanzen zum Teil aufgenommenen Arzneimittelrückstände und Biozide bieten den aus dem Bewässerungswasser stammenden Keimen einen Selektionsvorteil [
53,
54]. Aufgrund der hohen Zelldichten in Mikrokolonien kann es darüber hinaus zur Übertragung von Plasmiden aus Bewässerungswasser-assoziierten Bakterien auf dominante Blatt-assoziierte Bakterien, wie z. B. die Enterobacterales und Pseudomonadales, kommen.
Antibiotika aus zur Bewässerung genutztem aufbereiteten Abwasser können in Abhängigkeit von ihren physikochemischen Eigenschaften von Pflanzen aufgenommen werden [
25,
55]. Die Aufnahme und Akkumulation von Pharmazeutika und Pflegeprodukten aus dem Bewässerungswasser in Pflanzen sind auch von der Pflanzenart abhängig [
30,
53,
54,
56‐
60]. Insbesondere in Gurken wurden erhöhte Konzentrationen gefunden [
59,
61]. In den Pflanzen können sie das intrinsische Resistom modulieren, horizontale Gentransferprozesse stimulieren und die Etablierung von Abwasserbakterien auf Pflanzen fördern.
Die Charakterisierung von Tetrazyklin- und Colistin-resistenten und ESBL-produzierenden Enterobakterien aus Anreicherungen von Salat, der hydroponisch in verschieden aufbereitetem Abwasser gewachsen war, zeigte, dass sie zu den Gattungen
Enterobacter, Citrobacter, Klebsiella und
Escherichia gehören [
62]. Die intrinsisch auf den Chromosomen vorkommenden AmpC-Beta-Laktamasen wurden in Isolaten des
Enterobacter-Komplexes und von
Citrobacter spp. nachgewiesen. Als mobile, nicht chromosomal gebundene genetische Elemente gehörten die am häufigsten in Isolaten nachgewiesenen Plasmide zu den Inkompatibilitätsgruppen ColE1 und IncF. Aus Anreicherungen von aufbereitetem Abwasser und Salatblättern konnten konjugative Tetrazyklin-Resistenzplasmide in
E.-coli-Rezipienten isoliert werden, die zu den Plasmiden der IncF-, IncI-, IncN- und der IncP-1-Gruppen gehörten. In direkt extrahierter DNA konnten IncF- und IncI-Plasmide nicht nachgewiesen werden, wohl aber in der nach Anreicherung extrahierten DNA [
62].
Entwicklung einer resistenten Mikroflora nach der Ernte durch Waschen oder andere Prozessschritte
Vor allem pflanzliche Produkte, die zum Rohverzehr geeignet sind, stellen eine sensible Produktgruppe für eine potenzielle Übertragung von antibiotikaresistenten Bakterien auf den Menschen dar [
63]. Bei diesen Produkten (Obst, Gemüse) fehlt oftmals ein Dekontaminationsschritt wie das Erhitzen. Eine Verarbeitung wie Waschen oder Schälen ermöglicht nur eine moderate Reduktion von Mikroorganismen. Daher werden diese Produkte im Folgenden fokussiert betrachtet. Insbesondere für vulnerable Gruppen ist es dabei wichtig, die Hinweise über den sicheren Umgang mit solchen Lebensmitteln zu beachten [
64].
Bei der Betrachtung von Antibiotikaresistenzen in pflanzlichen Lebensmitteln nehmen vor allem Enterobakterien eine hervorgehobene Stellung ein. Enterobakterien wie
E. coli, Klebsiella, aber auch
Enterobacter und
Citrobacter gehören zu den häufigsten Infektionserregern und sind aufgrund von Antibiotikaresistenzen oftmals schwer zu therapieren [
65]. Gleichzeitig sind Pflanzen natürlicherweise mit Enterobakterien besiedelt [
66]. Der Anteil der Enterobakterien am gesamten Mikrobiom beträgt meist nur 1–5 %, ist aber von einer hohen Varianz gekennzeichnet [
66]. Cho et al. konnten antibiotikaresistente
Enterobacter-,
Citrobacter-,
Escherichia- und
Klebsiella-Arten aus pflanzlichen Frischeprodukten des deutschen Einzelhandels isolieren [
67]. Mittels Genomsequenzierung wurden Resistenzgene gegen Tetrazykline, Sulfonamide, Aminoglykoside, Chloramphenicol, Chinolone und Beta-Laktamantibiotika nachgewiesen. Des Weiteren zeigten die Isolate verschiedene Plasmidgruppen wie IncF, IncH, IncN, IncQ, IncR, p0111 und ColRNAI, was auf eine Mobilisierung der Resistenzgene hindeutet [
67]. Blau et al. untersuchten das Vorkommen von Plasmiden (IncF, IncI, IncP‑1 und Klasse 1 Integrons) auf kommerziell erworbenem Koriander, Rucola und Mischsalat [
17]. Insbesondere die IncF- und IncI-Plasmide in der Gesamt-DNA konnten nur nach vorheriger Anreicherung detektiert werden. Gekenides et al. (2018) zeigten, dass Bewässerungswasser eine wichtige Quelle von antibiotikaresistenten Bakterien auf Frischeprodukten ist [
68].
Pflanzen- und produktgruppenspezifische Unterschiede führen zu verschiedenen mikrobiologischen Belastungen in Obst und Gemüse. Üblich sind Keimgehalte von ca. 4–8 log KbE/g in der Gesamtkeimzahl und 3–7 log KbE/g Enterobakterien [
44]. Sprossen sind beispielsweise höher belastet als Salatgurken [
66]. Generell sind bodennah wachsende Pflanzenteile höher belastet. Die Keimzahlen von Pflanzen aus dem Gewächshaus sind 2–3 log KbE/g niedriger als Keimzahlen von Pflanzen aus dem Freiland.
Bei frischen pflanzlichen Lebensmitteln, wie Obst und Gemüse, bleibt der Stoffwechsel auch nach der Ernte aktiv. Neben der Respiration (Aufnahme von Sauerstoff, Abgabe von Kohlenstoffdioxid) führen vor allem intrazelluläre Abbaureaktionen zu einer Veränderung der physikalisch-chemischen Beschaffenheit dieser Lebensmittel. Bakterien, Hefen und Schimmelpilze unterstützen diese Prozesse und führen zum mikrobiologischen Verderb.
Meist ist Gemüse und Obst durch eine intakte Oberfläche geschützt. Diese verhindert den Austritt von nährstoffreichem Zellsaft und schützt vor einer raschen Vermehrung von Mikroorganismen (insbesondere schnell wachsende Bakterien wie E. coli). Allerdings gibt es Produktgruppen, wie vorgeschnittenes Obst oder geschnittene und gewaschene Salate („Fresh-Cut“), deren zerstörte Oberflächenstruktur eine rasche Vermehrung von Mikroorganismen zulässt. Um das Wachstum zu verlangsamen, müssen geschnittene Produkte gekühlt werden. Dies ist grundsätzlich bei intakter Oberfläche nicht notwendig, da sich Mikroorganismen während der üblichen Lagerzeit nicht zu einem beeinträchtigenden Maße vermehren.
Die Verarbeitungsschritte, wie Waschen und Schneiden, beeinflussen die Mikrobiota der Produkte deutlich. Das industrielle Waschen von pflanzlichen Produkten führt zu einer gewissen Reduktion der mikrobiellen Belastung, aber auch zu einer Verteilung der Mikroorganismen zwischen den gewaschenen Produkten [
47,
66]. Die Übertragung von pathogenen und antibiotikaresistenten Bakterien kann dadurch auch zwischen den Produkten stattfinden. Im Fresh-Cut-Bereich wurde durch den Waschschritt eine moderate Reduktion von ca. 0,27 log KbE/g in der Gesamtkeimzahl und ca. 0,36 log KbE/g bei der Enterobakterienanzahl festgestellt [
66]. Mit einer Nachweisrate von 10 % (
L. monocytogenes, Shigatoxin-bildende
E. coli, Salmonella spp.) wies die Produktgruppe der Fresh-Cut-Salate eine deutlich höhere Belastung mit humanpathogenen Bakterien auf als frische Kräuter, Kopf‑/Blatt‑/Pflücksalate, Sprossen, Möhren, Speisepilze und Gurken [
66]. Daher ist durch den Waschschritt auch mit einer Verteilung von antibiotikaresistenten Bakterien zu rechnen.
Die Reduktion der mikrobiellen Besiedlung durch die gesamte Prozessierung von Fresh-Cut-Salaten (Vorputzen, Schneiden, Waschen) beträgt etwa 0,5 log KbE/g in der Gesamtkeimzahl und etwa 1 log KbE/g in der Anzahl der Enterobakterien [
66]. Als marktfähige Einheit kommt es während der Haltbarkeitsdauer zu einem Anstieg der Keimzahlen um ca. 1 log KbE/g in der Gesamtkeimzahl und ca. 2 log KbE/g bei der Enterobakterienanzahl [
69].
Durch das Waschen im Privathaushalt wurden lediglich geringfügige Reduktionen von 0,5–0,9 log KbE/g in der Gesamtkeimzahl und 0,3–0,7 log KbE/g bei den Enterobakterienzahlen beschrieben [
45,
46]. Der Waschvorgang bei Gemüse und Salat eignet sich demnach grundsätzlich nicht, um eine mikrobiologische Sicherheit zu gewährleisten, sondern nur um ein potenzielles Risiko geringfügig zu mindern.
Lagerung
Deutschland ist ein Importland für Gemüse und Obst (64–78 % werden importiert). Auch wenn der Großteil in anderen EU-Ländern (Niederlande/Spanien) produziert wird, findet ein globalisierter Handel mit pflanzlichen Frischeprodukten statt. Durch Transport und Vorratslagerung können Lagerzeiten von mehreren Wochen entstehen. Trotz verbesserter Lagerungsbedingungen kommt es zu Veränderungen in der mikrobiologischen Besiedlung. Bei Kühllagerung kann es beispielsweise zu einer Vermehrung von kältetoleranten Enterobakterien (z. B. Yersinien; [
69]) oder anderen Veränderungen des Mikrobioms und Resistoms kommen [
42].
Durch das Verpacken in Kunststoffverpackungen mit modifizierter Atmosphäre wird das Wachstum von Mikroorganismen gehemmt [
70]. Im Fresh-Cut-Bereich werden verschiedene Systeme eingesetzt.
Modified Atmosphere Packages (MAP) besitzen eine produktspezifisch modifizierte Schutzatmosphäre von 3–8 % CO
2, 2–5 % O
2, 87–95 % N [
71]. Ein weiteres System ist das
Equilibrium Modified Atmosphere Packaging (EMA), indem die Verpackung eine definierte Permeabilität aufweist und der Gasaustausch zu einem Equilibrium zwischen Austausch und Respiration der Pflanzen/Mikroorganismen führt [
71]. Sowohl MAP als auch EMA führen zu einem reduzierten Sauerstoffgehalt in der Verpackung, wodurch aerobe Mikroorganismen gehemmt und anaerobe Bakterien begünstigt werden [
70]. Enterobakterien können sich als fakultativ anaerobe Bakterien auch unter diesen Bedingungen vermehren und ihren Anteil an der Mikrobiota erhöhen [
72].